20.06.2022

Legal Tech: “Früher war Innovation ein Buzzword, jetzt ist sie ein Business Need”

Die Pandemie hat dem Legal Tech-Bereich einen entscheidenden Push gegeben - darin sind die Diskutant:innen im ersten Legal Tech Talk des brutkasten einig - und erklären, wo die Reise hingeht.
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Im brutkasten Legal Tech Talk: Dejan Jovicevic, Gründer und CEO brutkasten, Sophie Martinetz, Gründerin & Managing Partnerin Future-Law, Manfred Guttmann, Geschäftsführer NTB SOLUTIONS GmbH und Gina-Maria Tondolo, Gründerin & Geschäftsführerin LAWRENCE
Im brutkasten Legal Tech Talk: Dejan Jovicevic, Gründer und CEO brutkasten, Sophie Martinetz, Gründerin & Managing Partnerin Future-Law, Manfred Guttmann, Geschäftsführer NTB SOLUTIONS GmbH und Gina-Maria Tondolo, Gründerin & Geschäftsführerin LAWRENCE | (c) brutkasten
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“Ich könnte kein Unternehmen benennen, das auf die Pandemie vorbereitet war. Es war aufregend, spannend, aber auch belastend. Letztlich ist sehr viel für die kommenden Jahrzehnte übrig geblieben”, erzählt Manfred Guttmann, Geschäftsführer von NTB SOLUTIONS, dem IT-Dienstleister des österreichischen Notariats, im ersten brutkasten Legal Tech Talk. Er spricht damit den Digitalisierungsschub durch Corona an, der auch auf die österreichischen Notariate Auswirkungen hatte. “Wir können nun alles online abwickeln und das schafft viele Mehrwerte für die Klient:innen”, erklärt Guttmann. Der Gesetzgeber habe in der Krise die Bedingungen geschaffen, die notariellen Dienstleistungen digital anzubieten. Die Umsetzung sei aber nur möglich gewesen, weil die technische Vorarbeit bereits geleistet war.

Von großer Skepsis zu Verständnis für Legal Tech

Das war nicht überall im Rechtsbereich der Fall, erzählt Legal Tech-Expertin Sophie Martinetz, Gründerin und CEO von Future-Law: “Vor der Pandemie gab es eine große Skepsis gegenüber digitalen Anwendungen im Rechtsbereich. In der Krise wurden dann sehr schnell Lösungen zusammengewürfelt. Mittlerweile wurde der Aufholbedarf erkannt”. Man sehe derzeit eine Konsolidierung am Markt, es gebe einen enormen Boost und es fließe viel Geld in die Branche. “Wir haben aber auch alle Federn gelassen, es war sehr anstrengend”, sagt Martinetz und bringt es noch einmal auf den Punkt: “Man versteht jetzt die Themenstellungen. Früher war Innovation ein Buzzword, jetzt ist sie ein Business Need”.

Eine dieser digitalen Lösungen für den Rechtsbereich ist LAWRENCE, ein Marketingtool für Rechtsanwaltskanzleien. CEO Gina-Maria Tondolo kann die Aussagen von Sophie Martinetz bestätigen: “Die Pandemie war definitiv ein Boost für uns. Die Rechtsanwaltsbranche war total untertechnologisiert. Mit Corona kam erste eine Schockstarre und dann das große Erwachen”, sagt sie. “Davor gab es kein Verständnis dafür, ob man so ein Tool wie unseres überhaupt braucht. Das hat sich rasant geändert”.

“Sehr qualifizierte Leute machen eine Arbeit, die unglaublich langweilig ist”

Die Kanzleien hätten sich vorher mit Excel-Sheets zufrieden gegeben. “Die Digitalisierung hat überhaupt erst einmal das Verständnis gebracht, was Daten und insbesondere strukturierte Daten sind”, sagt Tondolo. “Und viele dachten bis vor kurzem: Excel ist doch eh strukturiert, aber wie fehleranfällig so ein Excel-Sheet ist, bemerkt man erst jetzt”. Und die LAWRENCE-Chefin nennt noch einen weiteren Punkt, der für neue digitale Lösungen spricht: “Sehr qualifizierte Leute machen eine Arbeit, die unglaublich langweilig ist. Das verscheucht nicht nur Leute, sondern macht auch die Aufgaben unattraktiv”.

