12.03.2024

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

Die Ressourcen fehlen, die Daten sind rar. Beim Thema inklusive Arbeitswelt ist in der Startupszene noch Luft nach oben. Julia Kruselburger von independo und Wolfgang Kowatsch von MyAbility erklären warum das so ist und was dringend geändert werden muss.
/artikel/zu-nischig-zu-kompliziert-zu-wenig-daten-so-sieht-inklusion-in-der-startupszene-aus
Julia Kruselburger sitzt auf einem Tisch (der vermutlich in einem Klassenzimmer steht), sie hat die Hände übereinander gelegt und lächelt dezent in die Kamera
Julia Kruselburge, Co-Founderin von independo analysiert, wie es um die Inklusion in der Startupszene steht (c) ungefiltert

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem aktuellen brutkasten-Printmagazin (Download-Möglichkeit am Ende des Artikels).

Wenn in Österreich Arbeitsplätze geplant, Firmen gegründet und Webseiten programmiert werden, vergisst man vielerorts 18,4 Prozent der Bevölkerung. So viele Menschen gelten laut Statistik Austria allein hierzulande als “behindert”.

Was schon bei der Erhebung vor rund zehn Jahren nicht bedacht wurde: Bereits hier wurden Daten über Menschen mit Behinderung nicht ausreichend abgedeckt, denn bei der telefonischen Umfrage wurden lediglich jene Personen befragt, die zum Zeitpunkt der Erhebung in einem eigenen Haushalt lebten. Das heißt: Gehörlose, Menschen mit einer kognitiven Behinderung sowie jene aus Pflege- und Wohnheimen fehlen bis heute in der Statistik komplett.

Ähnlich dünn sieht die Datenlage in der Startup-Szene aus: Zwar gibt jedes zweite Startup laut Austrian Startup Monitor an, soziale sowie ökologische Ziele an übergeordneter Stelle für das Unternehmen zu sehen – wie inklusiv die rund 3.000 Startups in Österreich aber tatsächlich sind, kann anhand derzeitiger Zahlen nicht überprüft werden.

Übersetzt heißt das: In Österreich leben weit mehr Menschen mit Behinderung, als offiziell bekannt ist. Bei der Entwicklung von Produkten wird daher kaum an sie gedacht.

Zwei Menschen, die sich besonders für eine inklusive Arbeitswelt einsetzen, sind Julia Kruselburger, Co-Founderin der inklusiven Kalender-App independo, und Wolfgang Kowatsch, Geschäftsführer von myAbility, einer Job- und Weiterbildungsplattform für mehr Inklusion. So unterschiedlich ihre Arbeitsbereiche sind, so einig sind sie sich, wenn es um Inklusion in der Startup-Landschaft geht. Mit brutkasten haben sie über diese Sicht gesprochen.

Ausgleich statt Inklusion

Einer der Hauptgründe für die defizitäre Inklusionslandschaft in Österreich liegt, da sind sich beide Expert:innen einig, in der Politik.

Rückblick in das Jahr 2008: Die Unterzeichnung der UN-Konvention über Inklusion hätte ein Meilenstein für diese werden können. Mit ihr verpflichtete sich Österreich unter anderem dazu, Menschen mit Behinderung das Recht auf den regulären – also dem ersten – Arbeitsmarkt zu gewähren und dieses zu fördern. Konträr dazu können Unternehmen Menschen mit Behinderung auch einfach nicht einstellen.

Das Schlupfloch heißt „Ausgleichstaxe“. Sie besagt: Jedes Unternehmen mit 25 oder mehr Mitarbeitenden ist verpflichtet, auf jeweils 25 Beschäftigte eine begünstigt behinderte Person einzustellen, durch Sonderregelungen meist sogar nur eine auf 100. Erfüllt ein Unternehmen diese Bedingungen nicht, wird zur Rechnung gebeten: Zwischen 320 und 477 Euro zahlt man pro nicht eingestellte Person mit Behinderung. Mit Hinblick auf die Unternehmensgröße der meisten Startups kann die Taxe – zumindest anfangs – getrost ignoriert werden. Wäre das die Lösung des Problems, würde der Artikel hier enden.

Nicht am Schirm: Bedürfnisse durch Einbindung decken

Doch das Problem ist damit nicht gelöst, im Gegenteil: Durch die Möglichkeit, Menschen mit Behinderungen nicht einzubinden, wird ihre Unsichtbarkeit am Arbeitsmarkt verstärkt. „Unternehmen haben teilweise nicht am Schirm, dass es Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt“, erklärt Kruselburger. „Wirkliche Fortschritte“ sieht die Gründerin in der Politik ebenso wenig wie in der Startup-Landschaft. „Wir leben im 21. Jahrhundert, fliegen zum Mond, aber einen digitalen Kalender für Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt es nicht? Das war für mich damals unverständlich.“ An vielen Ecken gebe es Aufklärungsbedarf.

