15.11.2016

Mobilität: Startups als Triebwerk kommender Revolutionen

Die Erfndung des Rads oder des Automobils – Revolutionen im Mobilitätsbereich haben unser Leben verändert. Und wieder stehen wir vor großen Umbrüchen.
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(c) fotolia.com - chungking

Drei Brüder entwickeln Akkus und Motoren für Elektroautos. Sie starten ein Business in einer Garage. Ihre Firma ist auf Anhieb in den schwarzen Zahlen, im zweiten Geschäftsjahr machen sie bereits 15 Millionen Euro Umsatz. Eine weitere Erfolgsstory aus dem Silicon Valley? Nein, die Rede ist von Kreisel Electric aus Freistadt, Oberösterreich. Große Autokonzerne lassen sich von den drei Brüdern und ihrem Team Prototypen bauen. Eine Serienfertigung ist bereits in Verhandlung, eine neue Fabrik im Nachbarort – komplett selbst finanziert – ist im Bau. Die Kreisels profitieren von einem Umbruch im Mobilitätsbereich, der vielerorts als Revolution bezeichnet wird. Und gerade in dem Bereich hat die Welt im Laufe der Geschichte schon einige Revolutionen erlebt – etwa die Erfindung des Rads, den Bau des transnationalen Eisenbahnnetzes, die Durchsetzung des Autos als Massenprodukt oder die Entwicklung großer Passagierflugzeuge. Es waren Innovationen, die die ganze Welt nachhaltig verändert haben – im Geschäfts- und im Privatleben.

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Vom Hype zur Revolution

Im Marketing ist das Wort „Revolution“ generell beliebt. Gerne wird dem eigenen Produkt die Fähigkeit zum großen Umbruch zugesprochen. Doch wo ist die Grenze zwischen Entwicklung und Revolution? Es geht darum, dass die gesamte Gesellschaft davon nachhaltig betroffen ist. Die Hypes um Tesla, Google Cars, Uber und noch viele mehr deuten darauf hin, dass im Moment sogar mehrere Revolutionen parallel im Gange sind. E-Mobility, selbstfahrende Autos und die Entinstitutionalisierung des Personenverkehrs sind schließlich vordergründig nicht miteinander verbunden, haben aber alle das Zeug dazu, die Mobilität nachhaltig zu verändern.

„Bald hat ein Auto keine andere Funktion mehr als eine App am Handy.“

Disruption als Herausforderung für Corporates

Und es passiert derzeit noch viel mehr, auf das das zutrifft. Einen dieser Umbrüche drückte Audi-Elektronik-Entwicklungschef Ricky Hudi beim Pioneers Festival etwa so aus: „Bald hat ein Auto keine andere Funktion mehr als eine App am Handy.“ Dazu sprach er aus, woran alle großen Corporates im Mobilitäts-Bereich sich nun messen müssen: „Die Industrie ist in einer disruptiven Phase. Es ist schwer, mitzuhalten und den Anschluss nicht zu verlieren.“ An dieser Disruption haben, wie auch in anderen Branchen, Startups einen erheblichen Anteil.

Redaktionstipps

Österreichsiche Gründer treiben Revolutionen voran

Auch österreichische Gründer treiben die Revolutionen im Mobilitätsbereich voran. Da wären etwa im E-Mobility-Sektor die zuvor erwähnten Kreisel-Brüder oder NRGkick aus der Steiermark, die mit einem Converter das Aufladen von E-Cars an Haussteckdosen ermöglichen. Dazu kommen mehrere E-Bike-Startups und diverse Carsharing-Plattformen mit unterschiedlichem Fokus. Das Wiener Startup Parkbob hat mit seiner App zur Parkplatzsuche in Österreich überhaupt ein neues Segment eröffnet.