Das führe zum Thema Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftemangel. “Wenn du guten Leuten kein Werkzeug in die Hand gibst, das ihnen hilft, schneller zu werden, ist es furchtbar für sie”, meint Tondolo. Und sie geht noch weiter: “Viele Kanzleien werden auf Dauer überhaupt niemanden mehr bekommen, weil die Leute nicht zurück in die Steinzeit gehen wollen”. Sophie Martinetz schließt sich mit einem drastischen Beispiel an: “Durchschnittlich verbringen die Leute laut McKinsey-Studien im Job wöchentlich acht Stunden, also insgesamt einen vollen Arbeitstag, damit, Dinge zu suchen – da ist das Finden nicht eingerechnet”. Bei Digitalisierung gehe es daher oft um das “banale Thema Ordnung machen”.

Digitale Lösungen für, nicht statt Menschen

Doch Legal Tech gibt noch einiges mehr her. Manfred Guttmann gibt einen Einblick in die nächsten Digitalisierungsvorhaben für die Notare: “Momentan beschäftigen wir uns sehr stark mit einer Portallösung und künstlicher Intelligenz und damit, beide Themen im Notariat unterzubringen”. Mit der Portallösung wolle man eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Notar:innen und ihren Klient:innen schaffen – “einfach, schnell und sicher”. Dort soll man künftig etwa Termine vereinbaren, den Status eines Akts einsehen oder hinterlegte Urkunden abrufen können. Die Künstliche Intelligenz wolle man nutzen, um Prozesse effizienter zu gestalten und den Mitarbeiter:innen monotone Tätigkeiten abzunehmen. Langfristig wolle man auch die Möglichkeiten von weiteren neuen Technologien ausloten, sagt Guttmann.

Dabei betont der NTB SOLUTIONS-Geschäftsführer: “Jede Technologie soll immer dazu dienen, die Notar:innen zu unterstützen und mehr Zeit zu schaffen, um die Klient:innen noch besser zu beraten”. Das gelte auch für den Rest der Rechts-Branche, bestätigt Martinetz. Auf die Frage, ob zukünftig Robo-Anwälte die menschlichen ersetzen, lacht sie und antwortet mit einem klaren “Nein”.

Coding Austria Hackathon

Der Coding Austria Hackathon „Vernetztes Leben am Land“ findet von 30. auf 31. Juli 2022 in Wien statt und sucht nach digitalen Lösungen für das Leben in ländlichen Regionen – von Digitale Gemeinde, über Sustainable Life bis hin zu Mobility. Es winken zahlreiche Preise – eine Anmeldung ist noch bis 7. Juli möglich.

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Logo von OpenAI
Foto: Adobe Stock

Wenn OpenAI neue Dinge ankündigt, hört die KI-Szene hin. Klar, nicht jede Ankündigung des US-Unternehmens in den vergangenen zwei Jahren hatte dieselbe Tragweite wie jene vom 30. November 2022, als OpenAI den Start eines Chatbots namens ChatGPT verlautbaren ließ. Aber potenziell könnte jede Mitteilung des Unternehmens rund um CEO Sam Altman bahnbrechend sein. Kein Wunder also, dass es für Aufsehen sorgte, als OpenAI Anfang Dezember verlautbarte, zwölf Tage hintereinander neue Dinge vorzustellen.

Schon in der Ankündigung hatte Altman darauf hingewiesen, dass es neben größeren auch kleinere Neuigkeiten sein würden, die OpenAI liefern würde. So kam es dann auch: Zugang zu ChatGPT über WhatsApp oder die Integration in Apple Intelligence waren eher in die zweite Kategorie einzuordnen. Daneben veröffentlichte OpenAI aber auch das neue Modell o1 für ChatGPT – oder Sora, ein Tool zur Videoerstellung.

Den größten Widerhall in der KI-Szene fand allerdings die Ankündigung am letzten der zwölf Tage. Am vergangenen Freitagabend stellte OpenAI sein neues Modell o3 vor. Wichtig dabei: Das Modell ist noch nicht öffentlich zugänglich. OpenAI stellte zunächst einmal nur vor, wie das Modell in unterschiedlichen KI-Benchmarks abschnitt. Aber diese Ergebnisse hatten es in sich.

o3 zeigt starke Performance bei AGI-Benchmark

Vielbeachtet wurde dabei vor allem die Benchmark namens ARC-AGI (Abstraction and Reasoning Corpus for Artificial General Intelligence), bei der zwei Varianten des o3-Modells deutlich bessere Ergebnisse erzielten als die bisher führenden o1-Modelle. Das Ziel von ARC-AGI ist es zu messen, wie sich eine KI im Umgang mit ihr unbekannten Aufgaben schlägt.

