21.10.2019

Höhle der Löwen: Marketing-Experte über die Startups aus Folge 8

Marketingexperte und Vorstandsmitglied der Österreichischen Marketing-Gesellschaft Jan Gorfer beleuchtet die fünf Startups aus "Die Höhle der Löwen" Folge acht aus strategischer Perspektive und bewertet das Marketingpotenzial der Produkte schon vorab.
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Höhle der Löwen, Marketing, Rock the Billy
(c) TVNOW / Bernd-Michael Maurer - Rene Taumberger und David Pirker aus Österreich hoffen mit ihrem "Rock the Billy"-Tanz-Groupfitness-Konzept auf einen Investor.

Vergangene Woche lagen die Marketingexperten Maimuna Mosser (IKEA Austria) und Sonja Felber (AHVV) mit ihrer Einschätzung teilweise richtig. Während die Pferde-App und Easy Pan Deals abschließen konnten, ging ahead leer aus.

+++ Nach DHDL-Deal: Pferde App Startup lernt echten Maschmeyer kennen +++

Diese Woche analysiert Marketingexperte Jan Gorfer, Vorstandsmitglied der Österreichischen Marketing-Gesellschaft, für uns die Startups aus Folge acht aus strategischer Perspektive und bewertet das Marketingpotenzial der Produkte schon vorab.

1. Wingbrush

Hierbei handelt es sich um eine Zahnbürste zur Reinigung der Zahnzwischenräume (Interdentalbürste). Diese Bürste soll eine intelligente Alternative sein für die Produkte, die es für die Reinigung der Zahnzwischenräume bereits gibt.

Die Einschätzung der Experten

Grundsätzlich ist Wingbrush eine wirklich gute Idee. Eine Tätigkeit, die jeder täglich ausführt, neu zu interpretieren. Die Zielgruppe ist also grundsätzlich jeder. Die Zahnbürste bietet ein klares Produktversprechen für ein Problem, dessen sich durchaus viele Menschen bewusst sind. Das ist aber gleichzeitig Chance wie auch Herausforderung: Denn für wen genau ist denn das Produkt nun gemacht? Im Prinzip geht es uns allen doch im Bereich Zahngesundheit um Problemvermeidung – und das möglichst ohne Aufwand – denn Zähneputzen macht kaum jemandem wirklich Spaß.

Es ist im Prinzip wohl ähnlich wie die Auswahl einer Bank.  Jeder braucht eine für seine Finanzgeschäfte, aber kaum einer will sich damit auseinandersetzen müssen. Genau das kann aber aus meiner Perspektive auch die Chance in der Kommunikation sein – dieses Thema auf eine neue und kreative Weise aufzugreifen. Also anders als die anderen, die fast alle einen sehr wissenschaftlichen Zugang wählen.

Der wissenschaftliche Zahnarzthintergrund ist für die Authentizität wichtig, fraglich ist jedoch, ob man es nicht mit diesem Produkt anders machen könnte. Denn über “Wissenschaft” verkaufen alle großen Konkurrenten im Bereich Zahnhygiene. Sonst läuft man Gefahr auf einem Feld spielen zu müssen, das die großen Player schon viel zu gut und viel zu lang beherrschen.

Apotheken oder Reformhäuser als Kanal?

Zahngesundheit auf eine effektive und neuartige Weise wieder attraktiv zu machen – in Ansätzen ist dieser Gedanke durchaus vorhanden, auf der Website könnte man das aber noch mehr in den Fokus rücken. Distributionsseitig ist es nicht klar zu erkennen, was genau geplant ist. Außerdem lässt sich nicht klar herausfinden, wo das Produkt mit Ausnahme des Online-Shops verfügbar ist. Wahrscheinlich wären – so sie es nicht ohnehin bereits sind – beispielsweise Apotheken oder Reformhäuser ein sinnvoller Kanal. Man trifft dort gesundheitsbewusste Menschen, die auch das entsprechende Budget aufweisen und bereit sind, es für entsprechende Produkte auszugeben.

Positionierung noch offen?

Facebook, Instagram und YouTube-Präsenz sind aus meiner Sicht in Richtung Content noch etwas ausbaufähig. Welcher Inhalt genau noch fehlt, gilt es aber noch entsprechend zu definieren, denn das hängt von der Positionierung von Produkt und Marke ab. Richtung “Convenience und Effektivität”? Richtung “Freude am Putzen”? Oder doch Richtung “wissenschaftlich erwiesen”? Das muss aus meiner Sicht zuerst klar sein, um die weitere Kommunikation entsprechend zu planen. Entscheidend sein werden Content, Targeting und die Distribution abseits des eigenen Online-Shops.

Marketing-Tipp

Eine wirklich gute Idee kann den Start erleichtern, doch muss schnell durch eine ebenso gute Strategie untermauert werden. Die Positionierung müsste noch stärker herausgearbeitet werden und mittels Content beispielsweise auf Social Media an eine klarer differenzierte Zielgruppe kommuniziert werden. Achtet auch auf die Rezension auf Amazon – hier fallen vor allem ältere Kommentare eher negativ aus. Eine Antwort seitens des Unternehmens wäre hier vorteilhaft.