„Wo einzelne Verkehrsanbieter zu träge sind, können Startups die Brücke bilden“

Vernetzung der Mobilität als Chance für Startups

In welchem MobilitätsBereich die besten Chancen für Startups bestehen, lässt sich natürlich nicht leicht sagen. ÖAMTC-Chef Oliver Schmerold sieht für österreichische Jungunternehmen vor allem die Vernetzung als Chance: „Wo einzelne Verkehrsanbieter zu träge sind, können Startups die Brücke bilden“, sagt er gegenüber dem Brutkasten. Denn die große Herausforderung im Moment sei die möglichst barrierefreie Vernetzung unterschiedlicher Mobilitätsarten mit digitalen Services. Die Hardware, also die Verkehrsmittel, seien bereits vorhanden. Im Softwarebereich bestünde dagegen noch viel Potenzial.

Das Ende des Verbrennungsmotors?

Auf die E-Mobility angesprochen, nimmt Schmerold das Wort „Revolution“ nicht in den Mund. Er gehe zwar davon aus, dass sie einen fixen Platz einnehmen werde, glaubt aber nicht, dass Verbrennungsmotoren komplett ersetzt werden. „Man braucht für unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse unterschiedliche Fahrzeuge“, sagt er. Und man werde, so seine Prognose, zusehends davon abkommen, all diese Fahrzeuge selbst besitzen zu wollen. Der Carsharing-Sektor werde dadurch wachsen – nicht nur durch kommerzielle Anbieter, sondern auch im Peer-to-PeerBereich.

Von der Individualisierung zur (Re-)Kommunalisierung

Folgt man Schmerold, könnte also fast exakt hundert Jahre, nachdem mit dem Ford Modell T die Revolution zur Individualisierung des Personenverkehrs eingeläutet wurde, nun eine andere Revolution zu einer neuen, verbesserten Form der Kommunalisierung zurückführen. Carsharing. Startups zeigen, dass sie von Carsharing sowohl im kommerziellen als auch im Peer-to-Peer-Bereich profitieren können. In Österreich gibt es da etwa das Vorarlberger Startup Caruso, das ein System für genossenschaftlich genutzte Elektroautos an fixen Plätzen entwickelt hat. Der Dienst zielt, anders als die meisten anderen in dem Bereich, vor allem auf ländliche Regionen ab. Und es gibt bereits Standorte in ganz Österreich. Im Peer-toPeer-Bereich wäre etwa das Wiener Startup Ibiola zu nennen. Über die Plattform carsharing 24/7 wird das private Teilen von Fahrzeugen organisiert. Menschen, die ihr Auto selten nutzen, können so die Fixkosten mit anderen Nutzern teilen.

“Startups muss klar sein: Technische Revolutionen werden nie nur von einem Unternehmen getragen.”

Nicht von der Revolution gefressen werden

Welche der derzeitigen Entwicklungen nun als Revolution in die Geschichte eingeht, wird wohl erst in vielen Jahren endgültig geklärt sein. Das Potenzial haben jedenfalls viele. So gut viele Startups diese möglichen Revolutionen im Mobilitäts-Sektor für sich nutzen können, müssen deren Founder jedoch trotzdem eine über 200 Jahre alte Erkenntnis im Hinterkopf behalten. Der Französische Revolutionär Pierre Vergniaud prägte am Schafott, bevor er seinen Kopf verlor, die geflügelten Worte: „Die Revolution frisst ihre Kinder.“ Selbst maßgeblich am Gelingen der französischen Revolution 1789 beteiligt, wurde er, wie sehr viele seiner Mitstreiter, 1793 von einer konkurrierenden Revolutionärsgruppe hingerichtet. Ein weniger blutiges, aber doch ähnliches Schicksal hatten im Laufe der Geschichte auch viele Unternehmer, die an technischen Revolutionen beteiligt waren, man denke nur an die Luftfahrtpioniere Gebrüder Wright, deren Unternehmen scheiterte, während andere mit ihren Entwicklungen reich wurden. Startups muss klar sein: Technische Revolutionen werden nie nur von einem Unternehmen getragen. Und wer nicht die richtige Strategie und das richtige Timing hat, wird eben gefressen.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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