21.08.2017

I.E.C.T. Summer School: Zwischen Mensch vs Maschine und selbstfahrenden Autos

Zum Auftakt der dritten I.E.C.T. Summer School on Entrepreneurship, die IT-Pionier Hermann Hauser und sein Team in diesem Jahr erstmals im Co-Workingspace der Werkstätte Wattens veranstalten, wurde ausführlich über Künstliche Intelligenz und ihre Anwendung gesprochen.
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(c) Johannes Felder

Künstliche Intelligenz ist die nächste große Welle der technologischen Entwicklung und wird eine wesentliche Basistechnologie der Zukunft sein. Das ist die vorherrschende Meinung der führenden A-I.-Experten Österreichs, die im Rahmen der I.E.C.T.-Veranstaltung „The State of A.I. – Riding the 6th Wave of Computing – or drown?”, auf der Bühne einer ehemaligen Fertigungshalle des Traditionsunternehmens Swarovski referierten. So stellten der Investor und Technologievisionär Hermann Hauser, Alois Saria, Leiter des Human Brain Project-Ausbildungsprogramms sowie Robert Trappl, Chef des österreichischen Forschungscenters für künstliche Intelligenz, die Inhalte ihrer aktuellen Interessen und Forschungsprojekte kurzweilig und in Englischer Sprache dar. Neben den Teilnehmern der Summer School schauten I.E.C.T. Capital Partners, Vertreter der Wirtschaftskammer, einige Speaker und Projektleiter des Europäischen Forums Alpbach, der österreichische A.I.-Stammtisch, Repräsentanten der Initiative AustrianStartups, zahlreiche Tiroler Unternehmen sowie internationale Investoren sowie Mitglieder der jungen Wirtschaft Österreich in der Werkstätte Wattens vorbei und zeigten sich sehr interessiert an den präsentierten Themen.

+++ Hermann Hauser bringt Startups aus der ganzen Welt nach Tirol +++

Mensch vs Maschine

Den Anfang der dreiteiligen Vortragsserie machte an diesem Abend Hermann Hauser, der den intelligenten Menschen mit der intelligenten Maschine verglich. Dabei zog er unter anderem einen Vergleich zwischen der Leistung von Neuronen und von Transistoren. Obwohl die künstlichen “Gehirnzellen” das menschliche Pendant bei vergleichbaren Parametern wie Größe und Geschwindigkeit schon jetzt überholen, sei die Rechenleistung unserer Gehirne aktuell noch um ein zehnfaches Höher, als das, was vergleichbare, technische Innovationen bieten könnten. “Das Binärsystem, das Informationen nur durch Nullen und Einsen transportiert, geht davon aus, dass die Dinge entweder richtig, oder falsch sind. Die Wahrheit ist jedoch, dass alle Dinge eine bestimmte Wahrscheinlichkeit haben. Auch diese Tatsache wird von Neuronen aktuell noch viel besser adressiert”, so Hauser zu Beginn seines Vortrags.

Intelligenz als “knowing what to do next”

Er setzt mit weiteren Vergleichen von Mensch und Maschine fort und stellt mit amüsierter Abgeklärtheit, Gehirne Computern, Ohren Mikrophonen (bzw. der neuesten Errungenschaft, Beamforming Microphones) und Augen Kameras gegenüber. Selbstverständlich übersteigen die Leistungen der künstlichen Sinneswahrnehmungen bei weitem jene des Menschen. Intelligenz definiert Hermann Hauser in diesem Kontext übrigens wie folgt: “Zu wissen, was als nächstes zu tun ist (knowing what to do next)”. Zudem würden die künstliche Intelligenzen eventuell bessere Entscheidungen treffen als Menschen, denen das “Genie-Problem” im Weg stehen würde.

Erste intuitive Handlung eines Computers

Denn wir Menschen seien sehr schlecht darin, uns das richtige zu wünschen, erklärt Hauser und präsentiert das Beispiel des Spielcomputers AlphaGo, der das chinesische Nationalspiel “Go” beherrscht und es zustande gebracht hat, einen genialen Zug zu spielen, der aufgrund seiner Außergewöhnlichkeit mit einer intuitiven Handlung gleichzusetzen ist. Es sei die erste intuitive Handlung eines Computers gewesen. Der IT-Pionier ist zudem davon überzeugt, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren ganz normal sein wird, in einem selbstfahrenden Auto zu sitzen, das durch unzählige Sensoren, Kameras und Radare im Straßenverkehr viel sicherer unterwegs sein wird.

