22.02.2021

ATT: Apple als Schutzpatron der Kunden oder Angriff auf Facebook?

In seiner heutigen Kolumne beschäftigt sich Mic Hirschbrich mit den Hintergründen von Apples Vorstoß zur "App Tracking Transparency" (ATT).
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Hirschbrich über Apple - ATT als Angriff auf Microsoft?
brutkasten-Kolumnist Mic Hirschbrich | Hintergrund: (c) Adobe Stock / Alexey Novikov

Apple positionierte sich schon früh anders als sein Mitbewerb. Das Tech-Unternehmen verfolgte konsequent den Weg eines geschlossenen und deshalb sichereren Betriebssystems, sowohl am Desktop in Konkurrenz zu Microsoft als auch mit seinem restriktiven mobilen iOS, als Gegenspieler zu Android. Die Streitigkeiten um seine Privacy-Richtlinien sind legendär, selbst das FBI biss sich mehrmals die Zähne an dem wehrhaften Konzern aus, als es auf Daten von Apple-Nutzern zugreifen wollte. Und jetzt greift Apple das erfolgreichste digitale Geschäftsmodell aller Zeiten an und bringt damit mächtige Feinde gegen sich auf. Es ginge um die Daten-Sicherheit der Menschen, so sein CEO Tim Cook und hier brauche es dringend Reformen.

In einer unübersichtlich komplexen und bisweilen für viele bedrohlichen Welt, baut Apple ein resilientes digitales Universum aus Hard- und Software auf, in dem man sich geschützt fühlen soll.

Als Steve Jobs “Flash” killte!

Doch die schicke digitale Tech-Schmiede aus dem beschaulichen Cupertino bringt andere Tech-Titanen nicht nur mit disruptiven Technologien in Bedrängnis, wie etwa mit dem iPod oder dem iPhone, sondern legt sich auch aus zunächst nicht immer transparenten Gründen mit anderen Marktgrößen an. Erinnern wir uns, als Steve Jobs 2010 fast besessen gegen Adobes Flash in den Krieg zog. “Alle Webstandards sollten offen sein”, begründete Jobs damals seinen Angriff, weshalb er Flash auf seinen mobilen Geräten verbieten wollte. Deshalb habe man ja an HTML5, CSS und JavaScript festgehalten. Symantec kam dem sicherheitsbewussten Apple argumentativ zu Hilfe und stellte Flash ein verheerendes Sicherheits-Zeugnis aus. Auch, dass Flash sich, dank seines riesigen Energiehungers, sehr negativ auf Apples-Batterielebenszeit auswirkte, dürfte eine Rolle gespielt haben. Aber den vielleicht wichtigsten Grund sahen Beobachter in Avancen von Adobe, Flash zu einer mobilen Entwicklersprache für iOS-Geräte auszubauen. Ab da, so schien es, war endgültig Schluss mit lustig und Flash wenig später praktisch Geschichte. SWIFT, Apples eigene mobile Programmiersprache, kam zwar erst 2014 in die Märkte, wurde aber bereits 2010 zu entwickeln begonnen, Zufall oder nicht.

Apple: Damals gegen Flash, heute gegen Facebook und Co?

Ihnen mag es vielleicht aufgefallen sein, vielleicht hat es Sie sogar gefreut. Unsere besonders strengen, europäischen Datenschutz-Vorstellungen, unsere Aversionen gegen Verschwörungstheorien und Hass im Netz, haben einen mächtigen Verbündeten bekommen: Tim Cook. In nur wenigen Wochen soll Apples “ATT” das Licht der Welt erblicken, ein Programm, das Nutzern mehr Kontrolle über ihre Privatsphäre bringen soll. Mit der neuen “App Tracking Transparency”-Policy will Apple Schluss machen mit dem “Tracken und Ausbeuten von User-Daten über Websiten und Anwendungen hinweg”, um damit Werbeeinnahmen zu maximieren.

Unter dem Titel “A Day in the Life of Your Data” erklärt der beste Marketing-Konzern der Welt so einfach und bildlich, was vielen NGOs nicht vergleichbar gelang. Man möchte sich danach spontan unter den Apple Schutzschirm stellen und sich nicht weiter von Cookie-Monstern  ausbeuten lassen. Das Ganze hat nur eine Crux. Das Werbe-Tracking ist das verbeiteste und erfolgreichste Geschäftsmodell des heutigen Internets. User zahlen nicht mit Abos oder einmaligen Gebühren, sondern erlauben Zugriff auf bestimmte Interessens- und Konsum-Daten, damit die Werbewirtschaft dafür treffsicherer ihre personalisierte Werbung ausliefern kann. Such-Titan Google wird, dank eigenem mobilen Betriebssystem und enormer Marktmacht, zunächst weniger von Apples Vorstoß betroffen sein, als beispielsweise Facebook und kündigte an, sich an die neuen Vorgaben halten zu wollen. Facebook jedoch verdient auf Apples Endgeräten am besten mit genau jenem Werbesystem, das nun im Fokus von Cooks Vendetta steht. Und erstmals seit seiner Gründung, scheinen die rund 90 Milliarden US-Dollar jährlicher Gewinneinnahmen aus Werbeanzeigen ernsthaft bedroht zu werden.

