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Wir zahlen ständig digital. Auf den ersten Blick klingt der von der Europäischen Zentralbank (EZB) geplante “digitale Euro” also nach keiner großen Änderung. Tatsächlich wären die Auswirkungen aber massiv. Denn die digitale Version der Währung wäre wie Bargeld handzuhaben, nur eben virtuell. Man bräuchte für digitale Zahlungen also bloß eine Wallet und nicht wie bislang ein Bankkonto.
Kann der digitale Euro das nicht gehaltene Bitcoin-Versprechen erfüllen?
Davon könnten nicht nur all jene stark profitieren, die aus unterschiedlichen Gründen kein Bankkonto haben können. Denn sie wären perspektivisch nicht mehr von allen Zahlungen ausgeschlossen, die heute digital erfolgen müssen – womit es dem digitalen Euro gelingen könnte, ein nicht gehaltenes Versprechen von Bitcoin zu erfüllen: “bank the unbanked”. Generell würden in der Wallet für das einfache Halten von Geldvermögen keine Gebühren oder Zinsen anfallen – das könnte für einen noch viel größeren Personenkreis interessant sein.
Banken geben sich via Wirtschaftskammer kritisch
Soweit zu den Versprechungen des digitalen Euro. Doch natürlich gibt es auch Kritik am Konzept. Und die kommt – nicht ganz überraschend – von Seiten der Banken bzw. deren Interessensvertretungen. Schließlich geht es um den potenziellen Verlust von Kundschaft bzw. Einlage-Vermögen.
Hierzulande brachte sich nun die Wirtschaftskammer mit einer Studie gegen die EZB-Digital-Währung in Position. Konkret der Obmann der Bundessparte Bank und Versicherung Willibald Cernko, der (nicht ganz) nebenbei auch CEO von Österreichs größter Bankengruppe Erste Group ist. Für die Studie beauftragt wurden die deutschen Ökonomen Peter Bofinger und Thomas Haas von der Uni Würzburg.
Cernko fürchtet um Sicherheit und Privatsphäre
“Eine derart weitgehende europäische Weichenstellung wie die Einführung eines digitalen Euro braucht klare Antworten auf die vielen offenen Fragen dieses Projektes. Schließlich geht es unter anderem um die Sicherung der Wahlfreiheit beim Bezahlen, die Sicherheit des Geldes und den Schutz der Privatsphäre”, so Cernko in einer Aussendung.
“Grundlegender Eingriff in das Geld- und Finanzsystem”
Der digitale Euro sei ein grundlegender Eingriff in das Geld- und Finanzsystem, meint Bofinger. Die EZB begebe sich damit in ein Geschäftsfeld, das bisher rein privat von Banken und Zahlungsdienstleistern betrieben wurde. Aus ordnungspolitischer Sicht lasse sich das nur rechtfertigen, wenn ein Marktversagen identifiziert werden könne. Das sei bislang jedoch nicht gelungen, argumentiert der Ökonom.
Bofinger sieht “keine überzeugenden Anwendungsfälle” für digitalen Euro
Er sieht zudem “keine überzeugenden Anwendungsfälle” und erwartet: “Wer nicht möchte, dass seine Zahlungen in irgendeiner Weise erfasst werden, wird auch weiterhin anstelle des digitalen Bargelds das altbewährte physische Bargeld verwenden”.
Digitaler Euro: Zwang zu Gratis-Kontos für Banken?
“Den allenfalls mit Mühe erkennbaren Vorteilen stehen erhebliche Kosten gegenüber, da für den digitalen Euro eine parallele, komplett neue Zahlungsverkehrsinfrastruktur geschaffen werden muss”. konstatiert Bofinger weiter. Die EZB wolle dazu Zahlungsdienstleister und Banken verpflichten, behauptet der Ökonom. Zweitere sollen das Eröffnen und das Führen von digitalen Euro-Konten ermöglichen. “Aus ordnungspolitischer Sicht ist das ähnlich absurd, wie wenn man Bäcker verpflichten würde, neben ihrem regulären Angebot kostenlose Euro-Semmeln anzubieten, weil der Verzehr von Semmeln ein Grundrecht darstelle”, so Bofinger.
Zudem befürchtet der Wissenschaftler, dass US-Zahlungsdienstleister ihre Position in der EU durch die Einführung des digitalen Euro verstärken könnten. Auch Ängste vor der Abschaffung des Bargelds bringen sie ins Spiel, ebenso wie jene vor “digitalen bank runs”.
Fehlende Obergrenze als Gefahr für Banken-Refinanzierung
Problematisch sei auch, dass keine verbindliche Obergrenze für das Halten von digitalen Euros vorgesehen ist. “Ohne Obergrenze besteht die Gefahr, dass Guthaben über 100.000 Euro die zu Wertspeicher-Zwecken gehalten werden, von den Geschäftsbanken auf die EZB übertragen werden. Die Banken würden damit größere Teile ihrer Refinanzierung verlieren und damit deutlich stärker als bisher in ihrem Kreditgeschäft von der Refinanzierungspolitik der EZB abhängig werden”, heißt es dazu in der Aussendung.
Ökonomen empfehlen von Banken getragene Alternative
Als Alternative empfehlen die Ökonomen die von einer Reihe von europäischen Banken und Zahlungsdienstleistern getragene European Payments Initiative (EPI), die an einem eigenen elektronischen Zahlungssystem für ganz Europa arbeitet. Im Gegensatz zum digitalen Euro könne man bei diesem die bestehenden Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen nutzen, so die Ökonomen. Zudem wäre der Verbreitungsbereich mit der gesamten EU, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich deutlich größer als beim digitalen Euro, der auf den Euroraum begrenzt wäre.