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Hermann Hauser, (c) Johannes Felder

Vision einer digitalen Zukunft

Für Alois Saria, dem Leiter des Ausbildungsprogramms des Human Brain Project, das Neurowissenschaften, Informatik und Medizin verbindet, ist A.I. alles, was Prinzipien, die dem menschlichen Gehirn ähnlich sind, auf Maschinen überträgt. Im Rahmen des internationalen Programms wird versucht, die Architektur des Gehirnnetzwerks zu kopieren. Dies wird in zahlreichen Versuchen und Simulationen getestet, unter anderem auch an Modellen. Um im Bereich des “Neuromorphic Computings” weiter zu kommen, gibt es im Rahmen des Programms ein Kurrikulum, das verschiedene Wissenschaften lehrt und auf interdisziplinäre Projekte setzt, das von Saria geleitet wird.

Redaktionstipps

A.I aus philosophischer Perspektive

Den Abschluss der Vortragsserie macht an diesem Abend Robert Trappl, vom österreichischen Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI), der die künstliche Intelligenz aus einer philosophischen Perspektive betrachtet und vor allem betont, dass “niemand den Anspruch erhebt, dass Maschinen Emotionen haben”. Menschen würden, wissenschaftlich erwiesen, aktuell bessere Entscheidungen treffen, da sie auch emotional handeln. Sein Institut hat schon erfolgreich Startups wie Grape oder Updatemi dabei unterstützt, ihre Geschäftsideen mit Hilfe von A.I. erfolgreich umzusetzen. “In Zukunft wird alles digital verfügbar sein”, prognostiziert er zum Abschluss seiner Präsentation.

Gesellschaftliche Auswirkungen und Ethik

In einer Podiumsdiskussion, moderiert von Clemens Wasner, dem CEO und Founder von enlite.ai, ist das zentrale Thema eine Zukunft, in der künstliche Intelligenzen viele monotone Arbeiten übernehmen werden. “Die Entwicklung der entsprechenden Roboter, die Menschen bei einfachen Tätigkeiten und Fabriksarbeiten ersetzen können, wird allerdings noch sehr lange dauern”, sagt Robert Trappl. Er stellt zudem die Möglichkeit der Entwicklung einer künstlichen Superintelligenz in den Raum, was jedoch tatsächlich niemand vorhersagen könne. Nach wie vor seien biologische Systeme viel komplexer als technische. Alois Saria betont, dass sich im Zuge der Digitalisierung die Art der Jobs verändern wird, sowie auch die die Aufgaben der Mitarbeiter. Er würde es in diesem Zusammenhang aber beispielsweise nicht für sinnvoll halten, alle Krankenschwestern oder Therapeuten durch Maschinen zu ersetzen.

Rechtzeitige Evaluierung der gesellschaftlichen Konsequenzen

Andy Hopper, Professor für Informatik und Leiter des Computerlabors der Universität Cambridge, zeigt sich ebenso optimistisch und erklärt, dass der Erfolg von A.I. auch davon abhängt, das Geheimnis hinter der Leistung des menschlichen Gehirns zu entschlüsseln. Trotz aller Chancen und Möglichkeiten, die A.I. für uns Menschen bereithält, betonen die Experten auch die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Evaluierung der gesellschaftlichen Konsequenzen und der sozialen Auswirkungen, da unter anderem viele Jobs durch den technischen Fortschritt obsolet werden. Rechtzeitig entsprechende ethische Grundsätze für den Umgang mit A.I. zu entwicklen, sollte ebenfalls auf der Agenda stehen.

A.I. wird vor keinem Sektor halt machen

Der Abend endete mit Snacks und Networking, das für den einen oder anderen Gast bestimmt zu neuen geschäftlichen Beziehungen führte. A.I. ist jedenfalls schon jetzt dabei, einige Bereiche unseres Lebens stark zu verändern, wird vor keinem Sektor halt machen und als nächster Schritt in der digitalen Revolution auch unsere Gesellschaft nachhaltig transformieren. Veranstaltungen wie diese tragen jedenfalls dazu bei, Entscheidungsträger, Influencer und Early Adopter schon frühzeitig zu bilden. DerBrutkasten nutzte den Abend zudem für ein ausführliches Interview mit Hermann Hauser.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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