12.11.2019

Corporate-Startup-Collaboration: “Wir lernen wechselseitig voneinander”

In der Corporate-Startup-Collaboration hat Wüstenrot seinen eigenen Weg gefunden. 29 PoCs sind alleine in den vergangenen drei Jahren entstanden. Mit rund 20 Startups davon arbeitet man fix zusammen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch das Wiener weXelerate.
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Corporate-Startup-Collaboration bei Wüstenrot: Nina Tamerl, Wüstenrot, und Felix Bauer, Aircloak
(c) der brutkasten: Nina Tamerl, Wüstenrot, und Felix Bauer, Aircloak
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“Innovationskraft” und “Agilität” von Startups, von der Corporates “massiv profitieren” können, sind seit einigen Jahren fixe Bestandteile im Topmanager-Sprachgebrauch. Jeder will die Stärken der jungen Unternehmen für das eigene Fortkommen nutzen. Unzählige Programme wurden gestartet. Doch die angestrebten Erfolge brachten bei weitem nicht alle. Das Feld der Corporate-Startup-Collaboration – das hat sich inzwischen herumgesprochen – ist eben nicht trivial. Es taugt nicht als Marketing-Maßnahme. Es braucht System.

+++ Warum Wüstenrot sein Innovation Office und -Lab im weXelerate eröffnet +++

“Wir lernen wechselseitig voneinander”

“Startups sind inzwischen ein fixer Bestandteil bei uns”, sagt Nina Tamerl, Head of Innovation & Marketing bei Wüstenrot. Vor einigen Jahren gestartet, hat man alleine in den vergangenen drei Jahren mit 29 Startups PoCs (Proof of Concept-Projekte) abgeschlossen. Mit 20 arbeitet man fix zusammen. Auf dem Weg dorthin habe es freilich viele Learnings gegeben, sagt Tamerl: “Wir haben etwa mit der Zeit gelernt, frühzeitig zu erkennen, ob ein Startup dazu in der Lage ist, über die PoC-Phase hinaus zusammenzuarbeiten. Oft sind sie z.B. zu stark auf die nächste Investment-Runde konzentriert und können dann die notwendigen Ressourcen für die Weiterentwicklung ihrer Lösung nicht aufbringen. Wir lernen aber in jedem neuen Projekt wechselseitig voneinander”, sagt Tamerl.

weXelerate als “Concept Store der Innovation”

Gescoutet werden die Startups von Wüstenrot aus unterschiedlichsten Quellen. Vor einigen Wochen sei man etwa von einem Aufenthalt in Tel Aviv mit sechs neuen Projekten zurückgekommen. Auch in Amsterdam wurde man kürzlich fündig. Etwa ein Drittel der Jungunternehmen, mit denen man kooperiert, kommen über das Wiener weXelerate, wo Wüstenrot sein eigenes Innovation-Office geschaffen hat. “Es ist für mich der ‘Concept Store der Innovation’, ein tolles Ökosystem in das man eintauchen kann. Man sucht nicht ewig nach Partnern, sondern kommt über den Austausch vor Ort mit anderen Mietern, Corporates und Innovationsexperten zu ihnen”, sagt Nina Tamerl.

Von partikulären Lösungen zu langfristigen Partnerschaften

Die Entwicklung, die Tamerl in Bezug auf die eigenen Corporate-Startup-Collaboration-Aktivitäten beschreibt, sieht weXelerate-CIO (Chief Innovation Officer) Martin Wolf als allgemeine Tendenz bei den Partnern des Innovations-Hubs: “Wir stellen fest und es freut uns sehr, dass die Corporates ein immer klareres Bild davon haben, wie die Zusammenarbeit aussehen soll, was für Ressourcen dafür notwendig sind und wie viel Zeit die Prozesse brauchen”. Zeitgleich entwickle man sich immer mehr von partikulären Lösungen in Richtung Erweiterung der Use Cases und langfristige Partnerschaften.