2. Gafferwand

Gafferwand ist ein aufblasbarer Sichtschutz gegen Gaffer. Diese Gafferwand soll an Unfällen platziert werden, damit schaulustige Autofahrer keinen Einblick mehr in das Unfallgeschehen erhalten.

Die Einschätzung der Experten

Ein sehr wichtiges, emotionales und auch in den Medien immer präsenteres Thema wird hier adressiert. Ein reines B2B-Produkt, das in Notsituationen vor den penetranten Blicken Schaulustiger helfen soll. Aus der Marketingperspektive ist vor allem die Klarheit des Produktes, sowie  eindeutig definierte Zielgruppe von enormen Vorteil. Es gibt Kunden wie Polizei, Feuerwehr, Rettung und Flughäfen. Insofern ist die Strategie klar: voller Fokus auf diese Kundengruppen. Hier besteht dann allerdings auch schon wieder der Nachteil: Denn sollten Großaufträge eben erwähnter Kundengruppen ausbleiben, ist die Hoffnung auf entsprechende Skalierung schnell wieder dahin.

Moderne Website nötig

Die Website wirkt leider ein wenig “old school”. Vergesst nicht: auch wenn das Produkt eine ernste Thematik behandelt, sitzen schlussendlich auch bei den Behörden Menschen, die ihre Entscheidungen nicht nur in ihrem beruflichen Kontext treffen. Soll heißen: Ihr Anspruch an Usability und Design einer Website richtet sich auch nach ihren privaten Erfahrungen.

Auch bei einem Nischenprodukt ist daher aus meiner Sicht ein entsprechend modernes Auftreten das A und O. Denn das gibt Sicherheit. Sicherheit, dass das Unternehmen lange besteht und vertrauenswürdig ist. Sicherheit, dass das Produkt gut funktioniert und man sich darauf verlassen kann. Der Webauftritt ist eine Visitenkarte des Unternehmens. Sie kann bei einem Produkt, wie der Gafferwand, selten etwas besonders richtig, dafür aber oftmals leider sehr viel falsch machen. Distributionsseitig sind wohl – durch die klare Zielgruppe – Messen und persönliche Kontakte der entscheidende Weg. Die Unternehmenspräsentation sollte also top sein, denn sie ist der wichtigste Vertriebskanal.

Marketing-Tipp

Das Produkt mag eine sinnvolle Idee sein, doch gilt es daneben alle Kommunikations- und Vertriebskanäle ebenso sinnvoll wie auch ansprechend zu gestalten. Wenn die Präsentation nach Außen steht, kann einer Skalierung nur mehr wenig im Wege stehen.

3. Pattarina

Pattarina ist eine App mit der Schnittmuster mithilfe von Augmented Reality präzise vom Handy auf den Stoff übertragen und ganz einfach nachgezeichnet werden können.

Die Einschätzung der Experten

Die App trifft total den aktuellen Trend des Selbermachens. Pattarina nutzt die digitale Entwicklung für das, was sie kann – nämlich sehr spezifische Probleme zu lösen oder zu vereinfachen. Das Business-Modell dahinter ist jedoch rein durch den öffentlichen Auftritt nur ganz schwer zu beurteilen. Sind es Lizenzen für darauf spezialisierte Medien als White Label Lösung? Oder ist es Werbung in der App? Ist es eine kostenpflichtige Version der App mit mehr Möglichkeiten? Oder sind es die Daten von Nutzern?

Fragen über Fragen, die es zu beantworten gilt. Denn von der Beantwortung dieser Fragen hängt meiner Meinung nach am Ende die weitere Marketingstrategie ab. Sobald klar ist, wie durch diese Innovation Geld verdient werden soll, ist klar, welche Marketingstrategie sinnvollerweise verfolgt werden soll.

Potential für DIY-User

Klar ist: Die App hat prinzipiell wirklich sehr viel Potenzial für viele DIY-User! Vor allem aus marketingtechnischer Sicht ist das Produkt sehr interessant, denn meist ist die neue Generation der Selbermacher nur sehr schwer für andere Unternehmen erreichbar. Kurzum: Wenn Klarheit über das Business Modell herrscht, herrscht Klarheit über die Marketingstrategie. Aus der Ferne bietet Pattarina tolle Möglichkeiten und eine erstklassige Basis!

(c) Ludwig Schedl/APA – Jan Gorfer, Vorstandsmitglied der Österreichischen Marketing-Gesellschaft nimmt die Teilnehmer von Folge 8 aus Höhle der Löwen unter die Lupe.

