20.04.2021

Deepfakes und Co: EU arbeitet an Regeln für künstliche Intelligenz

Die EU steckt den Rahmen ab, in dem künstliche Intelligenz entwickelt und eingesetzt werden darf. Der Entwurf muss aber noch in Begutachtung.
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AI, Face, Tinder, Neuro-Tinder, Generiert,
(c) Stock.Adobe/Chepko Danil

Für diese Woche wird der offizielle Entwurf für Regeln für künstliche Intelligenz in der EU erwartet. Darin geht es nicht nur um AI-Anwendungen, die in ferner Zukunft liegen, sondern auch um ganz gegenwärtige Herausforderungen. Ein heißes Eisen ist etwa die Personalisierung im Internet, etwa wenn Internetdienste wie Netflix detaillierte Profile ihrer Nutzer erstellen. “Personalisierung ohne Überwachung geht nicht”, erklärt Clemens Wasner von dem Verband AI Austria, dessen Forderungen teilweise in den Vorentwurf eingeflossen sind.

Derzeit sei dieser Punkt im “geleakten” Entwurf der EU sehr streng formuliert. Targeted Ads, die auf solchen Profilen basieren, könnten demnach verboten werden. Allerdings geht dieser Entwurf, sobald er vorliegt, erst einmal in eine lange Begutachtungsphase. In der könne sich noch viel ändern, meint Wasner. Er geht davon aus, dass gerade die Personalisierungs-Frage da noch sehr offen ist.

(Erkennbare) Deepfakes erlaubt

Im Vorfeld ist auch das Thema Deepfakes bereits viel diskutiert worden. Dem widmet sich Vorentwurf der EU gleich in mehreren Punkten. Es geht dabei um die Möglichkeit, mit künstlicher Intelligenz täuschend echte Fake-Videos, Ton-Aufnahmen oder Bilder von konkreten Personen zu generieren. Für Wirbel hatte gesorgt, dass die EU diese Deepfakes erlauben will. Allerdings gebe es hier bereits sehr gute Erkennungsprodukte, die eingesetzt werden müssen, erklärt Wasner, etwa über Watermarks in solchen Videos. Der Entwurf stellt eindeutig klar, dass der Einsatz von Deepfake transparent gemacht werden muss.

Positiv sieht der AI-Experte, dass eine Regulierung von Artificial Intelligence gemäß der Pläne der EU nur dann vorgesehen ist, wenn es nicht schon in anderen Bereichen entsprechende Regeln gebe. Ein Beispiel: Ist autonomes Fahren bereits in einer eigenen Richtlinie geregelt, wird die AI-Strategie an diesen Regeln nichts ändern.

Regulatory Sandboxes für AI

Ein wichtiger Punkt und auch eine zentrale Forderung von AI Austria ist in dem Entwurf enthalten, der vor allem für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz wichtig ist. Für die Entwicklung neuer Produkte könnte es künftig “Regulatory Sandboxes” geben. Das ist eine Methode, die aus dem Finanzbereich bekannt ist: Vor der offiziellen Zulassung dürfen Forscher und Unternehmen unter bestimmten Bedingungen und unter dem wachsamen Auge der Regulatoren, bereits mit (annähernd) realen Daten experimentieren. Knackpunkt ist hier laut Wasner die Datensynthetisierung – Daten werden also nicht anonymisiert, sondern von Beginn an komplett anonym künstlich nachgebaut. Das ist für die sichere Entwicklung unter dem strengen Datenschutz der EU wichtig, denn ohne Massen an Daten kann künstliche Intelligenz nicht trainiert werden.

EU bei Künstlicher Intelligenz weit hinter USA und China

Wasner geht davon aus, dass der Entwurf mindestens ein Jahr lang in Begutachtung sein wird. Der Rahmen, in dem Europa künstliche Intelligenz entwickeln will, wird von Experten dringend erwartet. Denn die EU ist in diesem wichtigen Zukunftsfeld bisher eher im Hintertreffen. Eine aktuelle Studie des US-Thinktanks ITIF hat sich die Entwicklung von AI anhand von 30 Indikatoren in unterschiedlichen Regionen angesehen und sieht die EU erst hinter den USA und China auf einem abgeschlagenen dritten Platz. Die EU habe vor allem bei Risikokapital Nachholbedarf, schnitt aber bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen gut ab.

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CEO Michaela Herzog und CTO Christian Herzog (c) Wissen2Share

Spätestens seit der COVID-19-Pandemie ist klar geworden: Der heimische Pflegesektor stößt seit Jahren an seine Belastungsgrenzen. Ein zentrales Problem ist der bekannte Personalmangel. Pflegekräfte sind oft überarbeitet, erhalten zu wenig Unterstützung und verlassen den Beruf daher häufig frühzeitig.

Ein niederösterreichisches Familien-Startup möchte mit seiner App „Wissen2Share“ genau hier ansetzen. Gründerin und CEO Michaela Herzog erklärt im Gespräch mit brutkasten, wie die App zur Bewältigung der Pflegekrise beitragen will und welche Projekte im nächsten Jahr anstehen.

