21.03.2020

Coronakrise: Warum es jetzt spezielle Maßnahmen für Startups braucht

In der österreichischen Startup-Szene häufen sich die Stimmen, dass es im Zuge der Corona-Krise spezielle Maßnahmen für Startups braucht. Bestehende Hilfsmaßnahmen wie Garantien berücksichtigen nämlich die spezifischen Voraussetzungen nicht, mit denen Startups am Markt konfrontiert sind.
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Coronakrise

Nach dem Ministerrat am vergangenen Mittwoch kündigte die österreichische Bundesregierung ein 38 Milliarden Euro schweres Hilfsprogramm an, mit dem die Schäden der Coronakrise für die Wirtschaft abgemildert werden sollen. Das Paket verfolgt zwei große Ziele: Erstens soll die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen verhindert und zweitens massenhafte Arbeitslosigkeit abgefedert werden.

+++ Corona und die wirtschaftlichen Folgen +++ 

Eine zentrale Rolle im Hilfspaket nehmen dabei Garantien für die Klein- und Mittelbetriebe ein, die nachträglich auch auf größere Unternehmen ausgeweitet wurden. Durch die Überbrückungsgarantie soll Unternehmen die Aufnahme von Krediten bei ihrer Hausbank erleichtert werden, da der Staat mit Sicherheiten einspringt. 

Doch inwiefern hilft dieses Instrumentarium Startups, deren Geschäftsmodelle für Banken in der Regel zu riskant sind und sich daher über Risikokapital finanzieren müssen? Und wie könnte ein Rettungspaket speziell für Startups aussehen?

In der Coronakrise stehen nämlich auch viele Startups in Gefahr, die auf einem gesunden, Startup-typischen Entwicklungspfad sind. Diese gelte es vor dem “Austrocknen” zu bewahren, meint Berthold Baurek-Karlic, CEO von Venionaire, denn sonst “kommen Heuschrecken aus China und den USA und investieren vor unserer Nase in Zukunftstechnologie und Talente, was sie mittelfristig abwandern lassen wird.”

Die Verwirrung mit den Garantien

In der Startup-Szene häufen sich nun Stimmen, die spezielle Maßnahmen für Startups fordern, da Garantien für Startups als Hilfsmaßnahme nicht immer geeignet sind.

Baurek-Karlic bringt es gegenüber dem brutkasten auf den Punkt: “Garantien für Kredite kommen kaum in Frage, da deren Rückzahlung oder Fälligkeit durch Banken toxisch wäre – die meisten Startups erfüllen außerdem gar nicht die Voraussetzungen für diese Garantien.“

Ähnlich sieht es Business Angel Hansi Hansmann, der bei der hohen Eigenkapitalquote von Garantien das Problem sieht: „Die meisten Maßnahmen sind für Startups nicht anwendbar. Wir brauchen Überbrückungskredite für Startups, die nicht von der Eigenkapitalquote abhängen.“

Auch Oliver Holle, CEO von Speedinvest, betont gegenüber dem brutkasten, dass es abseits der Maßnahmen für Kurzarbeit nun dringende Maßnahmen zur Zwischenkapitalisierung für österreichische Startups braucht. “Ich bin auch zuversichtlich, dass die Regierung hier noch Maßnahmen setzt, ähnlich wie das ja auch in Deutschland besprochen wird”, so Holle. Im besten Fall könne der Steuerzahler im Nachhinein auch verdienen, wie Holle später auf Twitter nochmals betonte. 


In Deutschland ist nämlich eine ähnliche Diskussion entbrannt und das Wirtschaftsministerium plant vermeintlich einen eigenen Rettungsschirm für Startups.

Instrumente auch für Startups gedacht

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck schätzt die Situation allerdings anders ein: “Bei uns ist die Situation anders als in Deutschland, da wir viele Instrumente bereits haben, die Startups nutzen können.” Insbesondere die Überbrückungsgarantien seien auch für Startups gedacht.

Darüber hinaus gäbe es bereits Promessen, damit Startups leichter Kredite bei Banken bekommen, als auch zinsgünstige ERP Kleinkredite.

Auch die “Seed Programme bei aws und Startup Förderungen für Forschung bei FFG laufen normal weiter”, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

Einen Dachfonds zur Hebelung von Private Equity schaue sich das Ministerium überdies gerade an.

URG – Kennzahlen als Knackpunkt für die Garantieübernahme 

Laut dem ECOVIS-Partner David Gloser sei eine Garantieübernahme grundsätzlich so wie Double Equity ein sehr geeignetes Instrument für Startups. Der Staat garantiert dabei der Bank die Rückzahlung in Höhe von 80 Prozent der Kreditsumme. Allerdings gibt es eine Voraussetzung, die für Startups problematisch sein könnte.

+++ Kurzarbeit, Kinderbetreuung und Liquidität in Zeiten des Coronavirus +++

“Die Garantieübernahme ist unter anderem dann ausgeschlossen, wenn  Unternehmen die im der Antragstellung vorausgegangenen Wirtschaftsjahr die sogenannte URG-Kriterien erfüllen. Das ist dann der Fall, wenn die Eigenmittelquote unter acht Prozent liegt und fiktive Schuldentilgungsdauer über 15 Jahre beträgt”, so Gloser.

In diesem Fall wird dann ein Reorganisationsbedarf vermutet und Garantieübernahme ausgeschlossen. Typischerweise wären das Startups in der Wachstumsphase, die vor der nächsten Finanzierungsrunde stehen, weil der letzte Eigenkapitalzuschuss verbraucht ist. Diese haben einen negativen Cashflow (Jahresverlust plus Abschreibung) und ein negatives Eigenkapital und würden laut Gloser somit keine Garantie bekommen.

