30.04.2018

Artis: Grazer Blockchain mit “fließendem Geld” und ohne Plutokratie

Artis hat viel vor. Sehr viel: Die Disruption der Sharing-Economy und die Entwicklung einer fairen Blockchain, wo nicht nur die Reichen was zu melden haben.
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Artis: Beim Kickoff-Event mit Thomas Zeinzinger
(c) Artis: Beim Kickoff-Event mit Thomas Zeinzinger (r.)

Wir sind schon relativ weit gekommen, was die Kurzparkzone betrifft. Vorbei die Zeiten, in denen man nach dem Abstellen des Autos noch schnell in die Trafik rennen musste, um sich einen dieser bunten Zettel zu holen. Aber der Gipfel der Evolution kann mit dem Handyparken auch nicht erreicht sein. Zu oft ist das Guthaben leer. Oder man vergisst nachzulegen. Das neue Blockchain-Projekt Artis, dessen Ursprung in Graz liegt, hat hier eine Lösung. Die so genannten “Streems” sollen “fließendes Geld” ermöglichen. So ein Streem wird geöffnet, wenn man einparkt und beendet wenn man ausparkt. Vollautomatisch. Über die Blockchain. Und Autos sind natürlich nur ein Anwendungsfall.

Artis wird seit dem Frühjahr 2017 entwickelt. Auf einem lokalen Testnet läuft die Blockchain bereits. Hinter dem Projekt steht das Grazer Lab10 Collective. Eine Genossenschaft, die sich das “Gemeinwohl” ins Programm geschrieben hat. Zu den Mitgliedern und frühen Unterstützern von Artis gehören einige der bekannteren Namen in der Österreichischen Blockchain-Szene, die in Graz längst fest verankert ist. Etwa Bitcoin-Austria Präsident Johannes Grill, Coinfinity-Gründer Max Tertinegg oder die Steuerberaterin Natalie Enzinger. Die juristische Betreuung haben die Wiener Anwälte Arthur Stadler und Oliver Völkl übernommen.

+++ Lab 10 Collective: Blockchain-Genossenschaft startet in Graz +++

Aufbauend auf Ethereum

Was Artis will? In einem Wort: viel. In zwei Worten: sehr viel. “Wir gehen mehrere Probleme gleichzeitig an: Energieverbrauch, Skalierbarkeit und Verteilung”, sagt Thomas Zeinzinger vom Lab10 Collective. Artis versteht sich als Plattform. Wie Ethereum, aber nicht in Konkurrenz dazu. Tatsächlich soll Artis, wenn es im Dezember 2018 live geht, auf der Technologie von Ethereum aufbauen – aber als eigenständige Blockchain funktionieren. Möglich ist dies, weil ein Open-source-Projekt wie Ethereum (oder auch Bitcoin) von jedermann kopiert, verändert und weiterentwickelt werden kann.

“Für uns wichtig, dass wir auf ein Protokoll aufsetzen, das es weiterhin geben wird. Wie Ethereum. Damit wir nicht in die Größen- und Komplexitätsfalle tappen”, sagt Zeinzinger. Um das Problem des Energieverbrauchs zu lösen, soll Artis von Anfang an auf Proof of Stake (PoS) bauen. (Konkret soll der Tendermint Consensus Mechanism zum Einsatz kommen).

Die Möglichkeiten sind endlos und abstrakt

Über die Streems können Entwickler auf Basis von Artis jede Form von zeitabhängigen Zahlungen abwickeln: “Das kann ein Abo sein, die Parkplatzgebühren oder auch eine Gehaltszahlung. Das ist real fließendes Geld, es fließt von einem Konto zum anderen. Aber ich muss nur am Anfang und am Schluss eine Transaktion machen”, sagt Zeinzinger.

Und Artis will dieses “fließende Geld” direkt auf der Blockchain implementieren und nicht in einer Sidechain, wie es andere Projekte versuchen. Sollte das alles so gelingen, sind (wie bei vielen dieser Blockchain-Ideen) auch bei Artis die Möglichkeiten fast endlos und deshalb abstrakt. Was aus Artis wird, liegt nicht nur an den Entwicklern der Blockchain sondern auch daran, welche Community sich drumherum bildet. Wer Artis für sein eigenes Produkt, seine eigene App nutzt. Artis will ein Angebot an die “Sharing Economy” sein und durch die hauseigene “Minerva”-App auch kleineren Developern ermöglichen, in diesen Markt einzusteigen. Um etwa zu versuchen, Uber oder AirBnB das Wasser abzugraben.

