04.04.2023

ChatGPT und dreiste Lügen über Sebastian Kurz

Kommentar. ChatGPT gibt haarsträubenden Schwachsinn von sich. In Sachen Maßnahmen für KI-Literacy ist Gefahr im Verzug.
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ChatGPT und Sebastian Kurz
Porträt Sebastian Kurz (c) EVP via Wikimedia Commons | Hintergrund (c) Choong Deng Xiang via Unsplash
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Haben Sie den diesjährigen brutkasten-Aprilscherz gelesen? Sind Sie vielleicht sogar kurz (pun intended) darauf reingefallen? Sebastian Kurz werde Investor in der Startup-Show “2 Minuten 2 Millionen”, hieß es da. Und das, wo der Ex-Kanzler und Startup-Investor momentan doch wegen ganz anderen Dingen, wie einer Hausdurchsuchung und neuen Vorwürfen gegen ihn, in den Medien ist. Dass die Story nicht stimmen kann, war also den meisten unserer Leser:innen schnell klar.

ChatGPT: Fake-News nicht nur am 1. April

So dreist erfundene Artikel gibt es von der brutkasten-Redaktion natürlich nur an einem Tag im Jahr: am 1. April. Und nach einiger Zeit lösen wir unseren Scherz auf und sorgen mit einem prominent platzierten Disclaimer dafür, dass niemand mehr darauf hereinfallen kann. Wir wollen schließlich keine Fake News verbreiten. Ein anderer Akteur, mit dem der brutkasten in Sachen Zugriffe bei weitem nicht mithalten kann, hat dagegen, wie immer wieder beanstandet wird, überhaupt kein Problem mit der Verbreitung von Unwahrheiten: ChatGPT. Eine kleine Kostprobe gefällig? Hier die Beantwortung einer Frage von uns anlässlich unseres Aprilscherzes durch den AI-Chatbot:

Screenshot: https://chat.openai.com/

Zunächst sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass ChatGPT keinen Zugriff auf das Internet hat und somit den aktuellen brutkasten-Aprilscherz nicht kennen und verarbeiten kann. Und nun ein kurzer (hihi) Faktencheck: Im Jahr 2016 war Sebastian Kurz tatsächlich österreichischer Außenminister. Er trat aber weder damals noch zu einem anderen Zeitpunkt bei “2 Minuten 2 Millionen” auf. Das 2021 verkaufte Linzer Startup Carployee gab es 2016 noch gar nicht – es wurde erst 2018 gegründet. Es pitchte zwar tatsächlich bei “2 Minuten 2 Millionen” – aber erst in einer 2020 ausgestrahlten Folge. Und zu guter Letzt: Kurz investierte auch in keinem anderen Kontext in Carployee.

An der Aussage von ChatGPT, die auf den ersten Blick durchaus plausibel wirkt, stimmt also fast gar nichts. Das kann man dem AI-Chatbot auch sagen, woraufhin er einen neuen Versuch startet:

Screenshot: https://chat.openai.com/

Und jetzt? Liegt ChatGPT diesmal richtig? Fehlanzeige. Dass Sebastian Kurz nicht Staatssekretär und Minister gleichzeitig war, liegt auf der Hand – 2015 war er bereits Außenminister. Ein Startup namens JobSwipr gab es damals tatsächlich – das wurde später zu Hokify. Das heutige Unicorn GoStudent wurde aber erst 2016 gegründet. Kurz ist bei beiden genannten Unternehmen nicht investiert. Zudem trifft der Begriff “Investitionsveranstaltung” in dem von ChatGPT vorgebrachten Kontext nicht auf “Startup Live”-Events zu. Also ein weiteres Mal zunächst plausibel klingender, haarsträubender Schwachsinn vom AI-Chatbot. Erst nach einer weiteren Belehrung gibt er auf und gibt eine (zu dem Zeitpunkt, als das Modell trainiert wurde) korrekte Antwort.

Vieles, aber sicher keine Suchmaschine

Dieses Phänomen wurde, wie bereits oben angedeutet, schon mehrfach beschrieben. Es hat technische Hintergründe, die mit der Funktionsweise des Sprachmodells zusammenhängen. Einen Vorsatz zu lügen, bzw. überhaupt die Fähigkeit zu so einem Vorsatz, hat die KI natürlich nicht. Diese Erklärung bringt Endnutzer:innen aber wenig, wenn der Chatbot am Ende lauter Unwahrheiten ausspuckt.

Und so richtig angekommen scheint die Message über die massive Unzuverlässigkeit der Informationen bei den meisten nicht zu sein. Man kann ChatGPT für vieles nutzen, als Suchmaschine aber sicher nicht. Genau das machen aber gar nicht wenige Menschen mittlerweile. Und es werden laufend mehr. Die Antworten kommen schneller und sind leichter konsumierbar, als bei einer klassischen Web-Recherche. Bloß: Sie sind eben teilweise völlig frei “erfunden” – wenn man das bei einer Künstlichen Intelligenz so sagen kann.

