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Es geschah im Jahr 2000 auf einer Bierkiste. Keine Party, sondern die Gründung der Devisenhandelsplattform 360T. Jene Plattform, auf der pro Tag Geschäfte mit einem durchschnittlichen Volumen von 90 Milliarden Euro abgewickelt werden.
Die Firmenzentrale liegt damals über einem griechischen Restaurant an einer großen Frankfurter Ausfallstraße. Die finanziellen Mittel sind durch das Platzen der Dotcom-Blase alles andere als in greifbarer Nähe. “Es war eine taffe Zeit voller Entbehrungen – monetär und auch für das private Umfeld”, sagt Co-Founder Carlo Kölzer. Aber ans Aufgeben haben die Gründer trotzdem nicht gedacht.
Heute befindet sich das Büro im schicken Frankfurter Westend Carrée und ist zu einem der wichtigsten Akteure am täglich rund fünf Billionen Dollar schweren Devisenmarkt aufgestiegen. Und Chef Carlo Kölzer befindet sich am Weg zum Multimillionär, denn die Firma wird verkauft. Das Durchhalten hat sich also ausgezahlt.
Kölzer ist im Rheingau aufgewachsen und reichert seinen hessischen Dialekt mit zahlreichen Anglizismen an. Für Dresdner Kleinwort hat er mehrere Jahre als Investmentbanker in New York und Frankfurt gearbeitet, bevor er 360T ins Leben ruft. Anfang des Jahrtausends laufen die meisten Devisengeschäfte noch übers Telefon. Dabei kommt es allerdings immer wieder zu Missverständnissen. Und die Unternehmen kriegen meist nicht den besten Preis, da sie nur schwer mit mehreren Banken gleichzeitig sprechen können. Mit 360T wird für die Konzerne vieles leichter.
Im vergangenen Jahr wurden über die Plattform pro Tag im Schnitt Geschäfte mit einem Volumen von 90 Milliarden Euro abgewickelt. Weltweit kommt 360T nach Angaben des Branchenmagazins “Euromoney” derzeit auf einen Marktanteil von 15 Prozent – und liegt damit hinter FXall von Thomson Reuters (37 Prozent) und FX Connect von State Street (16 Prozent) auf Rang drei.
Bereits seit einigen Jahren sind bei 360T Finanzinvestoren an Bord, seit 2012 gehört die Firma mehrheitlich der US-Beteiligungsgesellschaft Summit Partners. Sie wird das Unternehmen in den kommenden Wochen vermutlich an die Deutsche Börse oder einen anderen etablierten Finanzkonzern weiterverkaufen. Insider rechnen mit einem Preis von 600 bis 750 Millionen Euro.
360T wäre damit das wertvollste deutsche Finanz-Startup aus der Internet- und IT-Welt (FinTech) – und ein Vorbild für Hunderte von FinTechs, die derzeit in Berlin, Frankfurt und anderen Städten wie Pilze aus dem Boden schießen. “Ein Verkauf von 360T würde nachweislich zeigen, dass auch in Deutschland weltweit führende FinTech-Unternehmen entstehen, und somit die Aufmerksamkeit und das Investitionsinteresse von internationalen Investoren für deutsche FinTechs weiter steigern”, sagt Thomas Bloch vom Deutschen Startup-Verband.
“Die Plattform bietet den großen Vorteil, dass wir gleichzeitig bei mehreren Banken einen Preis anfragen und dann den günstigsten Anbieter auswählen können”, sagt Dirk Schreiber, der die Treasury-Abteilung des Gesundheitskonzerns Fresenius leitet. “Dadurch sparen wir signifikant Geld.” Inzwischen wickeln 29 von 30 Dax -Konzernen ihre Devisengeschäfte über die Frankfurter Firma ab.
Den Anfang macht die Lufthansa, die 2002 erstmals über 360T handelt. Bis die Plattform aus den roten Zahlen kommt und das Volumen deutlich anzieht, dauert es allerdings noch bis 2004. Die ersten Jahre sind hart. Mehrmals steht die Firma vor dem Aus. Die Gründer betteln dann bei Verwandten und Freunden um weiteres Geld. “Wir hatten eine FFF-Aktionärsstruktur”, sagt Kölzer. “Family, friends and fools” – Familie, Freunde und Narren.
In den Anfangsjahren übernachtet Kölzer bei Dienstreisen oft auf der Couch von Freunden oder in billigen Absteigen. “Manchmal kam ich in Hotels, in denen das Bett noch warm war.” Wenn er mit ehemalige Kollegen aus dem Investmentbanking unterwegs ist, laden sie ihn mitleidig auf ein Bier ein. Spätestens mit dem Verkauf wird das nicht mehr nötig sein.