Erste Gespräche “ohne Bullshit”

Genau solche strebt Wüstenrot auch im kürzlich gestarteten fünften Batch des weXelerate-Accelerators an. Das Fundament dafür legte man bereits – mit drei Startups aus dem aktuellen Batch wurde schon gestartet. “Es ging schon beim ersten Treffen sofort um Lösungen – ganz ohne Bullshit”, erzählt etwa Felix Bauer, Gründer des Datenanalyse-Startups Aircloak, das unter diesen drei Unternehmen ist. Für ihn sind Innovationsprogramme prinzipiell “ein zweischneidiges Schwert. Sie sind oft zwar cool, aber nicht langfristig. Sie sind aber generell sehr wichtig für uns. Man bekommt darüber gleich Kontakt zu den richtigen Leuten und kann in eine gemeinsame Entwicklung starten”, sagt Bauer.

Dass bei Wüstenrot nicht lange um den heißen Brei herumgeredet wird, bestätigt auch Michael Kalus, CEO des zweiten von drei Startups. Sein Startup Ryte bietet ein Tool zum Qualitätsmanagement von Webseiten: “Die Agentur, die später für die technische Umsetzung in der Kooperation zwischen Wüstenrot und uns verantwortlich sein wird, war bereits ins erste Gespräch eingebunden”.

Corporate-Startup-Collaboration bei Wüstenrot: Start mit PoC

Bei Aircloak und Ryte geht es nun also in Richtung PoC. Die Projekte werden dabei direkt mit der Wüstenrot-Innovationsabteilung durchgeführt. “Wir sind die Scouting- und PoC-Maschine”, sagt Nina Tamerl. Gemeinsam mit 35 Experten aus allen relevanten Abteilungen der Wüstenrot Gruppe arbeite man an Lösungen und implementiere sie immer mit den entsprechenden Unternehmensbereichen und -abteilungen im Unternehmen. “Zu dem Zeitpunkt ist die Einsatzfähigkeit aber bereits bewiesen, um den jeweiligen Abteilungen validierte und gute funktionierende Lösungen zu übergeben”.

“Dinge anders machen” und “andere Dinge machen”

In ihrer Arbeit ginge es nicht nur darum, “Dinge anders zu machen”, sondern auch darum, “andere Dinge zu machen”. Mit Ersterem, also etwa der Optimierung bestehender Prozesse, seien auch Traditionalisten im Unternehmen vertrauter. “Ängste gilt es vielmehr beim ‘andere Dinge machen’ abzubauen, denn man startet etwas komplett Neues und weiß nicht, was dabei herauskommt”, sagt Tamerl. Es seien aber diese Dinge, die Innovation wirklich ausmachen und auch Unternehmen wie Google, Facebook und Amazon nach oben gebracht hätten.

Corporates stellen sich immer breiter auf

Entsprechend sei es dieses “Finden ganz neuer Bedürfnisse”, mit dem Corporate-Startup-Collaboration dazu beitragen kann, die großen Unternehmen tatsächlich zukunftsfit zu machen. Dass auch das sich langsam herumspricht, berichtet Martin Wolf. “Die Corporates stellen sich immer breiter auf. Sie denken immer weiter und orchestrieren eine Vielzahl an Innovations-Maßnahmen, um Veränderung im Unternehmen zu bewirken. Damit rückt auch der Business Case der Innovationsarbeit deutlich in den Vordergrund”.

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OVE, LCM
(c) OVE/Fürthner - (v.l.) Johann Hoffelner, Josef Passenbrunner und Hubert Mitterhofer von LCM.

Seit August des heurigen Jahres hat das LCM mit Johann Hoffelner einen neuen CEO – brutkasten berichtete. Rund drei Monate später darf man sich über den OVE Innovation Award freuen.

Pankl Turbosystems beschäftigt sich mit Brennstoffzellen-Luftversorgungssystemen (FCAS – Fuel Cell Air Supply) sowie mit elektrisch unterstützten Abgasturboladern (EAT – Electrically Assisted Turbocharger) für Kleinserien. Weil aber Turbosysteme technologisch extrem anspruchsvoll sind, setzt die Mannheimer (Deutschland) Firma bei der Optimierung spezieller Komponenten auf externe Entwicklungspartner.