Wir leben im 21. Jahrhundert, fliegen zum Mond, aber einen digitalen Kalender für Menschen mit Lernschwierigkeiten gibt es nicht? Das war für mich damals unverständlich.

Julia Kruselburger, Co-Founderin von independo

Wenn Kruselburger über ihre Inklusionsarbeit spricht, stößt sie innerhalb der Szene gleichermaßen auf Zuspruch und Wissenslücken. Immer wieder muss sie etwa den Nutzen ihres Produkts und die Relevanz von Inklusion erklären. „Wenn wir auf unser Produkt eingehen, stellen wir oft fest, dass die Menschen kaum Berührungspunkte mit Inklusion haben. Die meisten sind erst einmal sprachlos und wissen überhaupt nicht, was sie mit dem Thema anfangen sollen, warum es für einen Kalender Symbole oder überhaupt Alternativen für textbasierte Informationen und Kommunikation braucht“, erzählt die Gründerin.

„Gerade bei der Entwicklung von Technologien ist es unumgänglich, die Zielgruppe bereits im Gestaltungsprozess miteinzubeziehen.“

Verständnis für die Berührungsängste habe sie aber trotzdem, denn sie weiß: Dass sie Inklusion von klein auf erlebt hat, ist eher ungewöhnlich. Als Kind verbrachte sie ihre Sommerferien in inklusiven Camps. „Meinen Eltern war das Thema immer wichtig, obwohl wir keinen persönlichen Bezug zu Menschen mit Behinderungen haben“, erinnert sie sich.

Als sie Jahre später gemeinsam mit ihrem Team rund um Konstantin Strümpf, Michael Höchtl und Daniel Harringer ein inklusives Produkt entwickeln möchte, ist klar: Das geht nur mit Hilfe von Menschen, die es tatsächlich betrifft. „Gerade bei der Entwicklung von Technologien ist es unumgänglich, die Zielgruppe bereits im Gestaltungsprozess miteinzubeziehen, besonders im Bereich der assistiven Technologien und unterstützten Kommunikation, weil wir die Bedürfnisse gar nicht richtig einschätzen können“, erklärt die Gründerin. Von Anfang an arbeitet das Startup daher mit Vereinen für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Sonderschulen zusammen.

Was fehlt, sind die Ressourcen

Die Zielgruppe nicht nur weiter zu denken, sondern zu inkludieren, rät auch Wolfgang Kowatsch seinen Kund:innen. Als er gemeinsam mit Gregor Demblin, seinem Geschäftspartner von myAbility, 2009 sein erstes Inklusionsprojekt startete, war Inklusion noch nicht einmal als Wort im Sprachgebrauch. Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu „integrieren“ bedeutete damals beispielsweise, blinde Personen in einem Callcenter arbeiten zu lassen, aber sie weiterhin als gesonderte Gruppe wahrzunehmen, erzählt der Co-Founder.

„Ich habe den Eindruck, dass die Awareness bezüglich gewisser Diversitätsdimensionen wie Herkunft oder sexuelle Orientierung hoch ist. Menschen mit Behinderungen sind in der Startup-Szene hingegen kaum sichtbar“, analysiert Kowatsch. Das könne auch mit den langen Arbeitszeiten, gerade in der ersten Phase, zusammenhängen. „Für Menschen mit Behinderungen ist das nicht immer möglich.“ Zudem müsse man bedenken, dass Zeit in die Organisation rund um unterstützende Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel persönliche Assistenz, fließe.

Was es braucht, sind Angebote

„Also haben wir unterstützende Beratungsangebote und Trainings für Unternehmen entwickelt, um das fehlende Inklusionsverständnis zu reduzieren“, erzählt er. Heute bietet myAbility weit über 5.000 Jobchancen für Menschen mit Behinderungen im gesamten DACH-Raum an. „Wir wachsen speziell in Deutschland stark und können immer mehr Unternehmen überzeugen, all ihre Stellen bei uns auszuschreiben. Das ist ein wichtiger Schritt Richtung mehr Inklusion, wenn man nicht mehr einzelne Stellen selektiert, sondern für alle Positionen Menschen mit Behinderungen zur Bewerbung einlädt“, betont Kowatsch. Neben dem Unwissen über Inklusion scheitern Unternehmen häufig an Ressourcenmangel und im Zuge dessen an fehlender strukturierter Diversity- und Inklusionsarbeit, reflektiert er.

Wolfgang Kowatsch, Co-Founder und Geschäftsführer von MyAbility. Mit seinem Co-Founder Gregor Demblin hilft er Unternehmen auf dem Weg zu einer inklusiven Arbeitswelt. (c) Renée del Missier

Unternehmen müssen jetzt digital inklusiv werden

Luft nach oben gebe es neben den Wissenslücken auch beim Umgang mit Accessibility-Guidelines, betont Kruselburger. Das Problem der aktuellen Accessibility-Guidelines liege darin, dass diese nicht für jede Behinderung funktionieren, erklärt die independo-Gründerin. „Während blinde Personen oder jene mit Sehbehinderungen von den Guidelines abgeholt werden, fühlen sich Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Sprachbehinderungen digital überhaupt nicht inkludiert.“ Der Fokus müsse hier viel genauer werden. „Wenn die Richtlinien unzureichend oder nicht für alle inklusiv aufgestellt sind, können sich Unternehmen noch so sehr interessieren und motiviert sein, sie werden trotzdem auf Barrieren stoßen“, so Kruselburger.

