29.07.2019

Von Kultur Token bis digitaler Frachtbrief: Blockchain krempelt die Logistik um

Mit dem Kultur Token der Stadt Wien sollen Bürger günstiger in Museen gehen können, wenn sie mit den Öffis anstatt mit dem Auto fahren. Zugleich werden Frachtbriefe digitalisiert, und auch die ÖBB evaluieren diverse Möglichkeiten: Die Blockchain wird Logistik und Transport revolutionieren.
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Blockchain in der Logistik
(c) fotolia / Connect world

Wie kann die Blockchain genutzt werden, damit Menschen und Waren sicherer und einfacherer von A nach B transportiert werden? Auf diese Frage gibt es mehr als eine Antwort, wie beim  7. DigitalCity.Wien Blockchain Chapter Treffen zum Thema Blockchain-Anwendungen in der Mobilität, Transport und Logistik deutlich wurde, das am 23. Juli im ÖBB Open Innovation Lab stattfand.

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Von den ÖBB über die Stadt Wien bis zu Experten von EY und IBM präsentierten hier verschiedene Unternehmen und Stakeholder ihre Lösungsansätze – was unter anderem zeigt, wie vielfältig die möglichen Einsatzbereiche in der Logistik sind. Außerdem wird auch in diesem Fall deutlich, dass die Blockchain allein nicht alle Probleme löst, sondern in Kombination mit anderen Technologien eingesetzt wird.

ÖBB: „Ansatz des aktiven Beobachtens“

Bei den ÖBB zum Beispiel verfolgt man derzeit einen „Ansatz des aktiven Beobachtens“, wie es in einer Präsentation heißt (Download der PPT-Folien unter diesem Link).  Derzeit werden viele mögliche, interessante, aber teils auch unrealistische oder obskure Potenziale des Blockchain-Einsatzes an die ÖBB herangetragen. Mögliche Anwendungsbereiche sieht man aber unter anderem beim Ticketing, bei der Logistik oder bei der Kundeninformation.

Dazu werden jeweils die Chancen und Risiken evaluiert. Die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung allgemein erläutert dabei Johann Pluy, ÖBB Infrastruktur Vorstand: Er verweist auf die notwendige Robustheit der Sensoren und Züge, sowie darauf, dass eine Bahn kein Labor sei, sondern auf Sicherheit ausgelegt. Die ÖBB stünden vor der Herausforderung, ein Massentransportmittel zu individualisieren, da man nicht mehr der „Nabel der Welt“ sei, sondern Teil einer Transportkette, sagt er: Daher müsse man integrieren und zusammenzuarbeiten – nicht nur technisch, sondern auch kulturell.

Wien arbeitet am „Kultur Token“

In der Bundeshauptstadt Wien arbeitet man indes am „Kultur Token“, wie Ulrike Huemer, CIO der Stadt Wien, erläutert: Die Idee des Kultur Tokens ist, dass die Bürger für klimaschonendes Verhalten – also etwa für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel – mit Tokens belohnt werden, die sie anschließend in Kultureinrichtungen für einen ermäßigten Eintritt einlösen können.

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Zudem wird moderne Technologie genutzt, um Verkehrsströme in Wien zu optimieren, wie Christina Hubin von Upstream Mobility erläutert (PPT-Folien unter diesem Link). Durch ein anonymes Tracking der User können hochfrequentierte Gebiete erkannt werden. Die Auslastung kann in Echtzeit ermittelt und somit optimiert werden. Die Stadt verfügt dabei bereits über zahlreiche Datensätze – und die nicht vorhandenen werden berechnet. Hubin erwähnt dabei auch einen wichtig Punkt, wenn es um Datenverwendung in Wirtschaft und Verwaltung geht: „Manche Unternehmen mögen bessere Datenanalysten haben, aber nur wir können die Infrastruktur auch steuern“, sagt sie: Und deshalb sei es wichtig, dass die  Verwendung der Daten auch in der Hand der Stadt bleibt.

Digitale Frachtbriefe für weniger Papierkram

Michael Schramm, Leiter des EY Blockchain-Kompetenzzentrums für DACH Blockchain, stellt indes ein Projekt vor, bei dem Frachtbriefe mit Hilfe der Blockchain digitalisiert werden (PPT-Folien unter diesem Link). „So ist es möglich, dass alle Teilnehmer gleichzeitig Zugriff auf die gleichen Daten haben“, sagt Schramm.

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Die Logistiker kommen schneller an die erforderlichen Daten, um Rechnungen zu stellen, Behörden können rascher benötigte Prüfungen durchführen und Dritte können einfacher in den Prozess integriert werden. Zugleich gibt es jedoch noch einige Herausforderungen zu meistern – nicht zuletzt, dass eigentliche Konkurrenten miteinander kooperieren und eine gemeinsame Herangehensweise finden müssen.

Blockchain für den Schiffverkehr

Eine effiziente Lieferkette ist schließlich der Inhalt der Arbeit von Christian Schultze-Wolters (IBM): „TradeLens“ heißt hier das Blockchain-Projekt, mit dem internationale Logistik transparenter werden soll. Ein besonderer Fokus liegt hier auf der Schifffahrt – denn 80 Prozent aller täglich verwendeten Konsumgüter werden über die Ozeane transportiert, wie Schultze-Wolters in seiner Präsentation erläutert. Und diese Prozesse sind teils sehr ineffizient: Wenn eine Avocado von Mombasa nach Rotterdam transportiert wird, dann sind dabei 30 Institutionen mit 100 Personen beteiligt, die 200 Mal Informationen miteinander austauschen.

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Hier gibt es Verbesserungspotenzial, sagt er: Daher wurden 120 standardisierte Events in der Blockchain abgebildet und die passenden Dokumente digitalisiert, so dass die Prozesse effizienter nach vorgegebenen Standards ablaufen. Das Projekt trägt offensichtlich bereits Früchte: „Derzeit nutzen 150 Organisationen die Plattform“, sagt Schultze-Wolters: „Bis Ende des Jahres werden 60 Prozent des weltweiten Container-Schiffverkehrs über TradeLens laufen.“

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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