07.02.2018

Die Deutsche Bank zertrümmert die dümmsten Bitcoin-Mythen

Die Bitcoin-Debatte ist total überhitzt. Alle Seiten werfen mit Halbwahrheiten und Behauptungen um sich. Zeit für eine nüchterne Betrachtung.
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Deutsche Bank zerschlägt Bitcoin-Mythen
(c) Deutsche Bank

Nach dem Crash wird Bitcoin für tot erklärt. Das ist jedes mal so. Den Berechnungen von Michael B. Casey zufolge war das ja schon die sechste Bitcoin-Bubble, die da geplatzt ist. Wie dem auch sei, jetzt hat die Stunde der Skeptiker geschlagen. Das gehört dazu. Also tanzen Old School-Ökonomen wie Paul Krugman und Nouriel Roubini auf dem vermeintlichen Bitcoin-Grab. Sollen sie tanzen. Einzig: Die Basis ihrer Überzeugung scheint wacklig. Sie basiert teilweise auf Bitcoin-Mythen. Denn nach jedem bisherigen Crash ist Bitcoin von den Toten auferstanden. Warum sollte das diesmal anders sein?

+++ Bitcoin: 8 Probleme der bekanntesten Kryptowährung +++

Gute Analyse von einer Mainstream-Bank

Nun gibt es durchaus Analysten, die diese Frage ernst nehmen. Die sich darüber ärgern, dass die Debatte zu Bitcoin immer so einseitig geführt wird: von den Gegnern wie den Befürwortern. Einer davon ist Jochen Möbert von der Deutschen Bank.

Er hat seine Überlegungen in einem Paper unter dem Titel „Bitcoin: Meinungen, Mythen und Missverständnisse“ zusammengefasst – und zertrümmert die acht größten Bitcoin-Mythen, die von Gegnern und Fans gerne getrommelt werden.

Bitcoin-Mythen: Beide Seiten übertreiben

Für Krugman, Roubini und Konsorten hat er gleich zu Beginn schlechte Nachrichten: „Ein exzellenter Kryptoökonom muss ein Software-, ein Hardware-Experte und ein Blockchain- Spezialist sein. Angesichts dieser hohen intellektuellen Hürden fällt es den traditionellen Ökonomen schwer mitzureden.“

Möbert selbst schickt aber auch vorweg, dass auch die Bitcoin-Anhänger zur Vereinfachung und Bitcoin-Mythen neigen würden – und die Nachteile gegenüber den konventionellen Währungen und Banken ignorieren würden. Auch gibt er zu: „Angesichts der Komplexität des Themas trauen wir uns jedoch keine umfassende Analyse zu. Deswegen greifen wir im Folgenden Standardaussagen auf und versuchen, diese einzuordnen und gegebenenfalls zu korrigieren.“

Hier sind die acht Bitcoin-Mythen und die Antworten der Deutschen Bank:

Mythos Nr. 1: Bitcoin ist überbewertet

Hier ist schon alleine angesichts der extremen Preisschwankungen eine Analyse schwierig. Möbert bezweifelt aber, dass die herkömmlichen Boom-Bust-Modelle bei Bitcoin helfen. Die drei Gründe: Bitcoin habe keinen Refinanzierungsbedarf wie traditionelle Unternehmen. Zweitens: „Dezentrale Systeme sind jedoch weniger angreifbar als traditionelle Systeme. Entsprechend könnte auch der Versuch, das Bitcoin-System zu zerstören, mit erheblichem Aufwand verbunden sein.“ Und drittens: Die Bewertung von Bitcoin nach klassischen Modellen sei problematisch. „Denn man versucht, den Wert eines alternativen Geldsystems zu ermitteln, welches im Erfolgsfall den Wert des traditionellen Bewertungssystems selbst verändern könnte“, so der Analyst.

Mythos Nr. 2: Bitcoin ist eine Konkurrenz zur US-Dollardominanz

Das ist eines der Lieblingsargumente von Hardcore-Fans der Kryptowährung – und natürlich völliger Unsinn. „Kurz- wie langfristig entbehrt diese Aussage jeder Grundlage“, schreibt Möbert. Schon alleine die hohen technischen Einstiegshürden in das Bitcoin-Universum würden die Massenadaption behindern. Als Zahlungsmittel dürfte Bitcoin noch lange eine Randerscheinung bleiben: „Vergleicht man die Adaption von Bitcoin mit jener des Internets, dann dürfte man heute wohl erst am Anfang der 1990er Jahre stehen.“

Mythos Nr. 3: Sobald die Regulierer einschreiten, stirbt Bitcoin sowieso

Diese Aussage lässt sich schon angesichts der Tatsache belegen, dass die Behörden vielerorts bereits eingeschritten sind und Bitcoin trotzdem noch existiert. Aber so einfach ist das nicht, es ist technisch schlicht nicht möglich, Bitcoin einfach zu verbieten: „Regulierungsversuche sind mit dem Problem konfrontiert, dass es für eine globale, dezentral organisierte Währung erhebliche Ausweichmöglichkeiten gibt.“ Auch die Versuche einer globalen Regulierung auf Ebene der G20 würden sehr schwierig, weil sich bereits heute sehr unterschiedliche regulatorische Philosophien zwischen den Ländern zeigen würden. So gäbe es auch „bitcoinfreundliche“ Regierungen, etwa Kanada oder Japan.