Marketing-Tipp

Die Idee, Schnittmuster auf präzise Art und Weise vom Handy auf den Stoff zu übertragen, klingt ebenso einfach wie genial! Nicht nur aus Marketingperspektive wäre es interessant zu wissen, wie durch die App Umsatz generiert werden soll, sondern auch aus User-Sicht. Vor allem die definierte DIY-Zielgruppe kann sich schnell skeptisch zeigen und sich um persönliche Daten oder mögliche „Abo-Fallen“ sorgen. Hier gilt es das Gegengeschäft auch für den User zu definieren, um auch so möglichen Missverständnissen vorzubeugen.

4. Rock the Billy

Bei Rock the Billy handelt es sich um ein Tanz-Workout, durch das man seinen kompletten Körper trainieren kann.

Die Einschätzung der Experten

Bei Rock the Billy handelt es sich um ein klares Geschäftsmodell über Lizenzen. Work-Out mit Spaß an Bewegung für jedermann zu verbinden – man denke an Zumba – kann ein erwiesenermaßen erfolgreiches Konzept sein. Eine sehr klar und gut definierte Kernzielgruppe (Tanzlehrer und Gesundheitsstudios) trifft auf ein Konzept, das Freude macht und wirkt.

Mit dieser Kombination wird ein Problem gelöst, das viele Menschen in Bezug auf Sport zu haben scheinen: nämlich sich sportlich zu betätigen und dabei auch noch Spaß zu haben. Der Zugang zur Ausbildung, speziellen Online Sessions oder Musikangeboten schafft langfristige Kundenbindung. Ein enorm wertvolles Instrument!

Wichtig wird es aus meiner Sicht für Rock the Billy jedoch werden, sich nicht nur auf den B2B-Bereich zu konzentrieren, sondern auch bei potenziellen Endkunden Nachfrage zu schaffen. Denn der B2B-Sektor generiert kurzfristig vielleicht mehr Umsatz, aber es kann definitiv nicht schaden, breiter aufgestellt zu sein.

Marketing-Tipp

Aus diesem Grund würde sich meiner Meinung nach auch ein breiterer Kommunikationsmix anbieten. Je mehr Menschen Rock the Billy aktiv nachfragen, desto mehr Interesse an Trainerausbildungen wird es schlussendlich auch geben. Das Potenzial ist aus meiner Sicht absolut gegeben, wenn man es schafft, mehr Bemühungen in die Kommunikation zu investieren!

5. Novoltea

Noveltea ist ein Tee mit Alkohol, den man kalt als Cocktail und warm als Glühweinersatz trinken kann.

Die Einschätzung der Experten

Der aktuelle Höhenflug des Spirituosengeschäfts bescheinigt diesem Startup, mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit gekommen zu sein. Die Kombination aus hochwertigen Spirituosen und Tee schafft durch den geringeren Alkoholgehalt von 11 Prozent die Möglichkeit, nicht auf das Trinken von Alkohol verzichten zu müssen, wenn man bewusst nicht zu starke Getränke zu sich nehmen möchte. Eine spannende Alternative in der Gastronomie zu Cocktails oder aber auch zu Gin & Tonic.

Für den Gastronomen selbst ist Noveltea sehr einfach zu handeln, da es bereits fertig gemischt erhältlich ist. Aus Sicht der Konsumenten handelt es sich um einen neuartigen und trendigen Drink. Die Herausforderung liegt aus meiner Sicht im Erklärungsbedarf, da es sich um eine völlig neue Getränkekategorie handelt. Spirituosen-Mischgetränke an sich sind zwar etabliert, eine Mischung aus Spirituose und Tee ist allerdings noch unbekannt.

Wohin mit dem Produkt?

Der Hauptvertriebspunkt liegt mit der Gastronomie meiner Meinung nach auf der Hand. Die Frage ist nur, welche Gastronomie? Von der Cocktailbar bis zur Haubenküche sind viele Anwendungsbereiche durchaus denkbar. Aus meiner Sicht sollte zuerst der Schritt zur Etablierung über die Gastronomie erfolgen und erst danach ein möglicher Schritt zum Endkonsumenten über den Handel. Denn für eine breite Distribution im Handel ist das Produkt meiner Meinung nach einfach zu speziell beziehungsweise bedarf es zu viel Budgetaufwand in der Kommunikation, um diese neue Kategorie wirklich breit aufzumachen. Die “urban drinks”-Regalmeter im Handel schrumpfen und cooles Design alleine reicht für ein Listing schon lange nicht mehr aus, um langfristig am Markt Erfolg zu haben.

Marketing-Tipp

Konzentriert euch auf Gastronomen. Ihr habt ein Produkt entwickelt, welches ein gewisses Maß an Erklärung benötigt, also nehmt euch ruhig Zeit für die Kommunikation. Wichtig ist eine Zielgruppe, die für euer Produkt bereit ist, und diese findet ihr momentan auf alle Fälle in der Gastronomie.


⇒ Wingbrush

⇒ Pattarina

⇒ Gafferwand

⇒ Novoltea

⇒ Rock the Billy

 Österreichische Marketing-Gesellschaft

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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