Wie die O3-Modelle verglichen mit anderen OpenAI-Modellen abschneiden // Grafik: ARC Prize

Es gibt unterschiedliche Definitionen von AGI. Die meisten davon verstehen AGI aber als ein System, das sämtliche intellektuellen Aufgaben mindestens so gut oder besser als ein Mensch erledigen kann.

Die ARC-AGI-Benchmark wurde von François Chollet konzipiert. Er definiert AGI als ein System, das “in der Lage ist, effizient neue Fähigkeiten zu erwerben und neuartige Probleme zu lösen, für die es trainiert wurde.”

Eine AGI ist also nicht für eine bestimmte Aufgabe trainiert, sondern kann jegliche Aufgaben übernehmen. Es ist weitgehender Konsens in der KI-Szene, dass solche Systeme noch nicht existieren. OpenAI wurde aber beispielsweise explizit mit dem Ziel gegründet, AGI zu erreichen.

Chollet gehört zu den bekanntesten Namen der internationalen KI-Szene. Er hat die bekannte KI-Library Keras entwickelt und seit einigen Jahren für Google tätig. Dem von ChatGPT ausgelösten Hype rund um generative KI steht Chollet seit Anfang an eher kritisch gegenüber, wie beispielsweise auch dieser brutkasten-Bericht wenige Wochen nach Erscheinen von ChatGPT thematisierte.

o3: “Wir befinden uns auf neuem Terrain”

Umso interessanter ist es, was Chollet nun zu den Ergebnissen des o3-Modells bzw. seiner Varianten zu sagen hat. In einem Blogeintrag attestiert er OpenAI, mit dem Modell einen “bedeutenden Sprung nach vorne” erreicht zu haben.

Die Performance des Modells stelle “einen echten Durchbruch” in der Anpassungsfähigkeit und Verallgemeinerung” von KI-Modellen dar”, wenn es darum gehe, wie sich KI-Modelle an neue Aufgaben anpassen könnten. o3 stelle nicht bloß einen “schrittweisen Fortschritt” dar. Vielmehr befinde man sich auf “neuem Terrain”, das “ernsthafte wissenschaftliche Aufmerksamkeit” erfordere.

Aber es ist schon Artificial General Intelligence (AGI)? Hier schränkt Chollet ein: “o3 scheitert immer noch an einigen sehr einfachen Aufgaben, was auf grundlegende Unterschiede zur menschlichen Intelligenz hinweist”. Dennoch befeuerten die Ergebnisse die Diskussion rund um AGI – und manche Stimmen sahen, anderes als Chollet, mit o3 AGI sogar bereits erreicht.

Selbst wenn dem so wäre, wäre es zum jetzigen Zeitpunkt schwer nachzuprüfen: Denn das Modell ist noch nicht veröffentlicht. Forscher:innen im Bereich der KI-Sicherheit können sich für Zugang vormerken lassen. Wann und zu welchen Konditionen das Modell für Endnutzer:innen zugänglich sein wird, ist aktuell noch unklar. Klar ist allerdings schon jetzt, dass die beeindruckenden Ergebnisse bei der ARC-AGI-Benchmark enorme Rechenressourcen erforderten – und dementsprechend teuer waren.

Reasoning-Modelle

Das o3-Modell ist eine verbesserte Version des o1-Modells, welches OpenAI am 4. Dezember veröffentliche und das zuvor bereits in Preview- und Mini-Varianten für ChatGPT-User:innen zugänglich gewesen war. Dieses Modell unterscheidet sich zu dem im Mai 2024 veröffentlichten GPT4o-Modell insofern, als es auf einen “Reasoning”-Ansatz setzt.

OpenAI bezeichnet GPT4o weiterhin als das “vielseitige, hochintelligente Flagship-Modell”, das für die “meisten Aufgaben” die richtige Wahl sei. Die o1-Modelle wiederum referenziert das Unternehmen als “Reasoning-Modelle, die sich bei komplexen, mehrstufigen Aufgaben auszeichnen”.

Enduser:innen von ChatGPT merken dies in der Nutzung vor allem insofern, als sich die o1-Modelle länger Zeit nehmen, Ergebnisse zu produzieren. Diese Modelle “verbringen mehr Zeit mit Nachdenken, bevor sie reagieren”, wie es OpenAI formuliert. In einigen (aber nicht notwendigerweise in allen) Bereichen liefern sie dann deutlich bessere Ergebnisse als die bisherigen Modelle.


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