16.09.2016

BTP Nährboden: Was E-Commerce-Startups bei der Streitbeilegung beachten müssen

Experten-Tipp. Die Rechtsanwaltskanzlei Brandl & Talos gibt Startups im Brutkasten Tipps, um sich besser in der oft unübersichtlichen Masse an relevanten Gesetzen zurechtzufinden.
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Mit Jahresbeginn 2016 wurden neue Regeln zum Verbraucherschutz eingeführt, die die außergerichtliche Streitbeilegung betreffen. Von der Neuregelung sind vor allem E-Commerce-Unternehmen betroffen. Konkret geht es um zwei Regelungen: das neue Alternative-Streitbeilegung-Gesetz (AStG) und die Verordnung der EU-Kommission über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ODR-VO). Wer die neu entstandenen Pflichten noch nicht umgesetzt hat, sollte sich damit beeilen. Denn es können Strafen bis zu 750 Euro anfallen.

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Warum außergerichtliche Streitbeilegung?

Die außergerichtliche Streitbeilegung ist zwar nicht verpflichtend und ihre Erkenntnisse sind nicht bindend. Sie kann für Startups aber eindeutige Vorteile gegenüber einem öffentlichen Gerichtsverfahren haben: Sie bietet medial viel weniger Angriffsfläche und die Gefahr, dass das Image des Startups nachhaltig geschädigt wird, ist dadurch deutlich geringer. Auch können staatliche Gerichtsverfahren sehr lange, bürokratisch und kostenintensiv werden. Vor einer Streitbeilegungsstelle müssen Streitigkeiten hingegen im Normalfall innerhalb von 90 Tagen abgeschlossen werden. Wenn sich die Parteien nicht einigen können, ist auch nicht viel verloren: Denn Verjährungsfristen werden während des Verfahrens gehemmt.

Online-Streitbeilegungs-Plattform und Streitbeilegungsstellen

Kern der neuen Regelungen ist, dass es nun eine neue Online-Streitbeilegungs-Plattform der Europäischen Kommission (OS-Plattform) gibt. Sie ist eine zentrale Anlaufstelle für europäische Verbraucher und Unternehmer für die außergerichtliche Beilegung und Entscheidung von Streitigkeiten, die den Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen innerhalb der EU betreffen. Die OS-Plattform hilft beim Ermitteln der zuständigen nationalen Streitbeilegungsstelle(n) und stellt Antragsformulare für Beschwerden bereit. Sie übernimmt das Verständigen des Streitgegners und übermittelt die Beschwerde auch direkt an die nationale Streitbeilegungsstelle, auf die sich Verbraucher und Unternehmer geeinigt haben.

Österreich hat mit dem AStG (nationale) Streitbeilegungsstellen zu unterschiedlichen Themenbereichen eingerichtet. Darunter sind etwa die Verbraucherschlichtungsstelle, der Internet Ombudsmann, die Schlichtungsstelle der E- Control Austria oder die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (siehe Liste unten). Die AStG-Streitbeilegungsstellen entscheiden durch unabhängige Schlichter, agieren selbstständig und unterliegen jeweils eigenen Verfahrensregeln.

Redaktionstipps

Neue Pflichten für E-Commerce-Startups

Durch die Neuregelung sind für E-Commerce-Unternehmen einige neue Pflichten in Kraft getreten. Werden sie nicht eingehalten, drohen, wie erwähnt, Strafen von bis zu 750 Euro. Die wichtigsten sind:

  • Sämtliche österreichische Unternehmer, die einen Online-Shop betreiben, müssen auf ihrer Website den Link zur OS-Plattform der Europäischen Kommission (http://ec.europa.eu/odr) angeben. Dazu sollte der Link ins Impressum aufgenommen werden.
  • Will sich ein Unternehmen freiwillig (unabhängig von einem konkreten Streitfall) einem bestimmten Streitbeilegungs-Verfahren unterwerfen, muss es darauf auf der Website und gegebenenfalls in den AGB hinweisen.
  • Unterwirft sich das Unternehmen im konkreten Streitfall einer Schlichtung, muss der betreffende Verbraucher vom Unternehmen per Brief oder E-Mail über die zuständige Streitbeilegungsstelle informiert werden.

Unternehmen, die eine Teilnahme an einem Streitbeilegungs-Verfahren (grundsätzlich) ablehnen, müssen dies nicht via Website oder AGB mitteilen. Die Pflicht für Webshop-Betreiber, den Link zur Online-Streitbeilegungs-Plattform auf der Webseite anzuführen, entfällt aber auch in diesem Fall nicht.


Streitbeilegungsstellen in Österreich:

  • Schlichtungsstelle der Energie-Control Austria
  • Telekom-Schlichtungsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH
  • Post-Schlichtungsstelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH
  • Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte
  • Gemeinsame Schlichtungsstelle der Österreichischen Kreditwirtschaft
  • Internet Ombudsmann
  • Ombudsstelle Fertighaus
  • Schlichtung für Verbrauchergeschäfte


BTP Nährboden
ist ein Förderprogramm von Brandl & Talos Rechtsanwälte, mit dem vielversprechende Startups Zugang zu kompetenter Rechtsberatung erhalten. Georg Gutfleisch ist Rechtsanwaltsanwärter und Tanja Schmid wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Brandl & Talos.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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