Ein Währungskürzel wie damals der Schilling

Aber das ist freilich Zukunftsmusik. Noch steht Artis ganz am Anfang. Derzeit sammelt man Geld bei Großinvestoren ein. Ende Mai startet dann der offene ICO, an dem jedermann teilnehmen kann – mit Ether. Ethereum bildet ja auch die Basis für Artis. Ursprünglich werden Investoren auch ERS20-Token erhalten, die bei Launch des Mainnet im Dezember dann in genuine Artis-Coins umgetauscht werden. Die bekommen das Währungskürzel ATS – eine Referenz an den guten alten Schilling. Auch sonst versucht das Artis Team seine Herkunft nicht zu verschleiern: Die verschiedenen Entwicklungsschritte in der Roadmap tragen Namen aus der mitteleuropäischen Geschichte: “Sincere Eugen”, “Impatient Joseph”, “Dynamic Ludwik”, “Hardended Friedrich”.

Neben der “Minerva”-App, wo der Fokus auf der Nutzerfreundlichkeit liegt, soll bei Mainnet-Launch auch Proof of Stake schon verfügbar sein. Ein wichtiges Thema für das Artis-Team, denn so will man sich von der Energieverschwendung durch Proof-of-Work-Blockchains abgrenzen. Gleichzeitig will man die Skalierungs-Ideen, die derzeit für Ethereum entwickelt werden (Plasma, Raiden, Sharding) schnell auch für das eigene Projekt übernehmen um technisch stets up-to-date zu sein. Deswegen habe man auch darauf verzichtet, bei Null anzufangen, so Zeinzinger: “Es hat einfach keinen Sinn, das Rad neu zu erfinden.”

Thomas Zeinzinger und Shermin Voshmgir im Video-Interview zu Artis:

Verteilungsgerechtigkeit wäre toll: nur wie?

Beim ICO werden nur drei Milliarden Coins verteilt. Die ultimative Gesamtmenge ist auf 21 Milliarden beschränkt. “Wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht zu dem Thema, wie man Menschen in dem System registrieren kann. Wir bauen ein Web of Trust mit Artis. In dem Web werden an eindeutige Menschen die Coins verteilt. Nur ein eindeutig im System registrierter Mensch erhöht die Menge an Coins. Die ist auf 21 Mrd. begrenzt wobei wir mit 3 Mrd. starten”, sagt Zeinzinger.

Hohe Vermögenskonzentration verhindern

Um im Netzwerk eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen, sollen sich neue Teilnehmer in Zukunft registrieren. Aber nicht unbedingt mit ihrem Namen. So eine Registrierung könne durchaus anonym erfolgen, so Zeinzinger. Es gehe viel mehr darum, eine hohe Vermögenskonzentration zu verhindern und Artis-Coins möglichst weit zu streuen. Anfangs soll es dafür eigene Events geben, bei denen man sich als physische Person vorstellen kann um an Artis-Coins zu kommen. Später wolle man neue Technologien einsetzen.

Hier steht Artis vor einer gewaltigen Herausforderung. Man hat sich das Ziel der Registierung der Nutzer gesetzt, um ein faires System zu erreichen. Aber das hat nur Sinn, wenn es auch angenommen wird – von einer skeptischen Kryptocommunity, die Anonymität schätzt. Gleichzeitig wäre es revolutionär und vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung von Kryptowährungen auch wünschenswert und ein Alleinstellungsmerkmal des Projekts, wenn Artis das gelingen würde. Immerhin herrscht bei Krypto bisher das Gesetz der Dschungels: Wer viele Coins hat, kann Kleinanleger überrollen. Fair ist das nicht.

Der Kampf gegen die Plutokratie

“Warum haben wir heute die Plutokratie in Blockchain-Netzwerken? Weil Identität, das wer ist wer, eben nicht gelöst ist. Das Internet, das wir heute haben, wurde nicht auf Identitäten aufgebaut. Und Blockchain als nächste Generation Internet hat das auch nicht gelöst”, sagte Shermin Voshmgir, die Direktorin des WU-Forschungsinstututs für Kryptoökonomie, bei der Vorstellung von Artis an der WU: “Dadurch kann ich eine pseudonyme Identität über mein Wallet herstellen und zehn verschiedene Identitäten haben. Artis versucht dieses Problem zu lösen und erst wenn wir es gelöst haben können wir überhaupt in eine egalitäre Richtung gehen: one person one vote. Das können wir mit herkömmlichen Systemen nicht machen.”