Zumindest in dieser Hinsicht ist Besserung in Sicht: Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsgesetzes European Accessibility Act, das Unternehmen dazu verpflichtet, in Sachen Inklusion digital aufzurüsten, soll sich einiges ändern.

Menschen mit Behinderungen sind in der Startup-Szene kaum sichtbar.

Wolfgang Kowatsch, Geschäftsführer und Co-Founder von myAbility

Ab Juni 2025 müssen alle Online-Dienstleistungen barrierefrei gestaltet sein. Independo scheint dafür wie gemacht – schon jetzt sei die Nachfrage von Unternehmen und staatlichen Institutionen im Hinblick auf die Gesetzesnovelle groß, erzählt die Gründerin. Künftig soll die Übersetzung auch für andere Technologien, etwa Buchungstools oder Straßenkarten, nutzbar gemacht werden. „Wir möchten es für Menschen mit Lernschwierigkeiten möglich machen, beispielsweise Therapiestunden über herkömmliche Buchungssysteme selbst zu buchen, ohne die Hilfe anderer zu benötigen.“

Zu nischig: Wenn die Förderungen ausbleiben

Dass independo weit vorn in der Reihe der inklusiven Produkte steht, hat auch bei den Förderungsanträgen geholfen. „Bei Förderprogrammen, die auf Impact-Themen fokussiert sind, haben wir durch unsere Zusammenarbeit mit der Zielgruppe und unsere Technologie gute Argumente geliefert. Was Programme für Social Enterprises betrifft, gibt es aber meiner Meinung nach immer noch zu wenig für Startups“, kritisiert Kruselburger. Der entscheidende Punkt liege auch beim Konkurrenz-Thema. Schon öfter habe sie erlebt, dass es anderen Unternehmen, die auch Sichtbarkeit für Inklusion schaffen wollen, aber keine Softwareprodukte anbieten, deutlich schwerer fällt, zu konkurrieren. Förderungen für jene Unternehmen bleiben oft aus oder sind viel schwieriger zu bekommen. „In unserem Bereich ist ein Unternehmen schnell einmal zu nischig – das ist auch ein großes Problem.

Treffen kann es alle

Neben inklusiven Ideen werden häufig auch die Fähigkeiten der Menschen kaum gesehen. „Es gibt Menschen mit Behinderungen, die Sachen viel, viel besser können als eine Person ohne Behinderung“, betont Kruselbruger. Unternehmen sollten sich auch damit befassen, wie sie von Inklusion profitieren können – „sowohl wirtschaftlich als auch produkt- oder innovationstechnisch“. Die Größe der zusätzlichen Zielgruppe unterstreicht diesen Gedanken: Laut Schätzungen sind rund 15 Prozent der Weltbevölkerung Menschen mit Behinderung. Was die meisten außerdem nicht bedenken: „Behinderung kann früher oder später alle treffen. Es ist Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.“

Sichere dir das brutkasten-Magazin in digitaler Form!

Trag dich hier ein und du bekommst das aktuelle brutkasten-Magazin als PDF zugeschickt und kannst sofort alle Artikel lesen!

Du erhältst mit der Anmeldung künftig auch Zugang für unseren Startup-Newsletter, den wir drei Mal pro Woche verschicken. Du kannst dich jederzeit unkompliziert wieder abmelden.

Deine ungelesenen Artikel:
27.01.2025

Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
/artikel/no-hype-ki-folge-5
27.01.2025

Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
/artikel/no-hype-ki-folge-5

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie “No Hype KI” diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

“Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”

“Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. “Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören”, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als “Key Technology” im KI-Bereich. Für “Women in AI” spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: “Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.” Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was “open” sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. “2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.” Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: “Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.” Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: “Wir setzen genau so auf hybrid.”

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. “Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.”

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. “Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden”, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in “Compliance-Fallen” führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: “Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.” Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: “Man kann nicht immer gleich die neueste ‘bleeding edge’-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.”

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. “Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich”, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. “KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht”, so Böttcher.

“Rechenleistungs-Hunger” von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. “Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur”, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der “Rechenleistungs-Hunger” sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: “Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.” Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. “Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar”, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. “Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben”, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: “Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.”

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: “Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.” Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. “Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann”, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. “Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist”, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? “Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen”, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: “Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.” Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die “Pioniere” im Unternehmen. “AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen”, so Ratheiser.

“Einfach einmal ausprobieren”

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: “Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.” Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: “Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.” Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Zu nischig, zu kompliziert, zu wenig Daten. So sieht Inklusion in der Startupszene aus