15.02.2023

“Wir impfen Saatgut” – Tullner AgriTech-Startup bietet Alternative zur Düngerproduktion

Das niederösterreichische AgriTech-Startup Ensemo bietet eine nachhaltige Lösung für Saatgut in der konventionellen Landwirtschaft an. Mit ihrer Technologie können Mikroorganismen in Saatkörner eingeschlossen werden. Damit wollen sie eine umweltfreundliche Alternative zur Düngerproduktion bieten.
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Das Ensemo-Team von links: Marija Gumze (Agronomin), Birgit Mitter (Co-Founderin und Mikrobiologin), Nicolas Gerstenmayer (Mechatroniker) und Nikolaus Pfaffenbichler (Co-Founder und Lebensmitteltechnologe) © Ensemo
Das Ensemo-Team von links: Marija Gumze, Birgit Mitter (Co-Founderin), Nicolas Gerstenmayer und Nikolaus Pfaffenbichler (Co-Founder) © Ensemo

“Wir werden das 1.5 Grad Ziel nicht erreichen. Aber wir hoffen, dass wir mit unserer Arbeit einen Beitrag dazu leisten können, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Gerade was die Primärproduktion betrifft, wird das immer schwieriger werden – auch in Österreich”, erklärt Lebensmitteltechnologe Nikolaus Pfaffenbichler von Ensemo im brutkasten-Gespräch. Das Niederösterreichische AgriTech-Startup hat eine Technologie entwickelt, mit der es für die konventionelle Landwirtschaft Alternativen für chemische Düngemittel und Wachstumsförderer anbieten will. In seiner Arbeit kombiniert Ensemo die Biologie mit der modernen Mechatronik. 

“Wir impfen Saatgut”, fasst Co-Founderin und Mikrobiologin Birgit Mitter das Unternehmenskonzept zusammen. Ebenso wie wir Menschen, sind nämlich auch Pflanzen von Bakterien besiedelt. Für eine gesunde Entwicklung sei das notwendig. Bei Ensemo haben Mitter und Pfaffenbichler daher eine Methode entwickelt, um für die Landwirtschaft nützliche Bakterien oder Pilze im Saatgut einzusetzen.

Die SeedJection-Technologie von Ensemo

Im Rahmen ihrer selbst entwickelten SeedJection-Technologie werden Saatkörner festgehalten und geöffnet, ein Mikroorganismus wird injiziert und das Saatkorn abschließend wieder verklebt. Die jeweiligen Pilze oder Bakterien vermehren sich dann, wenn der Samen keimt und können dementsprechend wirken. Ein Beispiel wäre, dass der Pflanze dabei geholfen wird, Luftstickstoff  oder Phosphor aufzunehmen. Da Stickstoff in der Düngerproduktion einen äußerst umweltschädlichen Prozess darstellt, will das Startup eine nachhaltigere Alternative bieten.

Ensemo richtet sich an Saatgutunternehmen

Das 2021 gegründete Tullner Startup richtet sich mit seinen bearbeiteten Saatkörnern an Saatgutproduzenten. Zum geplanten Europa-Marktstart in 2024 werde man sich auf die Vertriebsnetze dieser Unternehmen verlassen. Das aktuell vierköpfige Team von Ensemo plant bis Ende 2023 auf circa sieben Personen zu wachsen. Bisher ist das Spin-off des Austrian Institute of Technology (AIT) durch Förderungen von aws und FFG sowie Investments finanziert. Nicht zuletzt ist es auch Teil des accent-Inkubators.

Die perfekte Kombination aus Pflanze und Mikroorganismus

Wo das von Ensemo bearbeitete Saatgut überall eingesetzt werden kann, hängt laut Pfaffenbichler von mehreren Faktoren ab. Obwohl es aus technischer Perspektive keine Einschränkungen gebe, in welchen Kontexten das Saatgut eingesetzt werden kann, sei man bei den Sorten auf eine gewisse Größe beschränkt. Das Korn könne man nämlich nur bis zu einer bestimmten Größe fixieren. Aktuell arbeitet das Startup vor allem mit größeren Früchten wie Mais und Soja. Zudem bestimmen auch geografische Faktoren, wie gut die Bakterien mit den jeweiligen Bodenbedingungen umgehen können. 

Weiterhin stellt sich stets die Frage danach, welche Mikroorganismen in welchen Pflanzen sinnvoll sind. “Denn nur weil ich ein Bakterium habe, das im Mais zu einer besseren Wurzelbildung und damit zu einer gewissen Trockenstressresistenz führt, heißt das noch lange nicht, dass dieses Bakterium auch mit Soja funktioniert”, sagt Pfaffenbichler. Die perfekte Kombination aus Pflanzentyp und Mikroorganismus zu identifizieren sei daher nicht nur Alltag sondern auch Herausforderung.

Seit 40 Jahren “fünf vor zwölf”

Welchen Einfluss Startups wie Ensemo in der Zukunft haben werden, wird sich noch zeigen. Auch Birgit Mitter ist der Meinung, dass das 1.5 Grad Ziel nicht mehr erreicht werden kann und es zukünftig eher darum gehen wird, wie man mit den Folgen des Klimawandels umgehen kann. “Ich bin in den 1980er Jahren in die Schule gegangen, als man uns schon beigebracht hat, dass es ‘fünf vor zwölf’ ist. Heute sprechen wir immer noch von ‘fünf vor zwölf’ – das ist schwer zu glauben”, so Mitter. Sie bedauert es, dass es bisher zu keinem radikalen Umschwung kam und geht davon aus, dass das auch noch eine Weile dauern wird. “Ich fürchte, es wird sich so lange nichts ändern, bis der Europäer oder der Nordamerikaner die Folgen des Klimawandels am eigenen Leib spürt”, meint Mitter abschließend.

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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