27.09.2016

Bits & Pretzels: Bayerische Tradition trifft Startups

Das Bits & Pretzels Festival, das von 25. bis 27. September in München stattfand, sorgte für interessante Inputs (unter anderem von Kevin Spacey und Sir Richard Branson) und brachte Gründer und Corporates aus unterschiedlichen Ländern zusammen. Und ins Bierzelt.
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(c) Screenshot Twitter - Tag 3 des Festivals holt die Teilnehmer aufs Oktoberfest.

Zugegeben. Auf den ersten Blick haben bayerische Wiesn-Tradition und Startups kaum etwas gemein. Während zu ersterer eher Bierzelte gehören, in denen zu den Schlagern von gestern auf den Tischen getanzt wird, richten zweitere ihren Blick per Definition in Richtung Zukunft und Innovation. Dass sich beide Gebiete trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit – und einer etwaigen gemeinsamen Leidenschaft für Bier – durchaus verbinden lassen, konnten die Besucher des dritten Bits and Pretzels Founder Festivals in München erleben.

Lederhose und Hoodie

Während auf der Bühne der Mainstage etwa ein Roboter präsentiert wurde, ging es vor den Türen bei der Bierkrug-Challenge darum, wer einen vollen Bierkrug länger mit einer Hand stemmen konnte. Zu gewinnen gab es Lebkuchenherzen. Trotz des Dresscodes Tracht erschienen die Besucher recht unterschiedlich bekleidet. Da stand Lederhosen neben Jeans und Trachtensakko neben Hoodie.

Im Anzug betrat zur Eröffnung des Festivals der Schauspieler und zweifache Oscar-Gewinner Kevin Spacey die Bühne und begrüßte in der Manier seines House of Cards Charakters Frank Underwood die Gäste. Seine Keynote widmet sich dem Thema „The Art of Storytelling“ und hat eine klare Botschaft: Was erfolgreiche Startups von anderen Unternehmen unterscheidet, ist ihr Potenzial, mit ihrem Produkt eine Geschichte zu erzählen. Daher lautet sein Erfolgstipp, etwas nicht für die Masse zu schaffen, sondern etwas zu entwickeln, worüber man eine Geschichte erzählen und so auch im digitalen Zeitalter die Kunden begeistern kann. „No one ever breaks the ground by playing it safe“, sagt er und empfiehlt: „Place the bet on those, who are never afraid to shake things up.“
Der nächste große Schritt, so glaubt Spacey, wird die Etablierung von Virtual Reality Produkten sein. Die Technologie wäre jetzt tragbar und leistbar und könne in allen möglichen Bereichen eingesetzt werden.

Redaktionstipps

Über das richtige Team und Youporn-User

Während es auf der Mainstage danach mit Social-Entrepreneuer Lena Janah (im Dirndl) weitergeht, zerstreuen sich die Besucher über das ganze Messegeländer. Es gibt zahlreiche Pitching Contests, Workshops, und sogenannte Masterclasses. Eine davon hält der österreichische Runtastic Gründer Florian Gschwandtner. Unter dem Titel „How to recruit an awesome team“ erklärt er den Zuhören aus eigener Erfahrung, welche Personen ein Team braucht und wie man die passenden Mitarbeiter findet.

Einen etwas ungewöhnlichen Abschluss des ersten Tages bildet Youporn Gründer Fabian Thylmann auf der Mainstage. Das Publikum erfährt neben der Geschichte des Porno-Kanals, dass rund 25 Prozent der Youporn Nutzer weiblich sind.

Sir Branson und die Raumfahrt

Der zweite Tag am Messegeländer hatte den Auftritt von Sir Richard Branson, Gründer der Virgin Group, zum Höhepunkt. Die Virgin Group umfasst heute Teilunternehmen in unterschiedlichen Bereichen, vom Musikbusiness bis zur Raumfahrt.

Branson ist davon überzeugt, dass Unternehmer vor allem eines brauchen: Den Wunsch, das Leben anderer Menschen besser zu machen. Mit diesem Hintergedanken wäre es möglich, viele Probleme, unter denen die Welt derzeit leidet, durch unternehmerische Tätigkeit zu lösen. „The world can be the most incredible place thanks to entrepreneuers“, sagt der 66-Jährige. Er selbst habe die meisten seiner Unternehmen aus Frustration gestartet, denn er war sicher: Es muss noch besser gehen.
Wichtig für den Erfolg eines Unternehmers sei laut Branson vor allem die Gabe, seine Mitarbeiter zu motivieren. Wer nicht mit Menschen umgehen kann, könne eine Firma schnell ruinieren meint er und empfiehlt: „If you can’t deal with people get somebody who can!“

Der Brexit und Donald Trump

Außerdem sprach Branson über Politik. Der Brexit könnte zu einem Zusammenbruch der EU führen, warnt er. Und das, obwohl die EU ein Projekt zur Friedenssicherung in Europa sein soll. Auch um die USA macht der Unternehmer sich Sorgen. „I really want an entrepreneur running the US, but not that entrepreneur“,  sagte er und spielte damit auf Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur an. Politisch und gesellschaftlich müssten laut Branson drei wichtige Punkte befolgt werden: „learn from the past large scale conflicts, fight climate change and reach sustainable development goals.”

Ausklang im Bierzelt

Nachdem an Tag zwei auch das Finale des Pitching Contests ausgetragen wurde, sorgten die Sportfreunde Stiller für einen musikalischen Ausklang. Am dritten Tag des Festivals ging es für die Teilnehmer dann tatsächlich zum Oktoberfest.

Schon am Vormittag trafen sich die Besucher im Schottenhamel auf der Festwiese. An jedem Tisch saß ein sogenannter Table Captain, also eine Persönlichkeit aus der Startup- Corporate oder Medienszene, mit der angeregte Diskussionen geführt werden konnten – beim einen oder anderen Bier.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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