Der Weg dorthin ist aber auch den Entwicklern von Artis noch nicht ganz klar, nur das Ziel. “Diese erste Art der Registrierung ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber wie man das besser machen kann, ist noch nicht erforscht. Aber das ist unser Streben. Da wollen wir hin. Und wir werden alles daran setzen, dass wir das schaffen”, sagt Zeinzinger. Am Ende sollen fast 80 Prozent der Coins in den Händen der “Members” liegen, also bei den Nutzern des Systems.

Das Ziel: Ein Weltweites Netz an Nodes

Personen oder Organisationen mit besonders vielen Coins werden ein Netz aus “Trustnodes” und “Freenodes” bilden. Hier wird die “Governance” des Systems stattfinden. “Diese Nodes werden überall auf der Welt verteilt sein, was die Widerstandsfähigkeit des Netzes erhöht. Die Identität der Nodes wird dem System bekannt sein, aber nicht der Öffentlichkeit”, heißt es in dem Whitepaper von Artis.

Auch hier gelte es, eine Plutokratie zu verhindern, so Zeinzinger: “Es sollen möglichst viele Organisationen für den Konsens sorgen, die über den Globus verteilt sind. Wir kontrollieren diese Blockchain nicht, wir wollen das weit verbreiten – auch über die Kulturkreise.”

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Anyconcept, AnyConcept, Automatiserung, Software testen,
(c) AnyConcept - Das AnyConcept-Team.

Rund 80 Prozent aller Unternehmen testen ihre Anwendungen und Software händisch. Entweder klicken sie sich mühsam durch ihre Software oder ihren Webshop, um zu sehen, was funktioniert und was nicht, oder sie coden sich ihre Tests. Beides langwierige, kostenintensive und mühsame Aufgaben. Das wissen Leander Zaiser, CEO, Manuel Weichselbaum, CTO, und Markus Hauser, die gemeinsam mit Kevin Intering und Pascal Goldschmied das KI-Startup AnyConcept gegründet haben.

AnyConcept und das Problem der No-code-Software

Die Founder haben sich deswegen dazu entschlossen eine Testautomatisierungs-Software zu entwickeln, um den Prozess für Unternehmen zu vereinfachen und günstiger zu gestalten.

Zaiser war sechs Jahre lang RPA-Experte (Robotics Process Automation) bei Raiffeisen und hat dort Automatisierungssoftware automatisiert. Der CEO musste dabei feststellen, dass vermeintliche No-code-Software ohne Entwicklungskompetenzen sich nicht erfolgreich einsetzen ließ. Für gelernte Softwareentwickler wiederum war das Arbeiten mit solch einer Anwendung keine attraktive Tätigkeit.

Weichselbaum indes forscht seitdem er 17 ist an Künstlicher Intelligenz. Und widmet sich dabei vor allem immer den aktuellen Herausforderungen der internationalen Forschung. Das passte hervorragend zu Zaisers erkanntem Problem: aktuelle Automatisierungssoftware ist zu komplex für Non-Coder und nicht attraktiv genug für Coder. Also fragten sich die Founder: Was, wenn man Automatisierung mit einem No-Code-Ansatz macht, mithilfe einer KI, die genau das tut, was man ihr auf dem Bildschirm zeigt? So war AnyConcept geboren.

Das Black Friday-Problem

“Jede Software, jeder Webshop, jede Applikation muss immer wieder getestet werden, ob sie richtig funktioniert. Und da sie auch ständig durch neue Updates von Entwicklern oder bei einem Webshop mit neuen Produkten gefüttert wird, verändern sich Applikationen dauerhaft. Das kann wieder zum Brechen der bisherigen Funktionen führen”, erklärt Hauser, ein per Eigendefinition fleischgewordenes Startup-Kind, das zuletzt Johannes Braith (Storebox) als rechte Hand begleiten und somit Entrepreneurship aus nächster Nähe beobachten und Mitwirken durfte.

