11.05.2023

Bike Citizens: So gelang der Neustart nach dem Konkurs im Herbst

Elisabeth Felberbauer war seit 2020 Bike Citizens-Geschäftsführerin. Nach dem Konkurs im Herbst gründete sie das Unternehmen gemeinsam mit dem Unternehmer Herbert Steinbauer neu.
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Elisabeth Felberbauer | (c) Bike Citizens
Elisabeth Felberbauer | (c) Bike Citizens

2011 in Graz gestartet, konnte das Startup Bike Citizens mit seiner Kombination aus Fahrrad-Navigationsapp und Smartphone-Halterung für das Fahrrad schnell eine Fangemeinde aufbauen. Zu dieser zählte auch Elisabeth Felberbauer, die 2015 als Mitarbeiterin beim Unternehmen startete. “Ich habe damals in Berlin gelebt und aus voller Überzeugung vom Produkt dort begonnen. Es war eines der ersten Navigationssysteme extra fürs Fahrrad und hat viele Stressfaktoren abgebaut”, erzählt sie.

Von der Mitarbeiterin zur Chefin

Zunächst übernahm Felberbauer bei Bike Citizens die Bereiche Marketing und Governance. Ab 2020 war sie Geschäftsführerin. Die Gründer zogen sich mit der Zeit aus dem operativen Geschäft zurück. Die Mehrheit am Unternehmen war schon 2017 von einem Investor übernommen worden. “Wir haben in den Jahren seit meinem Start viel weiterentwickelt und unser Produktportfolio ausgebaut. Ein Teil davon ist auch die Aufzeichnung von Daten, um Kommunen und Städten wertvolle Insights für die Radverkehrsplanung liefern zu können”, erzählt die Chefin. 2021 erfolgte der Launch der neuen, überarbeiteten Plattform.

Finanzielle Schwierigkeiten bei Bike Citizens

Doch vergangenes Jahr geriet Bike Citizens finanziell immer mehr unter Druck. “Es gab viele Altlasten – einen Rucksack, den wir die ganze Zeit mitgeschleppt haben”, sagt Felberbauer. Schließlich stand eine Insolvenz im Raum. “Wir sind nochmal auf Partnersuche gegangen, mit dem Ziel, ein neues Investment aufzustellen – das war auch im Sinne des Mehrheitseigentümers”, so die Geschäftsführerin.

“Hatte als Geschäftsführerin keinen Einfluss auf essenzielle Entscheidungen”

Doch die Insolvenz war nicht mehr abzuwenden. Auch für eine angestrebte Sanierung wurden keine Partner gefunden. “Als nicht-teilhabende Geschäftsführerin war ich in dieser Frage den Anteilseignern untergeordnet und konnte keine Verhandlungen führen, was die Sache extrem erschwert hat”, erklärt Felberbauer. Im September 2022 verließ sie das Unternehmen. “So konnte es für mich nicht weitergehen. Ich hatte als Geschäftsführerin keinen Einfluss auf essenzielle Entscheidungen”.

Endstation Konkurs

Im November 2022 war das Schicksal der Bike Citizens Mobile Solutions GmbH schließlich mit einem Konkursantrag besiegelt. Doch Felberbauer gab nicht auf. “Ich habe nach wie vor viel Wert in Bike Citizens gesehen und hätte es sehr schade gefunden, wenn es nicht fortgeführt wird”, erzählt sie.

Neues Ziel: Bieterverfahren

Das Ziel lag damit auf der Hand: im Bieterverfahren die für eine Fortführung relevante Konkursmasse erwerben. Zu diesem Zweck holte Elisabeth Felberbauer Herbert Steinbauer an Bord, der mit seinem Unternehmen NexOpt ein Fuhrpark-Management-System anbietet und dadurch besonders an der Mobility-Lösung interessiert war. Im Februar ging dann das Bieterverfahren über die Bühne. “Es war bis zum Schluss spannend. Bei so einem Verfahren weiß man nicht, wer noch dabei ist und wie es ausgeht”, sagt Felberbauer und stellt klar: “Ich hätte auch mögliche andere Käufer nachher unterstützt, damit das Unternehmen erfolgreich fortgeführt werden kann”.

Herbert Steinbauer | (c) Bike Citizens
Herbert Steinbauer | (c) Bike Citizens

Wiedergeburt von Bike Citizens in der Smettly GmbH

Die beiden erhielten schließlich den Zuschlag und holten sich alle Patente, Markenrechte und Software-Lösungen. Gleich danach leiteten sie die Gründung einer neuen GmbH ein. Deren Name “Smettly” sei als Kunstwort an das Wort Schmetterling angelehnt, erklärt die Gründerin – eine Andeutung, dass man den Mobility-Bereich über das Fahrrad hinaus denke.

“Viele hatten inzwischen neue Jobs”

Sie und Herbert Steinbauer lenken Bike Citizens nun gemeinsam als Co-CEOs. Auch einige frühere Mitarbeiter:innen sind wieder dabei. “Im Dezember war endgültig zugesperrt und alle Mitarbeitenden freigestellt worden. Es lagen also mehre Monate dazwischen. Viele hatten inzwischen neue Jobs. Aber die meisten davon sind nach wie vor erreichbar, wenn Fragen auftreten”, erzählt Felberbauer. Auch in der Zwischenzeit bis zur Neugründung war es gelungen, die App am Laufen zu halten.

Neue alte Bike Citizens-Chefin Felberbauer: “Wir haben aus früheren Fehlern gelernt”

Jetzt wolle man zunächst klein starten und solide wachsen, sagt Felberbauer. “Wir wollen vieles optimieren und strukturieren. Wir haben aus früheren Fehlern gelernt. Jetzt habe ich als Inhaberin und Geschäftsführerin den gesamten Überblick und wir haben bereits einige Prozesse, wie etwa Verträge mit Partnern und die finanzielle Absicherung neu aufgesetzt”.

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Anekdoten - Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic
Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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