Apple ist bekannt für perfektes Timing und thematisiert die medial hochgekochte Stimmung zu Verschwörungstheorien, Fake News und Hass im Netz geschickt. So beschuldigte Tim Cook Facebook den öffentlichen Nachrichtenkonsum zu manipulieren und Nutzerdaten gezielt für sein Werbegeschäft auszunutzen, auch wenn damit die Verbreitung von Fehlinformation einherginge. “Was sind die Konsequenzen”, fragte Cook, “wenn man Verschwörungstheorien und Gewaltaufrufe nur wegen ihrer hohen Zugriffszahlen bevorzugt? Welche Folgen hat es, wenn Inhalte, die das öffentliche Vertrauen in lebensrettende Impfungen untergraben, nicht nur toleriert, sondern belohnt werden? Was sind die Konsequenzen, wenn Tausende von Nutzern sich extremistischen Gruppen anschließen?”

Und passend legte CEO Cook ausgerechnet am “International Data Privacy Day” in Brüssel gegen Facebook nach, ohne es namentlich zu nennen. “Wenn ein Geschäft auf der Irreführung von Nutzern, auf der Ausbeutung von Daten, auf Wahlmöglichkeiten, die gar keine Wahlmöglichkeiten sind, aufgebaut ist, dann verdient es nicht unser Lob. Es verdient eine Reform”, griff Apples CEO Facebook frontal an. Und Mark Zuckerberg kündigte etwa zeitgleich an, Apples neue Privacy-Richtlinien vor der Kartellbehörde bekämpfen zu wollen.

Apple läutet eine neue Ära ein und möchte es jedem User verständlich machen, wie Apps mit Daten und Werbung Geld verdienen. Und mehr noch, der User soll die Chance erhalten, sich dem zu entschlagen. So wird künftig eine App aus dem iOS Store den User aufklären, was mit seinen Daten geschehe und ihm die Möglichkeit geben, dies abzuwählen. Dies hat zur Konsequenz, dass dann der Betreiber kein Tracking und Werbeanzeigen mehr nutzen darf und somit auch kein Geld mehr damit verdient. Für alle App-Entwickler, deren Umsatz auf genau jenem Prinzip beruht, ist dies ein Frontalangriff auf ihr Geschäftsmodell.

Setzt Apple neue (ethische) Werbe-Standards?

Für all jene, die sich vor dem tracking-finanzierten Werbemodell gefürchtet hatten, dürfte Apple einen Nerv getroffen haben. Ob den allermeisten Usern bewusst ist, dass sie damit ein System abwählen, dass sie selbst auch kostenlos allerlei Dienste nutzen ließ, ist unklar. Wir werden es bald wissen.

Zu früh freuen sollten wir Europäer uns jedenfalls nicht. Denn der Schritt von Apple ähnelt jenem offizieller, europäischer Regulierungen. Die hatten es gerne auf Silicon-Valley Technologien abgesehen, damit aber vor allem die eigenen Digitalen geschwächt. Und so könnte es auch diesmal kommen. Der geneigte User wird eine innere Balance entwickeln, wo er dem Tracking noch zustimmt und wo nicht mehr. Experten gehen davon aus, dass bis zu drei Viertel oder sogar mehr, diese Möglichkeit bei diversen Services nutzen. Es könnte sein, dass die Bindung zu Facebook stärker und vertrauensvoller ist als zu anderen, europäischen Apps und deshalb am Ende weniger Facebook den Geldhahn abdrehen als den Apps aus der Heimat. Es könnte aber auch umgekehrt kommen oder, dass alle gleich stark leiden werden und es deutlich schwieriger wird, mit eigenem Medienangebot -auf diese Weise- Geld zu verdienen. Was jetzt zählen wird, ist Vertrauen, Vertrauen und nochmals Vertrauen. Das Vertrauen, das ich zu einer Marke habe, wird entscheiden, ob ich sie noch Geld verdienen lasse mit meinen Daten oder nicht!

Fazit

Derzeit ist noch unklar, ob Apple hier einfach auf ein sehr starkes Markt-Bedürfnis reagiert, das von Natur aus besser mit der eigenen Unternehmensphilosophie harmoniert als mit jener anderer Technologiefirmen.

Insider sind jedenfalls alarmiert, ob Cook hier nicht einfach einen wichtigen Vorteil für das Apple-eigene Werbenetzwerk schaffen möchte. So warnen Experten, dass Apple Dritte dann anders behandeln könnte als eigene Dienste.

Am Ende aber könnte Apples Move beides sein: Ein mächtiger und folgenreicher Schachzug, der, nach aufwendigen juristischen Schlachten, ein Stück weit das Internet verändern wird, vor allem in der Art, wie mittels Daten Geld verdient wird. Es könnte aber auch ein Schritt sein, der ökonomisch nur einem wirklich nutzt: Apple selbst. Wir werden sehen!


Zum Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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