Während einem das in einem Feld, in dem man sich auskennt, wohl sofort auffällt, bleiben die dreisten “Lügen” von ChatGPT für die meisten Menschen, in den meisten Suchfeldern unerkannt. Die Suche nach Fakten im Internet erfordert durch Fake News, Verschwörungstheorien und Co schon bislang ein gewisses Maß an “Literacy” und Fähigkeit zur Quellenkritik. Bei ChatGPT wird es fast unmöglich: Mal stimmt es, was da steht, mal stimmt es nicht. Wenn fast nichts davon stimmt, wie im Beispiel oben, fällt die Quellenkritik recht leicht: Nicht Genügend. Doch was, wenn 95 Prozent stimmen? Eine kurze Web-Recherche erweckt den Eindruck, dass die wiedergegeben Fakten in Ordnung sind. Tatsächlich ist ein vielleicht entscheidendes Detail aber vom Chatbot frei erfunden.

Gefahr im Verzug

Das ist gefährlich. Jugendliche verwenden ChatGPT für Schulaufgaben, Erwachsene nutzen es im beruflichen Kontext. Mit ein paar Klicks können vom AI-Chatbot erfundene “Fakten” auf einer an sich seriösen Website landen, weil sie nicht ausreichend kontrolliert wurden. Sie werden dadurch quasi legitimiert, könnten von weiteren Akteur:innen übernommen werden und sich letztlich verbreiten.

Dabei ist die Technologie hinter ChatGPT großartig. Wer damit umgehen kann, kann wundervolle Dinge damit schaffen. Was es daher braucht, sind nicht (ohnehin schwer umsetzbare) Verbote, sondern eine breite Kampagne für mehr KI-Literacy. Und zwar schnell, denn es ist Gefahr im Verzug. Der Chatbot verbreitet sich immer weiter, wird für immer mehr Menschen Teil ihres Alltags. Es braucht jetzt sehr viel Aufklärung, was man mit dem Tool machen kann und was man lieber bleiben lassen sollte, bevor damit wirklich Schaden angerichtet wird. Dabei ist auch die Politik am Zug.

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Cocoon Capital Advisory Sebastian Kurz - Startups und Beteiligungen - Dream Security
Sebastian Kurz | (c) EVP via Wikimedia Commons

Vor gut zwei Jahren co-gründete der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz das Cybersecurity-Startup Dream Security. Mit an Bord ist Shalev Hulio, Ex-CEO der Spionagefirma NSO. Bereits zum Start holte sich das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Kapital. Kurz hielt danach ein Drittel der Anteile.

Investment an Gaza-Grenze

Im November 2023 holte sich Dream ein neues Investment in Höhe von 33,6 Millionen US-Dollar. Kurz hielt danach noch rund 20 Prozent der Anteile. Das Kapital kam primär von den Bestandsinvestoren Aleph und Group 11 – beide aus Israel. Kurz darauf bezifferte das Wall Street Journal die Bewertung der Kurz-Startups mit rund 200 Millionen US-Dollar.

“Die heutige Cyberlandschaft erfordert innovative Ansätze, um aktuellen Bedrohungen effektiv und zielgerichtet zu begegnen. Dank dieser Finanzierungsrunde sind wir in der Lage, weiterhin rasch zu wachsen”, kommentierte der Ex-Kanzler in einem Statement, das brutkasten damals erhielt.

Seither zeigt der eskalierte Gaza-Konflikt Auswirkungen auf Dream Security. So war CEO Shalev Hulio zum Zeitpunkt des letztjährigen Investments selbst als Reservist in der israelischen Armee tätig. Unterschrieben wurde der damalige Investment-Vertrag von Hulio in Uniform an der Grenze zu Gaza.

125 Millionen US-Dollar Umsatz

Im November 2023 zählte das Unternehmen noch 70 Mitarbeiter:innen – 60 davon in Israel. Mittlerweile sei die Belegschaft auf 150 Mitarbeitende gewachsen. “Ihr seid der Grund dafür, dass wir heute dort stehen, wo wir sind”, so der Ex-Kanzler in einem seiner jüngsten LinkedIn-Postings. Gedankt wird auch den bisherigen Investor:innen, darunter Dovi Frances, der Group 11 und Michael Eisenberg, Partner bei Aleph. Überdies verkündet Ex-Kanzler Kurz, mit Dream bereits “über 125 Millionen US-Dollar Umsatz in Europa, dem Nahen Osten und Asien” erreicht zu haben.

Party in der Wüste

Darüber hinaus schreibt Kurz auf LinkedIn: “Für uns als Österreicher war es eine neue Erfahrung, eine Party in der Wüste zu feiern, und dazu noch dem Thema entsprechend gekleidet zu sein… das hat auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht!” Gefeiert wurden die genannten Meilensteine laut dem Posting im Rahmen eines “Tribe-Events”.

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