25.11.2016

Sex-Startups: Brauchen wir die Disruption im Bett?

Kommentar. Die Digitalisierung macht vor nichts und niemandem halt. Da ist es nur logisch, dass Startups sich auch unseres Liebeslebens annehmen. Doch wollen wir die Disruption wirklich auch in unser Bett lassen?
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In der Geschichte der Menschheit gibt es, schon allein aus biologischen Gründen, eine große Konstante: Sex. Vollkommen unabhängig von Gesellschaftsform, Religion, politischen Umständen und technischer Entwicklung – der “Liebesakt” in seinen Ausprägungen zwischen rein sexueller Befriedigung und Vollführung der großen Liebe war immer ein Riesenthema und wird es wohl immer bleiben. So universell Sex in der persönlichen Prioritätenliste der meisten Menschen ganz weit oben steht, so universell ist auch ein Wunsch, den sich miteinander Schlafende auf der ganzen Welt teilen: Sie wollen dabei nicht gestört werden.

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Smartphone als Gamechanger im Bett?

Disruption, auf deutsch Störung, ist das Zauberwort in der Startup-Community. Natürlich will man nicht die Menschen, sondern den Markt disrupten. Doch wie in allen anderen Märkten wollen auch die Sex-Startups alle nur das eine: Revolutionieren – zum Gamechanger werden. Voraussetzung ist, dass wir es zulassen, dass – man verzeihe die Formulierung – unser Liebesgame gechanged wird. Heißt es in den meisten Schlafzimmern doch seit einigen Jahren stets “Leg das Handy weg”, haben manche Jungunternehmen gegenteiliges im Sinn.

Ein “lieblicher” Penisring, der die Sexleistung misst

(c) Lovely: So sehen Penisring und App aus
(c) Lovely: So sehen Penisring und App aus

Brandneu auf dem Markt wäre da etwa der smarte Penisring des polnisch-amerikanischen Startups Lovely. Der Name des Jungunternehmens, soviel sei vorweggenommen, ist nicht unbedingt Programm. Verbunden mit einer App misst der bunte Platistikring Einfallswinkel, Position, Geschwindigkeit und damit den Kalorienverbrauch des Mannes beim Sex. Zudem wirkt er stimulierend und soll, geht es nach den Foundern, das Sexleben verbessern. Denn die App macht anhand der erhobenen Daten Vorschläge zu neuen Stellungen und Praktiken.

“Ich muss wissen, ob ich meine Performance gegenüber Sabine von Vorgestern steigern konnte.”

Was schlägt die App heute für eine Stellung vor?

“Schatz, leg den Ring an und nimm das Handy heraus. Was schlägt die App heute für eine Stellung vor?” – klingt doch romantisch, oder? Nicht. Nun gut, es geht ja nicht immer um Romantik. Bei einem One-Night-Stand kommt es sicher gut, wenn der Mann so etwas sagt, wie: “Warte, ich muss noch schnell meinen Penisring anlegen und meine App starten. Ich muss wissen, ob ich meine Performance gegenüber Sabine von Vorgestern steigern konnte. Bewerte nachher bitte auch, wie dir Einfallswinkel und Geschwindigkeit gefallen haben.” Nicht? Nicht. Erhältlich ist das Gadget samt App im Moment übrigens zum ermäßigten Preis von nur 99 statt 169 Dollar. Ein Schnäppchen also. Nicht.

Redaktionstipps

Selbstbefriedigungstools für Trainingszwecke

Natürlich ist der Penisring von Lovely ein Extremfall. Bei anderen Hardware-Sex-Startups geht es eher darum, Menschen ohne oder mit wenig Sex möglichst gute Selbstbefriedigung zu ermöglichen – auch wenn natürlich niemals gesagt wird, dass man sich an Sexlose wendet. Da geht es dann darum, besser mit Fernbeziehungen zurechtzukommen, oder wie im Fall des Startups Blewit, um “Pleasure Training”. Blewit will Männern, kurz zusammengefasst, beibringen, im Bett länger durchzuhalten und Selbstbefriedigung sinnlicher zu erleben. Dazu ist das längliche Gerät mit elastischer Kunststofföffnung an einer Seite optisch bewusst schlicht und nicht naturnah gestaltet. Man habe sich im Design ein Beispiel an Apple genommen, heißt es vom Founder. Und wer will denn bitte nicht Sex mit seinem iPhone?

Dating-Apps und das Gespür für Menschlichkeit

Und dann gibt es natürlich noch diverse Software-Sex-Startups. auf dem Dating-App-Sektor findet man etwa vom Versprechen, die große Liebe zu finden, bis zur Vermittlung von bezahltem Sex alles. Dass die Digitalisierung schon dem einen oder anderen beim Finden der großen Liebe geholfen hat, wissen wir ja auch. Was wir jedoch nicht genau wissen ist, wie die neue Art des Kennenlernens uns auf Dauer verändert. “Die ‘Wisch-Kultur’ trägt maßgeblich dazu bei, online vorschnelle Urteile, sogenannte ‘snap-judgementes’, über potentielle Dates zu treffen. Diese Entwicklung beeinträchtigt unser Gespür für Menschlichkeit und die emotionale Verbindung, die Teil eines sexuellen Erlebnisses sein kann”, sagte etwa die Sexualpädagogin Yana Tallon-Hicks dem Brutkasten im Interview.

“Die Vorab-Auswahlmöglichkeit bei Tinder und Co könnte uns vieles verwehren, auf das man nur stößt, wenn man potenzielle (Sexual-)Partner einfach so ohne vorangehendes Screening kennenlernt.”

Na dann: Bitte nicht stören!

Anders ausgedrückt, die Disruption im Dating-Bereich könnte auf Dauer negative Auswirkungen auf Sex und Beziehungen haben. Die Vorab-Auswahlmöglichkeit bei Tinder und Co könnte uns vieles verwehren, auf das man nur stößt, wenn man potenzielle (Sexual-)Partner einfach so ohne vorangehendes Screening kennenlernt. Die Disruption a là Penisring von Lovely und “pleasure Training” von Blewit könnte zu einem absurden Leistungsgedanken beim Sex verleiten. Klar, Geschmäcker und Vorlieben sind Verschieden und die Digitalisierung des Sex mag vielen Leuten auch Vorteile bringen. Zumindest glückliche Paare sind aber vielleicht besser beraten, wenn sie auf die Disruption ganz klassisch reagieren: Bitte nicht stören!

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Anekdoten - Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic
Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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