08.07.2024
LIVE VOR ORT

Das war der Business Angel Summit 2024

Der Business Angel Summit in Kitzbühel bietet für Investor:innen jedes Jahr einen Rahmen zum Austausch von Erfahrungen und Meinungen. Wir waren am Freitag live vor Ort und haben uns umgehört, welche Themen die Investor:innen derzeit beschäftigen.
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(v.l.): Marcus Hofer (Standortagentur Tirol), Lisa Reiss (Smiling Food), Matthias Farwick (Txture), Svenja Lassen (Gateway Ventures/Female Investors Network) und Bernhard Sagmeister (Austria Wirtschaftsservice) im Rahmen des Business Angel Summit 2024 in Kitzbühel | (c) Standortagentur Tirol

Der Business Angel Summit in Kitzbühel hat mittlerweile Tradition. Einmal pro Jahr treffen sich auf Einladung der Austria Wirtschaftsservice (aws) und der Standortagentur Tirol in dem bekannten Alpen-Städtchen dutzende Business Angels und Startup-Investor:innen zum Austausch über aktuelle Themen und Trends. 2024 feierte der Business Angel Summit sein zehnjähriges Jubiläum (brutkasten berichtete).

“In diesem Jahr waren erneut über 100 Investor:innen aus dem DACH-Raum beim Business Angel Summit in Kitzbühel vor Ort. Diese beständige Anzahl an anwesenden und potenziellen Geldgeber:innen sowie getätigte Investitionen zwischen 100.000 und 2,3 Mio. Euro, unterstreichen die Etablierung des Events in der Startup-Szene”, so Marcus Hofer, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol.

150 Bewerbungen und zwölf Startup-Pitches

Wie bereits in den Vorjahren erhielten auch in diesem Jahr wieder zwölf Startups über die beiden Co-Veranstalter Austria Wirtschaftsservice (aws) und Standortagentur Tirol die Chance, an der Netzwerkveranstaltung teilzunehmen. Mit Pitches konnten sie ihre Geschäftsmodelle vor über 130 teilnehmenden Business Angels präsentieren.

(c) martin pacher / brutkasten

Für die Teilnahme mussten sich die Startups im Vorfeld bewerben. Ingesamt gab es in diesem Jahr über 150 Bewerbungen. Damit erzielte man laut Dusan Todorovic von aws i2 Business Angels und Lisa Spöck von der Standortagentur Tirol einen neuen Rekord.

Für ihren Pitch auf der Hauptbühne im Rasmushof in Kitzbühel hatten die Startups fünf Minuten Zeit, gefolgt von einem dreiminütigen Q&A. Die zwölf Startups kamen aus ganz Österreich und deckten eine Reihe unterschiedlichster Bereiche ab – angefangen von Software-SaaS-Lösungen bis hin zu Deep-Tech. Mehr über die Lösungen der Startups findet ihr hier.

“Der kürzlich von uns veranstaltete Connect Day mit 1.300 Teilnehmenden aus 45 Ländern unterstreicht die Wichtigkeit des zielgerichteten Netzwerkens. Der Business Angel Summit mit über 100 Investor:innen aus dem DACH-Raum fügt sich hier nahtlos an und untermauert als größtes Matching Event in Westösterreich die erfolgreiche Entwicklung der vergangenen zehn Jahre”, so aws-Geschäftsführer Bernhard Sagmeister. Unter anderem präsentierte Sagmeister die neue Spin-off-Initiative und verkündete, dass die finanziellen Mittel für Maßnahmen zur Stärkung des Spin-off-Standorts von der österreichischen Regierung gesichert sind. Mehr über die Initiative könnt ihr auch hier nachlesen.

