04.12.2020

Bluecode-Gründer Christian Pirkner zu Zahlungsverkehr: “Wir Europäer spielen nicht mit”

Europa befindet sich mitten in einer Phase der Veränderung im Payment-Sektor. Covid-19 forcierte hierzulande kontaktloses Bezahlen, was einen kritischen Blick auf technologische und regulatorische Möglichkeiten im europäischen Ballungsraum nötig macht. Bluecode-Gründer Christian Pirkner, Gerald Gruber, Head of Business Development der niederländischen Bank "bunq" und Martin Sprengseis, Mit-Initiator des Payment-Festival gaben ihre Einsichten zum Zahlungsverkehr ab. Fußend auf einer Studie der Kommunikationsberatung Kraftkinz.
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Zahlungsverkehr, Pirkner, Gruber, Kraft-Kinz, EPI, EU, Europa, Mastercard, Visa, Payment
(c) Kraftkinz - Experten der Szene besprachen mögliche Lösungen für einen kontinentalen Payment-Verkehr.

Beim Zahlungsverkehr sind andere federführend. Verallgemeinerungen lassen sich in Europa zwar schwer treffen – Payment-Tech und deren Nutzung sind je nach Land unterschiedlich stark ausgeprägt -, doch eines lässt sich festhalten: Die Giganten in diesem Bereich sitzen in den USA und in China. Allerdings hat ein Virus eine Wende eingeleitet und damit Bewegung in eine bisher starre Thematik gebracht. Europa denkt über Lösungen beim Zahlungsverkehr nach.

Verzicht auf Bahrgeld beim Zahlungsverkehr

Vor gut einem Jahr dachte die Masse nicht daran, sich vom geliebten Bargeld zu trennen. Auch wenn es bereits seit geraumer Zeit Lösungen und alternative Zahlungsmöglichkeiten gab, die oft von Startups getrieben waren, so hat erst die Angst vor Ansteckung dazu gesorgt, dass hierzulande immer mehr auf Schein & Münze verzichtet haben.

Experten gehen davon aus, dass bargeldloses Bezahlen nach der Pandemie bleibt, wie es auch aus einer Studie von Kraftkinz hervorgeht (hier zum Download).

Demnach sehen 83 Prozent der Befragten Österreich im Mittelfeld innovativer Zahlungssysteme, während 82 Prozent glauben, das aktuelle Bezahlverhalten werde Post-Covid bleiben – und 85 Prozent für eine europäische Lösung urgieren.

“Lebensblut einer Volkswirtschaft”

Bluecode-Gründer Christian Pirkner nennt Payment “Das Lebensblut einer Volkswirtschaft” und erkennt, dass aktuell die Leute seltener einkaufen gehen, dafür aber mehr kaufen. Eine weitere, und noch wichtigere Erkenntnis ist dem Gründer zufolge, zu verstehen, wer die Regeln schreibt, wenn kontaktlos und digital bezahlt wird: “Das sind nicht häufig wir Europäer”, sagt er und nennt in einem Atemzug die Big Boys der Branche: Mastercard, Visa, Apple, seit neuestem Google, WeChat und andere. “Wir bestimmen momentan wenig aktiv mit. In Brüssel jedoch tut sich viel”, so Pirkner weiter.

Plan B europäischer Prägung

Die Europäische Union hat die Gunst der Stunde genutzt und sich die Suche nach Alternativen zu den oben genannten Möglichkeiten beim Zahlungsverkehr auf die Fahnen geschrieben. “Es geht darum, einen Plan B zu kreieren. Die bisherigen Produkte sind großartig, doch wir Europäer spielen nicht mit”, sagt Pirkner, der aber einen Hoffnungsschimmer bei dieser Thematik ins Feld führt.

Europaweiter Zahlungsstandard beim Zahlungsverkehr gesucht

Genauer gesagt sind es derer drei. Drei zentrale Projekte, an der die EU werkelt. EPI ist eine europäische Initiative mit dem Ziel, zum neuen europaweiten Zahlungsstandard für alle Arten von Zahlungsvorgängen zu werden. Dazu haben sich 16 große Banken aus Europa zusammengetan und versuchen, so Pirkner, “von Null auf weg ein europäisches “Scheme” zu erschaffen, dass in einer europäischen Karte münden soll.”

Um tatsächlich in naher Ferne einen Brief von der eigenen Bank mit einer solchen Karte zu erhalten, die sich ohne große Komplikationen europaweit nutzen lässt, braucht es laut dem Bluecode-Gründer vor allem Akzeptanz, oder einfacher gesagt, sie muss im Handel funktionieren.

Kollaboration und Best Case-Fallbeispiele

Dafür wird es aber ein großes Maß an Kollaboration brauchen, das auf einer höheren Ebene als bisher, einer europäischen Ebene, stattfinden muss. Was uns wiederum zum zweiten zentralen EU-Projekt führt, der EMPSA.

