16.08.2024
GRÜNDUNG

Gründer:innen im Ausland: Patricia Bubner über Gründung in den USA

Ein anderer Markt, unterschiedliche Konsumbedürfnisse und neue Kulturen: Die Gründung im Ausland ist ein gewagter Schritt und manche Startups wagen ihn. Was treibt Founder:innen an, im Ausland zu gründen und ihre Unternehmen auf "fremden" Boden anzusiedeln? brutkasten hat bei Auslandsgründer:innen nachgefragt.
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Eine Frau präsentiert vor einem hellblauen Hintergrund.
Gründerin und CEO von Orbillion: Patricia Bubner (c) Orbillion

Dieser Beitrag ist Teil einer brutkasten-Serie zum Thema Gründen im Ausland. Weitere Beiträge behandelten Großbritannien (mit Rima Suppan von Peachies) und Indien (mit Thomas Hebenstreit von The Shirt Dandy).


Rindfleisch, aber nicht aus dem Stall, sondern dem Labor. Das ist die Geschäftsidee von Orbillion Bio, einem FoodTech, das von Patricia Bubner in den USA gegründet wurde. Dass sich die Grazer Chemikerin in Amerika angesiedelt hat, war Zufall und ideale Standortwahl zugleich. So erzählt es die Gründerin im Gespräch mit brutkasten. Wir haben die CEO gefragt, wie es zur Gründung in den USA gekommen ist. Welche Besonderheiten das amerikanische Startup-Umfeld hat und ob sie Tipps für Founder:innen geben kann, die auch in die Bay Area wollen.

Patricia Bubner über Gründen in den USA

Für einen Forschungsaufenthalt kam Bubner in die USA und ist dann “einfach hier stecken geblieben”, erzählt sie. “Ich war sehr fasziniert vom Geist des anything happens. Der Puls der Innovation war spürbar und die Leute kommen von überall in die Bay Area und bringen Ideen und Wissen mit”, schwärmt die Gründerin über den Startup-Spirit in den USA.

Patricia Bubner gründete ihr FoodTech in Kalifornien. Gemeinsam mit Gabriel Levesque-Tremblay und Samet Yildirim startete die Österreicherin in die Cultivated Meat Branche. “Ziel ist es, dass die Leute unser Produkt wirklich gegenüber dem klassischen Rindfleisch bevorzugen. Dazu müssen wir etwas schaffen, das besser schmeckt, das klimafreundlicher ist und idealerweise gesünder ist, sprich: das einfach das bessere Produkt ist”, beschreibt sie die Vision in einem brutkasten-Interview.

Gegründet 2020 im Umfeld der UC Berkeley, durchlief Orbillion Bio das bekannte Silicon-Valley-Startup-Programm Y Combinator und holte sich kurz darauf schon ein 5 Millionen US-Dollar an Risikokapital, brutkasten berichtete.

USA: Mehr Geld und mehr Risikobereitschaft

Über die Finanzierungsmöglichkeiten in den USA schwärmt die Gründerin: “Weil einfach mehr Leute sehr viel Geld mit Investments gemacht haben als in Österreich”, sagt Bubner, Investor:innen in den USA wären “offener für risikoreiche Investments”. Für die CEO ist das klar erkennbar: “Die Leute haben hier 50 Investments und wissen, dass wahrscheinlich nur eines davon was wird, damit rechnet man hier”, erzählt die Chemikerin.

Laut Bubner wären Investor:innen in den USA auch entspannter gegenüber Failure und eher geneigt nach vorne zu schauen, auch wenn etwas schief geht. “Risikobereitschaft ist hier Teil der Kultur, weil alle darauf fokussiert sind, viel Geld zu machen”, findet die Gründerin. Dennoch würden Kapitaleinlagen davon abhängig sein, ob Investor:innen eine positive Meinung von den Foundern haben “Es geht am Anfang sehr viel darum, wie Investor:innen einen einschätzen”, sagt sie, über den Eindruck, der zählt.

Unterstützer:innen kamen aus Österreich

“Netzwerken kann man in Österreich genauso wie in den USA, aber die Dimensionen sind anders”, weiß Bubner. Sie führt aus: “In den USA bin ich zum Beispiel sehr schnell mit VCs in Kontakt gekommen”. Der Kontakt würde sich leichter herstellen lassen als hierzulande: “Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in Österreich auch nur ein einziges Mal mit einem VC in Kontakt gekommen bin”, vergleicht Bubner das Netzwerk-Potential in den USA.

Dennoch fand sie für ihr Vorhaben zunächst österreichische Unterstützung in den USA. Sie habe sich in einer Vereinigung für österreichische Wissenschafter:innen engagiert und konnte so ihr Netzwerk aufbauen. Das habe ihr geholfen, sich im großen amerikanischen Markt zurechtzufinden.

Durch diese Tätigkeit und das Netzwerk der UC Berkeley wäre sie in Verbindung mit Mentor:innen und Supporter:innen gekommen. Österreicherin in den USA zu sein war also ein Vorteil beim Aufbau. “Meine ersten Unterstützer:innen und Investor:innen in den USA sind aus Österreich”, erzählt Bubner.

Nimm dir einen Anwalt

Die USA sind aber nicht nur ein großer Markt, sondern durch die föderale Verfasstheit auch ein sehr vielseitiges Land. Rechtsvorschriften, Standortvor- und Nachteile und Startup-Bedingungen unterscheiden sich von Bundesstaat zu Bundesstaat. Diese Vielseitigkeit macht es auch schwierig, für Gründer:innen den Überblick zu behalten. Für Gründer:innen wäre es laut Bubner allerdings relevant, diese Unterschiede im Blick zu behalten.

Ein Beispiel dafür nennt sie im Zusammenhang mit Produktionsstätten. “In Kalifornien ist alles extrem teuer, da kannst du keine Produktionsstätte aufbauen. Dafür gibt es andere Bundesstaaten wie Texas, in denen sich das viel mehr lohnt”, sagt Bubner. Gleichzeitig würden sich Vorteile auch oft verschieben, “das muss man im Auge behalten und auf wandelnde Umstände flexibel reagieren”, weiß die Gründerin aus ihrer Erfahrung.

Um den Überblick über diese Dinge zu behalten und in den USA gut zurechtzukommen, hat die CEO einen Tipp: “Nimm dir einen Anwalt”. Das wäre ihr von Anfang an geraten worden. Es hätte sich auch ob der amerikanischen Rechtstreit-Kultur als hilfreich erwiesen. In den USA würden viel mehr Dinge, sehr viel schneller vor Gericht geklärt als hierzulande. Es wäre, so findet es Bubner, deshalb sinnvoll, sich schon bei der Gründung rechtliche Unterstützung zu sichern. Gefragt nach einem Beispiel, lächelt die Grazerin und entgegnet typisch Amerikanisch mit: “Darüber darf ich leider nicht sprechen.”

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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