(c) martin pacher / brutkasten

Inhaltliches Rahmenprogramm

Neben den Startup-Pitches ist der Business Angel Summit auch eine Drehschreibe, um sich als Investor oder Investorin zu aktuellen Themen auszutauschen. Auch in diesem Jahr bot der Business Angel Summit dafür ein inhaltliches Rahmenprogramm mit zahlreichen Panels – unter anderem zu aktuellen Marktbedingungen, geopolitischen Trends und deren Auswirkungen auf Investitionen und Startups.

Im Panel „Bären zähmen oder die Rückkehr der Bullen – Wie beeinflussen uns die Aussichten?“ diskutierten unter anderem Berthold Baurek-Karlic (Venionaire Capital), Carina Roth (Calm/Storm), Heinrich Gröller (Speedinvest) und Julia Reilinger (B&C Innovation Investments) über aktuelle Herausforderungen in der Investoren-Szene. Einer der Diskussionspunkt waren die regulatorischen Rahmenbedingungen in Europa. Die Teilnehmer:innen äußerten sich kritisch über die Bürokratie und die strengen Regulierungen, die als Innovationshemmnisse gesehen werden.

(c) martin pacher / brutkasten

Vor dem Panel hielten Florian Haas und Valentin Berger von EY Austria eine Keynote unter dem Titel “Fakten und Kaffeesud lesen, wie sieht der Markt 2025 bis 2030 aus?”. Dabei gaben sie anhand von zwei Extremszenarien einen Ausblick, wie sich der Markt für Startup-Finanzierungen in den nächsten Jahren entwickeln könnte. In ihrer Keynote referenzierten sie unter anderem auf die jüngsten Ergebnisse des EY Startup Barometer. So kam es im ersten Halbjahr 2024 zu einem Rückgang bei Frühphasenfinanzierungen (brutkasten berichtete).

Weiters gab es ein Panel, das sich um Investitionsstrategien in den Bereichen Software und Deep Tech drehte. Markus Ertler von AngelME Ventures, Laura Raggl von ROI Ventures, Eveline Steinberger von The Blue Minds Compan und Wilhelm Hüttenes von Hüttenes hoch drei diskutierten Herausforderungen und Chancen beim Investieren in Startups, die sich auf Hardware und komplexe Technologien konzentrieren. Themen wie die Bedeutung von frühen Investitionen, die Rolle der Industriepartner und die Notwendigkeit eines unterstützenden Netzwerks wurden hervorgehoben. Zudem wurde die langfristige Natur der Investitionen in Deep Tech betont, bei denen Geduld und eine sorgfältige Risikominderung wichtig sind.

(c) martin pacher / brutkasten

Wie bereits die Jahre zuvor ging es beim Business Angel Summit auch um einen Erfahrungsaustausch unter den Investor:innen. Unter anderem teilten Christiane Holzinger von G Capital, Christiane Feichter von AKELA, Alex von Frankenberg, CEO High-Tech Gründerfonds und die beiden österreichischen Business Angels Gernot Singer und Benjamin Ruschin von Big Cheese Ventures mit dem versammelten Publikum ihre Erfahrungen zu Startup-Investments.

(c) martin pacher | brutkasten

Anders Indset als Top-Speaker

Als Top-Speaker war in diesem Jahr der norwegische Wirtschaftsphilosoph Anders Indset vor Ort und hielt am Freitag eine Keynote zum Thema “Wetten, die Zukunft kommt?”. Indset berät internationale Unternehmen und politische Entscheidungsträger zu Technologiefragen und liefert Vorschläge für den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit neuen Technologien – unter anderem der Quantentechnologie.


*Disclaimer: Reisekosten und Unterkunft wurden vom Veranstalter übernommen.

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Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala
Peter Ahnert, Hermann Erlach, Marco Porak und Jeannette Gorzala | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.

Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.

“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”

Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“

AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”

Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”

Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.

IBM-Programm: “Die Angst war weg”

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.

Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”

Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”

Erlach: Adaption entscheidend

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”

Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”


Die gesamte Folge ansehen:


Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?”

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”

Folge 5: Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI

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