Das könnte in der Tat viele Startups treffen. Hier wäre eine Lösung, die URG – Einschränkung für Startups auszunehmen. Dann würde der Staat wirtschaftlich de facto die Kreditgeber-Funktion übernehmen. 

Das Problem mit Double Equity

Ein weiteres Problem ergibt sich laut Andreas Nemeth, CEO von UNIQA Ventures, beim Finanzierungsinstrument Double Equity, da dieses an entsprechende Umsatzziele gebunden ist, die sich in der Coronakrise nicht mehr erfüllen lassen. In Zeiten in denen die Nachfrage in gewissen Sektoren beinahe auf Null geht, kann dies zu einem erheblichen Problem führen. 

“Mir berichten einige Startups, die Double Equity in Anspruch genommen haben und dementsprechende Umsatzziele erfüllen müssen, dass es durchaus eng werden kann”, so Nemeth. Hier würde eine Stundung der Double Equity Forderungen helfen. Die aws scheint hier aber verständnisvoll vorzugehen.

Das Problem mit der Finanzierungsphase

Ein weiteres Problem kann sich dadurch ergeben, in welcher Finanzierungsphase sich ein Startup derzeit befindet und ob ein Investment kurz vor dem Ausbruch der Coronakrise noch rechtzeitig geclosed werden konnte oder nicht.

Mic Hirschbrich, Gründer des Startups Apollo.ai / Updatemi, sieht hier folgende Problematik gegeben: “Perfiderweise kommen in einer solchen Krise mit externen Effekten, ausgerechnet jene Startups besonders ins Strudeln, die den Turnaround bereits geschafft haben, vielleicht gerade Breakeven sind und von Kunden leben anstatt von Investorengeldern. Ihnen brechen jetzt überlebenswichtige Umsätze weg.”

Im Gegensatz dazu, kommen Startups, die zwar noch nicht Breakeven sind, und gerade eine Finanzierungsrunde hinter sich haben, vergleichsweise gut davon. “Ihnen macht das Remote-Arbeiten meist nichts aus und sie können jetzt fokussiert ihre Produkte entwickeln. Andere wiederum, die gerade nicht mehr rechtzeitig closen konnten, für die braucht es jetzt Lösungen auf Augenhöhe, so Hirschbrich.

Steuerliche Absetzbarkeit als eine Lösung gegen ungewollte Marktbereinigung 

Der Staat könne hier private Hilfen steuerlich stützen bzw. befristet abschreibbar machen, dann wäre beiden Seiten geholfen, schlägt Hirschbrich vor. “Die Staatskasse wäre weniger stark belastet, Bestandsinvestoren hätten Anreize aufzustocken und dem Startup wäre wirklich geholfen.” Dies würde nicht nur das Kapital privater Investoren mobilisieren, sondern auch jenen der KMU, Banken, Pensionskassen und anderer Konzerne, ergänzt Baurek-Karlic.

Die Krise komme für das “zarte Pflänzchen europäischer Innovationen” höchst ungelegen. Denn solch brachialen Ereignisse wie eine Pandemie im Innovationsbereich treffen mitunter genau die falschen. “Und das ist eine ´Marktbereinigung´ die wirklich keiner will”, schließt Hirschbrich seine Ausführungen ab. 

Giftige Down-Rounds als Gefahr

Eine weitere Gefahr für Startups sind die sogenannte Down-Rounds, sprich Investitionsrunden zu einer niedrigeren Bewertung als die letzte. Der Gründer von wefox, Julian Teicke, forderte die Venture Capital Investoren auf seinem LinkedIn Profil auf, in diesen schwierigen Zeiten für gut laufende Startups, die derzeit am Funding sind, die Zitrone nicht zu sehr zu drücken.

“Die Down-Rounds seien in diesen Zeiten ein absolutes No-Go. Das ist die Grenze, die nicht überschritten werden sollte”, meinte Teicke. Er habe in den letzten Tagen von schrecklichem Verhalten von VCs auf der ganzen Welt gehört und fordert von diesen Anstand ein.

Auch Hirschbrich warnt vor dieser Gefahr. “Viele Startups, die unverschuldet nun ihre Bestandsinvestoren brauchen, sind zurecht nervös. In Fällen höherer Gewalt sollten aber aggressive Down-Round-Ambitionen hintenangehalten werden. Zu hoch wären die Schäden in der langfristigen Company-Reputation sowie bei der Gründer-Moral”, so Hirschbrich.

Rettungsschirm für Startups in der Coronakrise

Berthold Baurek-Karlic geht hier einen Schritt weiter und schlägt einen eigenen Rettungsschirm für Startups vor. “Jedes Startup das mehr als 500.000 Euro Förderungen oder Investment in seiner Laufbahn erhalten hat und weniger als zehn Jahre alt ist, soll 500.000 Euro als Substanzgenussrecht bekommen“. 

Die Konditionen könnten dabei die Verzinsung und den Wertzuwachs berücksichtigen, gebunden an die durchschnittliche Post-Money Bewertung der letzten zwölf Monate oder der letzten Finanzierungsrunde. Die Prüfung könnte im Eilverfahren durch aws oder FFG erfolgen.


Alle Informationen über aktuelle Hilfe für Unternehmen in der Coronakrise finden sich auf www.oesterreich.gv.at/

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Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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