LCM mit Neuauslegung des E-Motors

“Die Elektromotoren für den Antrieb der Verdichterräder sind das Herzstück in FCAS-Systemen. Mit der kompletten Neuauslegung dieses Elektromotors hat LCM einen unentbehrlichen Beitrag zum gelungenen Innovationssprung und Wettbewerbsvorsprung geleistet”, erklärt Pankl Turbosystems-Geschäftsführer Gerhard Krachler.

Konkret hat es neun Monate gedauert, bis das LCM-Team rund um Hubert Mitterhofer und Josef Passenbrunner die ersten Funktionsmuster für den Elektromotor lieferte. Diese erfüllten die Erwartungen von Pankl und liefern Drehzahlen von bis zu 140.000 U/min und eine Nennleistung von 22kW. In diesem Sinne könnte ein FCAS von Pankl Turbosystems, in dem ein von LCM ausgelegter Motor arbeitet, schon bald bei einem Stratosphärenflug an Bord sein, heißt es.

Im Auftrag der britischen Stratospheric Platforms Ltd, eines Herstellers von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt, hat Pankl gemeinsam mit weiteren internationalen Unternehmen an der Entwicklung eines unbemannten Zero-Emission-Flugobjekts gearbeitet: “Selbst wenn dieses Projekt noch in einem sehr frühen Stadium ist, unterstreicht es die enorme Dynamik in der Brennstoffzellen-Technologie”, so Krachler weiter.

“Begrenzter Bauraum”

So unterschiedlich die Einsatzgebiete der FCAS sind, haben sie doch eine Gemeinsamkeit: Der Bauraum ist immer extrem begrenzt. Mithilfe der LCM-Software-Plattform “SyMSpace” konnte aus dieser Not eine Tugend gemacht werden. Damit wurden alle Komponenten – von der Baugröße des Motors über die Materialauswahl bis zur Dimensionierung jedes Bauteils – so aufeinander abgestimmt, dass die errechnete Motorauslegung nicht mehr verbessert werden kann, wie es in einer Aussendung heißt.

“Aus mehreren tausenden Varianten entsteht auf diese Art ein Elektromotor in der geforderten Baugröße, der in der Simulation 97 Prozent Wirkungsgrad erreicht. Es lässt sich kein Parameter weiter verbessern, ohne einen anderen zu verschlechtern”, erklären Passenbrunner und Mitterhofer.

Welches enorme Potential Brennstoffzellen haben, unterstreicht auch das Projekt SkalTABs (skalierbares Thermomanagement und Antriebsstrang für Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge). In dem vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsprojekt arbeiteten mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) neben Infineon, GreenIng, AVL LIST und MACCON auch Pankl Turbosystems zusammen.

Das Ziel war es, für mittelständische Unternehmen und Fahrzeughersteller mit kleineren Stückzahlen einen Baukasten für verschiedene Leistungsstufen eigener Brennstoffzellensysteme zu erforschen: “Selbstverständlich war auch unser gemeinsam mit LCM entwickeltes FCAS mit an Bord”, sagt Krachler. Weitere Förderprojekte für Antriebssysteme im Megawatt-Bereich werden gerade vorbereitet.

Award für LCM mit Signalwirkung

Dass LCM und Pankl Turbosystems für ihr Projekt mit dem OVE Innovation Award ausgezeichnet werden, hat für Hoffelner Signalwirkung. Gerade bei nicht-fossilen Antriebtechnologien sei Reichweite das entscheidende Kriterium: “Reichweite ist immer eine Frage der Effizienz. Je effizienter Antriebsysteme arbeiten, desto mehr Reichweite ist möglich. Mit der Zusammenarbeit am FCAS haben wir die Grenzen des Möglichen gemeinsam ein wenig verschoben”, sagen Hoffelner und Krachler.

Bernhard Jakoby, OVE-Juryvorsitzender und Vorstand des Instituts für Mikroelektronik und Mikrosensorik an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU), begründet die Entscheidung LCM zu prämieren wie folgt: “Das ausgezeichnete Projekt zeigt wieder einmal, dass es in Österreich gelingt, innovative Technologien aus der Forschung in die Praxis zu bringen und am Weltmarkt zu etablieren.”

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