11.07.2022

Business Angel Summit 22: Diese Themen beschäftigen die Startup-Investor:innen

Vom Impact Investing bis "Krisenjahre voraus" – am Business Angel Summit tauschten sich Startup-Investor:innen wieder über aktuelle Themen aus.
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(c) Standortagentur Tirol

Das Kapital ist da, es wird nur selektiver bei den Zielen. Das war der Tenor auf dem Business Angel Summit, der 2022 zum mittlerweile achten Mal stattfand – mit Rekordbeteiligung. Zwei Tage lang haben sich am 7. und 8. Juli in Kitzbühel Dutzende Startup-Investor:innen und Business Angels zum Austausch getroffen – auch für Neo-Investor:innen war es ein guter Einstieg in die Szene, um potenzielle Co-Investor:innen kennenzulernen und ein Gefühl für die Asset-Klasse Startup zu bekommen.

Der Business Angel Summit wird weiblicher

Die meisten am Business Angel Summit waren aber erfahrene Angels, die schon mehrere Startups im Portfolio haben. Und es sind immer mehr Frauen – ein nicht unwesentlicher Punkt, denn Studien belegen, dass Frauen stärker in Impact-Startups investieren und stärker in Gründerinnen, die es nach wie vor schwerer haben an Risikokapital zu kommen als Gründer. Bereits zum wiederholten Mal am Business Angel Summit waren beispielsweise die Schwestern Conny Hörl und Katja Ruhnke vertreten, die gemeinsam investieren und mittlerweile rund 15 Startups im Portfolio haben. Heuer wieder mit dabei waren auch Karin Kreutzer („Business Angel of the Year“), die mit ihrem Mann Stefan Artner über AUBMES Invest in Startups investiert, Svenja Lassen von PrimeCrowd und Laura Egg, die kürzlich mit ROI Ventures unter die Investor:innen gegangen ist. “Es ist ein großer Schritt, dass es heuer so viele Frauen sind – es ist aber noch lange nicht genug; wir werden das Thema weiterhin pushen”, sagte Dusan Todorovic, Leiter des i2 Business Angel Netzwerks der aws, dem mittlerweile mehr als 400 Angel-Investor:innen angehören.

v.l.: Marcus Hofer (Geschäftsführer Standortagentur Tirol) mit Gerlinde Berghofer (Behavior Quant Behavioral Finance Technologies GmbH), Lina Graf (femble GmbH), Anton Mattle (Wirtschaftslandesrat Tirol) und Bernhard Sagmeister (Geschäftsführer Austria Wirtschaftsservice) | (c) Standortagentur Tirol

Mehr als 180 Anmeldungen habe es laut den Veranstaltern Standortagentur Tirol und Austria Wirtschaftsservice gegeben – ein starker Sprung nach zwei Jahren, in denen der Summit einmal gar nicht und einmal mit coronabedingt weniger Besucher:innen stattfinden musste. Aufgrund der vielen Teilnehmer:innen fand auch das traditionelle Pre-Pitching am Vorabend erstmals auf der großen Bühne statt: 12 Startups stellen sich hier dem Voting des Saalpublikums, das entscheidet, welche Startups am nächsten Tag Teil des Hauptprogramms sein dürfen. Die Plätze sind begehrt, denn die Chancen, hier seine Investor:innen zu finden, sind groß – vergangenes Jahr sei es im Nachklang zu mittlerweile drei Deals gekommen, wie Lisa Spöck von der Standortagentur Tirol verriet. Rund 100 Bewerbungen hat es heuer von Startups gegeben.

Die Startups des Business Angels Summits 2022 © brutkasten/Pacher
Die Startups des Business Angels Summits 2022 © brutkasten/Pacher

Impact Investing und Klimakrise

Am Haupttag fügten sich die sechs Pitches in zwei Tranchen in das kompakte Programm aus Keynotes und Podiumsdiskussion – heuer mit einem Fokus auf Impact Investing. Die Themen Impact und Climate, darüber waren sich Investor:innen wie Tina Dreimann von better ventures, Heinrich Gröller von Speedinvest oder Business Angel Silvia Sommer am Panel einig, würden immer mehr an Bedeutung gewinnen. Unternehmer:innen säßen an einem starken Hebel, so Dreimann, weil sie immer schon Probleme gelöst haben. “Wir sind aber zu langsam”, mahnte sie ein. “Jeder Cent, der nicht in den Kampf der Klimakrise fließt, ist ein verlorener Cent”, appellierte auch Peter Windischhofer, Gründer des erfolgreichen Startups refurbed, an die anwesenden Investor:innen. Er erzählte am Business Angel Summit die Geschichte seines Startups in einer Keynote – Erfolgsgeschichten sind immer auch Teil des Programms des Business Angel Summits, um Learnings aufzuzeigen und Einblicke in den oft gar nicht so geradlinigen Weg von Gründer:innen zu geben.

Das Panel zum Thema Impact Investing | (c) Standortagentur Tirol

Exits steuerlich begünstigen

Russel Perry, der sein Startup kompany erfolgreich an Moody’s verkauft hat, erzählte von 13 Finanzierungsrunden, die es brauchte, um bis zum Exit zu kommen. Auch wenn Startups häufig an internationale Unternehmen verkauft werden, bringen Exits dem Standort Österreich viel, meint Perry. Moody’s entscheide sich beispielsweise dafür kompany am Standort Österreich auszubauen. “Exits bringen weiteren Erfolg, wenn das Geld wiederum hier investiert wird”, sagt Perry und empfiehlt, Exits steuerlich zu begünstigen.

Russel Perry am Business Angel Summit 2022 | (c) Standortagentur Tirol

“Vor uns liegen Krisenjahre”

Für Investor:innen, die nun selektiver vorgehen wollen, hatte Berthold Baurek-Karlic Empfehlungen für Trends, die man sich ansehen sollte: Augmented Reality, autonomes Fliegen und Fahren und Web3. Baurek-Karlic ist Gründer von Venionaire Capital und Co-Initiator des European Super Angel Clubs (ESAC), der bereits die gesamte Woche in Kitzbühel Programm für Business Angels und Investor:innen hatte – unter anderem mit Fokustagen zu Krypto-Startups und zu Health-Startups.

Berthold Baurek-Karlic | (c) Standortagentur Tirol

Gemeinsam mit Cornelia Beier plant Baurek-Karlic einen VC-Fonds für Startups aus den Bereichen Healthtech und Biotech, den LSF2030, der ebenfalls am Business Angel Summit vorgestellt wurde. Die Woche im Vorfeld des Business Angel Summits will er mit ESAC weiter ausbauen und als Venture Week etablieren: “Wir brauchen wieder mehr Business Angels, um die Companies in Österreich zu unterstützen”, sagt der Investor. “Vor uns liegen Krisenjahre und es gibt bereits Frühphasen-Startups, die Schwierigkeiten haben, Bridge-Rounds zu raisen”, betont er die wichtige Rolle, die Angel-Investor:innen für das Startup-Ökosystem haben.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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