Mythos Nr. 4: Bitcoin ist bald tot

Hier verweist Möbert nur auf die Website für „Bitcoin Obituaries“, wo seit 2010 hunderte solcher Nachrufe gesammelt wurden – die sich allesamt als falsch herausstellen sollten.

Mythos Nr. 5: Die Bitcoin-Community ist bankenfeindlich

Das ist ein wichtiger Punkt für die Analysten der Deutschen Bank und ihre Leser: Haben sie es hier mit einer neuen Technologie zu tun, die das Bankengeschäft verbessern kann – oder geht es wirklich um einen Totalangriff auf das Geschäftsmodell der Banken? Möbert schreibt, dass schon der Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto in seinem Whitepaper sehr kritisch über Banken und die Bail Outs durch den Steuerzahler geschrieben hat. Aber: „Bankenfeindlich ist wohl nur eine Randgruppe der Bitcoin-Community. (…) Dagegen beabsichtigt die Kern-Community, Bankdienstleistungen für die Ärmsten der Armen zugänglich zu machen.“

Milliarden von Menschen (vor allem in Entwicklungsländern) leben heute noch außerhalb des Banken- und Finanzsystems. Eine Effizienzsteigerung durch Bitcoin und Blockchain würde diesen Menschen in der Zukunft vielleicht Zugang geben. „Daher kann man Bitcoin durchaus als ein komplementäres Produkt zum traditionellen Bankgeschäft betrachten.“

Mythos Nr. 6: Bitcoin macht den klassischen Zahlungsverkehr obsolet

Diese Frage wird auch innerhalb der Community heiß debattiert. Es gibt durchaus Währungen auf Blockchain-Basis, die blitzschnelle und sehr günstige Überweisungen ermöglichen. Bitcoin selbst gehört dank der Überlastung der vergangenen Monate aber nicht dazu. Zwar ist es in der Theorie schon noch billiger und schneller was internationale Überweisungen betrifft. Aber erst durch das aktuell debattierte Lightning-Network könne Bitcoin ernsthaft als Alternative zu den klassischen Zahlungssystemen fungieren. Und auch dann sei der Weg noch weit, so Möbert: „Heute traditionelle Zahlungsverkehrssysteme sind um das hundert- oder tausendfache leistungsfähiger als das Bitcoin-System. Die Systeme der Banken sind zudem über Jahrzehnte erprobt und stressresistent, wie sie immer wieder bewiesen haben. Die Bitcoin- Infrastruktur steckt dagegen noch in den Kinderschuhen.“

Mythos Nr. 7: Das Geldangebot von Bitcoin ist fix

Stimmt nicht, so Möbert. Denn: „In der Theorie ist das Geldangebot ab dem Jahr 2040 fix. In der Praxis dürfte das Geldangebot aber schon viele Jahre vorher schrumpfen, denn bereits heute gibt es Anekdoten von Bitcoin-Besitzern, die in den Gründerjahren nach 2009 ihr Bitcoin, das heute mehrere Millionen Euro wert wäre, verloren haben.“ Auf der anderen Seite sei eine Änderung des Protokolls durch die Community, die zu einer Ausweitung der Geldmenge führen könnte, zumindest nicht für alle Zeit auszuschließen. Auch wenn sich die Community da heute weigern würde.

Mythos Nr. 7: Bitcoin-Transaktionen und Bitcoin-Nutzer sind anonym

Dieses Märchen wird sehr gerne erzählt von Leuten, die sich nicht auskennen. Es gibt aber gute Argumente dagegen. Bitcoin ist nicht anonym sondern pseudonym. Man kann jederzeit feststellen, von welchem Konto an welches Konto Bitcoin überwiesen wurden. Lediglich die Besitzer der Konten sind unbekannt. Aber auch nicht immer. „Da aber ein Großteil der Bitcoin-Transaktionen über die Bitcoin-Börsen abgewickelt wird, dürfte die Zahl der anonymen Nutzer tatsächlich überschaubar sein. Auf nahezu allen großen Bitcoin-Börsen kann man nur Bitcoin handeln, wenn man sich zuvor mit dem Personalausweis und manchmal auch mit einem Video-Ident-Verfahren identifiziert hat.“

Fazit: Zu früh, viel zu früh

Der Deutsche-Anaylst Jochen Möbert will sich in Sachen Bitcoin noch nicht festlegen. Das Thema sei zu komplex und Fehleinschätzungen würden überwiegen: „Die potenziell disruptiven Folgen der Blockchain-Technologie sind überwältigend. Aber ähnlich groß ist die Komplexität des Themas. Entsprechend kursieren aktuell viele fragwürdige Analogien und Fehleinschätzungen. Bis die Diskussion differenzierter wird, dürfte noch einige Zeit vergehen. Ebenso dürfte sich die Technologie erst in den nächsten Jahren etablieren. Ob Bitcoin dann noch die dominierende Kryptowährung ist, bleibt abzuwarten.“ Bis dahin werden wir wohl noch eine Zeit lang mit den Bitcoin-Mythen leben müssen.

+++ “Bitcoins haben per se keinen Wert” – Erste Bank bringt “Krypto-Basics” +++

⇒ Zum Beitrag der Deutschen Bank


Disclaimer: Dieser Beitrag entstand in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) der Republik Österreich.

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Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

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Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
27.01.2025

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„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

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Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

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Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

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Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

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Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

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Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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