Der Gründer präzisiert sein Argument mit einem Beispiel passend zum Black Friday. Jedes Jahr würden Unternehmen Milliarden US-Dollar verlieren, weil sie ihre Preise falsch definieren oder Prozente und Dollar verwechseln, ohne dass es wem auffällt. Außerdem könnten “Trilliarden US-Dollar” an Schäden durch fehlerhafter Software, die nicht richtig getestet wurde, vermieden und “50 Prozent der IT-Projektkosten” gesenkt werden, wenn Testen automatisiert mit No-Code abläuft, so seine Überzeugung.

“Durch unser KI-Modell, das ein User-Interface rein durch Pixeldaten, Mausklicks und Tastatureingaben erkennen und manövrieren kann, schaffen wir es Automatisierung No-Code zu gestalten”, sagt Hauser. “Das Ziel ist es unsere KI-Agenten zukünftig zum Beispiel einen Prozess wie UI-Software-Testing rein durch eine Demonstration, das bedeutet das Vorzeigen des Testfalles, automatisiert durchführen zu lassen. Sie werden sich dabei exakt so verhalten wie es ein Benutzer tun würde, orientieren sich nur an den Elementen des User-Interface und konzentrieren sich nicht auf den dahinterliegenden Code. Das ist unser USP.”

FUSE for Machine Learning

Dieses Alleinstellungsmerkmal fiel auch Google auf. Konkreter Google Cloud Storage FUSE for Machine Learning. Anfänglich noch ein Open Source-Produkt als “Linux Filesystem in Userspace” oder eben als “FUSE” tituliert, wurde die Software von Google in die Cloud integriert und hilft beim Verwalten von Unmengen von Trainingsdaten, Modellen und Kontrollpunkten, die man zum Trainieren und Bereitstellen von KI-Workloads benötigt.

Anwendungen können hierbei direkt auf die Cloud zugreifen (Anm.: anstatt sie lokal herunterzuladen); als wären sie lokal gespeichert. Es müssten zudem keine benutzerdefinierte Logik implementiert werden und es gebe weniger Leerlaufzeit für wertvolle Ressourcen wie TPUs und GPUs, während die Daten übertragen werden.

FUSE sei einfach ein Produkt für Unternehmen, so Weichselbaum weiter, um große Datenmengen bequem zu verwalten und sie verfügbar zu machen: “Wir verwenden es, um viele Terrabytes von Daten auf der Cloud zu lagern, was am Computer nicht möglich ist”, sagt er.

Google sagt Hallo

Weil AnyConcept das Service von FUSE sehr intensiv nutzte, wurde Google auf die Grazer aufmerksam. Und hat konkret nachgefragt, was sie für einen Use-Case mit ihrem Angebot entwickelt haben. “Wir waren einer der ersten, die das genutzt haben, um effizient unsere KI-Agents zu trainieren“, sagt Weichselbaum. “Das Produkt von Google ist ein Teil unserer Datenverarbeitung und des Trainings unserer ganz spezifischen KI und Google wollte wissen, warum und wie wir das so intensiv verwenden. Das hat dazu geführt, dass wir unsere Ideen für Produktverbesserungen und Skripts mit ihnen teilen durften.“

AnyConcept und seine Konzepte

Das Ziel von AnyConcept ist es, ein Foundation-Modell nicht für Texte oder Bilder, sondern für Interaktionen mit dem User-Interface zu entwickeln.

Im Detail reicht hierbei eine Demonstration von einem solchen Interface und AnyConcept analysiert es mit neuronalen Netzwerken. Es erkennt Strukturen, die das Startup seinem Namen getreu “Konzepte” nennt und die auf breites Wissen aufbauen, wie man mit einem Computer interagiert.

“So ein Konzept wäre etwa ein ‘Button’ auf einer Website”, erklärt es Zaiser in anderen Worten. “Die KI versteht dann, dass man ihn anklicken kann und was danach passiert. Oder wie lange eine Website braucht, sich zu öffnen und wie sie aussieht.”

Aktuell forscht AnyConcept an der Generalisierungsfähigkeit ihres Netzwerkes. Zaiser dazu: “Wir testen unsere KI bereits mit Pilotkunden bei der Anwendung von Software-Testautomatisierung und bekommen großartiges Feedback.”

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