Hiebei handelt es sich um einen Ansatz, der die Zusammenarbeit fördern und die Nutzung verschiedener mobiler Zahlungssysteme auf internationaler Ebene ermöglichen soll. Konkret geht es darum, sich jene Länder herzunehmen, die innerstaatlich gute Lösungen beim Zahlungsverkehr haben, weil Banken und Handel gut kollaborieren.

Ähnlich den Telcos

Bisher sind bei dieser Initiative zwölf Länder dabei, darunter Schweden, die Schweiz oder Norwegen. Die Union versucht, als zweiten Weg in Richtung europäischem Payment, mit den einzelnen Lösungen Ähnliches hinzubekommen, wie die Telekommunikationsanbieter mit dem Roaming-Agreement.

“Es geht darum, von einem System mit Echtgeld in ein anderes zu bezahlen”, fasst Pirkner die Vision zusammen: “Europäer müssen die Besten werden beim Kollaborieren.”

“Europa macht es sich selbst schwer”

Dem stimmt Gerald Gruber zu, der mit seiner Außensicht als Head of Business Development der niederländischen Challenger Bank “bunq” meint, dass wir in Europa mehr Vereinheitlichung besonders im regulativen Bereich brauchen.

“Wir sind mit Niederlassungen in verschiedenen Ländern mit verschiedenen Regeln konrontiert. Wir machen es uns als Europa selbst schwer. Wir brauchen große Räume, die den selben Standard haben”, sagt er. Dafür brauche es ein Zusammenspiel von Banken, Handel und der Politik.

Führende Köpfe müssen verstehen

Dem stimmt auch Martin Sprengseis zu, wenn er sagt, dass Technologien und Chancen von unseren führenden Köpfen verstanden werden müssen. Der Mit-Initiator des Payment Festivals sieht es daher die Aufgabe, auf Innovation und Entwicklungen aufmerksam zu machen: “Um Wissen darüber in Österreich aufzubauen”, wie er sagt.

Das EPC (European Payments Council), um den letzten zentralen Punkt noch aufzugreifen, hat wiederum den Europäischen Zahlungsraum auf der Agenda und widmet sich technischen Fragen.

“Alle bezahlen”

Pirkner ruft dazu auf, dieses essentielle Thema als Ganzes in Österreich stärker zu besetzen und in den breiten Diskurs zu stellen, denn was Menschen alle gemeinsam hätten, ist, dass “alle bezahlen”. Am Ende gehe es darum, wer welchen Endkunden mit welchem Service bespielt.

Der wichtige Begriff hierbei, “Akzeptanz”, beinhaltet in erster Linie die Kooperation von Handel, Banken und anderen Key-Playern der Szene, auf der Metaebene jedoch vor allem den Kunden, nähert man sich der Frage, wie so ein umfangreiches Unterfangen wie eine gesamteuropäische Lösung gelingen kann.

Kunde hat nie Payment als Ziel

Pirkner nennt es die “customer journey” und fordert einen offensichtlichen Mehrwert: “Für den Kunden ist Payment nie das Ziel, sondern Essen bestellen oder Einkaufen. Die Lösung muss von Anfang bis zum Ende so einfach gestaltet werden, dass der Kunde aus dem Geschäft geht und nicht merkt, dass er bezahlt'”, erklärt Pirkner überspitzt, der darauf hinaus will, dass die Player dem Kunden die Erfahrung geben müssen, dass die neue Lösung besser ist als die alte.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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AI Summaries

Bluecode-Gründer Christian Pirkner zu Zahlungsverkehr: “Wir Europäer spielen nicht mit”

  • Verallgemeinerungen lassen sich in Europa zwar schwer treffen – Payment-Tech und deren Nutzung sind je nach Land unterschiedlich stark ausgeprägt – doch eines lässt sich festhalten, die Giganten in diesem Bereich sitzen in den USA und in China.
  • 83 Prozent der Befragten einer Kraftkinz-Studie sehen Österreich im Mittelfeld innovativer Zahlungssysteme, während 82 Prozent glauben das aktuelle Bezahlverhalten werde Post-Covid bleiben – und 85 Prozent für eine europäische Lösung urgieren.
  • Bluecode-Gründer Christian Pirkner nennt Payment “Das Lebensblut einer Volkswirtschaft” und erkennt, dass aktuell die Leute seltener einkaufen gehen, dafür aber mehr kaufen.
  • “Es geht darum von einem System mit Echtgeld in ein anderes zu bezahlen”, fasts Pirkner die Vision zusammen: “Europa müssen die Besten werden beim Kollaborieren.”
  • Dafür brauche es ein Zusammenspiel von Banken, Handel und der Politik.

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