Wissen2Share unterstützt Pflegekräfte mit Wissensvideos

Die digitale App „Wissen2Share“ unterstützt Pflegekräfte mit praxisnahen Wissensvideos, die mithilfe von erfahrenen Fachexpert:innen erstellt werden. Die Videos sind mit Untertiteln in bis zu 20 Sprachen verfügbar – ein großer Vorteil, da viele Pflegekräfte kein Deutsch als Muttersprache sprechen. So können sie den Inhalt leichter verstehen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse verbessern. Aktuell bietet die Plattform 133 Videos zu elf verschiedenen Themen an, darunter Notfallmanagement, Pflegerecht, Herzerkrankungen, Demenz und onkologische Pflege. Die Erklärungen stammen von insgesamt zwölf Expert:innen, die alle über langjährige praktische Erfahrung in ihrem jeweiligen Fachbereich verfügen.

Zusätzlich stellt Wissen2Share ein Q&A-Tool mit Fachleuten sowie den persönlichen Assistenten W2S2 bereit. Dieser KI-gestützte Assistent fungiert als Suchmaschine und liefert auf Anfrage die passenden Videos. In Zukunft soll der Chatbot zu einem umfassenden Fachassistenten weiterentwickelt werden, der auch Spracheingaben unterstützt.

Neu im Angebot ist der Podcast „Fachexpert:innen im Talk“, mit dem das Startup einerseits eine positive Perspektive auf die Pflege zeigen und andererseits die hohe fachliche Kompetenz in diesem Bereich verdeutlichen möchte.

App soll bei Überforderung und Frustration in der Pflege helfen

Gründerin und CEO Michaela Herzog arbeitet selbst seit über 20 Jahren in der Pflege. Im Interview mit brutkasten beschreibt sie, wie dringend die Fachkenntnisse von Pflegekräften rund um die Uhr benötigt werden. Doch der ständige Zeitdruck und die hohen Anforderungen führen oft zu Frustration und Überforderung, was wiederum den akuten Personalmangel in Pflegeeinrichtungen verstärken kann.

Während der Corona-Pandemie spitzte sich die Belastungssituation weiter zu. Dadurch entstand bei Herzog der Gedanke, Fachwissen rund um die Uhr digital zugänglich zu machen. So wurde „Wissen2Share“ ins Leben gerufen – eine App, die Wissensvermittlung auf moderne Weise gestalten und einen niederschwelligen Zugang zu Expert:innenwissen ermöglichen möchte.

Die Plattform soll vor allem praktische Lösungen für die täglichen Herausforderungen im Berufsalltag der Pflegekräfte bieten. Außerdem unterstützt die App dabei, Fachkompetenz zu erweitern und dadurch mehr “Selbstvertrauen und Sicherheit in der pflegerischen Arbeit” zu gewinnen. Herzog sei es darüber hinaus ein besonderes Anliegen, die Professionalität in der Pflege zu stärken und die “Expertise der Pflegefachkräfte stärker in den Fokus” zu rücken.

Pilotprojekt bei Caritas Socialis und Haus der Barmherzigkeit

Die App „Wissen2Share“ richtet sich an Pflegekräfte, Auszubildende und Institutionen. Die Nutzung der Services erfolgt über ein Jahresabonnement. Das Startup aus Ebreichsdorf hebt hervor, wie wichtig es sei, dass Institutionen in die Weiterbildung ihres Pflegepersonals investieren, um die Qualität ihrer Einrichtungen zu steigern.

Inzwischen erkannten einige Institutionen das Potenzial von Wissen2Share: Im ersten Quartal wurde die App bei der Caritas Socialis am Standort Pramergasse in Wien sowie im Haus der Barmherzigkeit in Kirchstetten pilotiert und zusätzlich wissenschaftlich begleitet. Die Rückmeldungen waren laut Herzog positiv – die Art der Wissensvermittlung, die Usability und die Sprachenvielfalt wurden hervorgehoben. Zu den bestehenden Partnerschaften von „Wissen2Share“ gehören Fachverbände aus der Pflege, wie das Forum Gesundheitsrecht, oder auch der österreichische Berufsverband ÖGKV und die Fachhochschule Wiener Neustadt.

Das selbstfinanzierte Startup wurde im Juni 2023 von CEO Michaela Herzog und ihrem Ehemann Christian Herzog gegründet. CTO Christian Herzog, der langjährige Erfahrung im IT-Bereich mitbringt, ist für die technische Optimierung der App zuständig. Sein Antrieb sei es, „durch digitale Lösungen und innovative Ideen einen nachhaltigen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen”.

Wissen2Share etabliert sich als “Community-Plattform für Gesundheitsberufe”

Derzeit arbeitet Wissen2Share an der Entwicklung einer zusätzlichen Funktion für die App. Im kommenden Jahr wird das Startup eine Buchungsplattform einführen, die als Netzwerk für Fachkräfte und Institutionen im Gesundheitsbereich dienen soll. Über diese Plattform können künftig Dienstleistungen angeboten werden, wie etwa Online-Sprechstunden, Workshops oder Bed-Side-Teachings.

Ziel ist es, den fachlichen Austausch zu fördern und Kolleg:innen
in der Praxis zu unterstützen. Mit diesem Schritt möchte Herzog ihrer Vision näherkommen, Wissen2Share als “Community-Plattform für Gesundheitsberufe” zu etablieren. Gegenüber brutkasten äußert Herzog zudem das Ziel, dass sich Wissen2Share in den kommenden Jahren „definitiv im deutschsprachigen Raum fest etablieren“ wird.

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