08.06.2020

Wr. Neustädter Space-Startup Tumbleweed: Von der Garage bis zum Mars

Das heimische Startup Tumbleweed baut einen windgetriebenen Marsrover, der fast eine Tonne leichter ist als sein berühmter Vorgänger "Curiosity". Mit den rund 20 Kilogramm schweren Mars-Erkundern soll die "Deep Space Exploration" einen breiteren Anstrich bekommen, wie Co-Founder Nicola Weiroster erklärt.
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Tumbleweed, Mars, Marsrover, ESA, NASA, Curiosity, Nicola Weiroster, Inkubator, Incubator, ESA-Incubator
(c) Tumbleweed - Wiener Startup Tumbleweed baut mit 58 Mitgliedern an vier Orten einen neuartigen Marsrover.

“Völlig losgelöst von der Erde”. Wo Peter Schilling mit seinem Lied tausende Kehlen zum Singen bringt, da möchten Julian Rothenbuchner, Moritz Stephan und Nicola Weiroster mit ihrem Startup Tumbleweed einen anderen Zugang zum Weltall etablieren. Genauer gesagt planen die drei Founder für die Nutzung des Mars und dessen Erforschung einen kommerziellen und standardisierten Anstrich zu verpassen – und dabei kostensparend zu agieren. “From a garage in Vienna to the Red Planet” steht auf der Webseite des Unternehmens. Angefangen hat alles jedoch während einer öden Zeichenstunde.

+++ Elon Musk: Stadt am Mars benötigt 1000 Raumschiffe und 20 Jahre +++

Tumbleweed nutzt Windgeschwindigkeit des Mars

“Wir waren schon immer interessiert am Weltraum. Julians und Moritz damaliger Physiklehrer hat beide dann auf den ‘Odysseus Space Contest‘ aufmerksam gemacht. Der Gewinner im letzten Jahr war ein Rover. Das hat die Idee initialisiert. Wir wollten aber keinen herkömmliches Mars-Gefährt bauen, sondern einen anderen, effizienteren, simpleren Ansatz wählen. Während einer langweiligen BE-Stunde haben wir dann einige Papers gelesen, in denen die enormen Windstärken (Anm.:  bis zu 360 km/h) auf dem Mars untersucht wurden. Da wurde direkt die Idee geboren diese zu nutzen.”, erklärt Mitgründer Weiroster.

In 20 Tagen den halben Pol am Mars erforschen

Für das Konzept des Tumbleweeds hat das Startup Anleihen an der Natur genommen und sich alter Cowboy-Movies als Stilmittel bedient. Die “Steppenläufer”, wie man sie aus dramatischen Szenen in Western-Filmen kennt, dienen als Design-Vorlage. So sollen große Flächen abgedeckt werden und das bei minimaler Komplexität und Kosten, so die Idee: Die Winde treiben dabei die Tumbleweed “randomly” in Richtung des Mars-Äquators , während diese Daten sammeln. Dabei können die einzelnen Maschinen für jede Mission individuell konfiguriert werden und so für eine kostenarme Lösung sorgen. Für rund 50 Prozent Erforschung des Nordpols am Mars soll der Tumbleweed rund 20 Tage brauchen.

Sieg beim Odysseus Space Contest

“Nach der Idee haben wir einen ersten Prototypen gebaut und bei dem ‘Odysseus Space Contest’ teilgenommen und sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gewonnen. In der Jury waren damals Experten von unzähligen Weltraumorganisationen wie der ESA, ArianeSpace, Airbus, die uns sehr positives Feedback gegeben haben. Das war für uns ein großer Ansporn das Projekt weiter zu verfolgen” so Weiroster weiter.

Tumbleweed: Weniger spezialisiert und breiter nutzbar

Zwischen herkömmlichen Rovern und Tumbleweed herrscht eine komplett andere Designphilosophie. Konventionelle Rover, wie unter anderem “Curiosity”, sind teure und hoch spezialisierte Unikate. Der Tumbleweed soll in größeren Stückzahlen produziert werden und ein standardisiertes Interface für Forschungsinstrumente bieten.

Vier Flächen für ein Optimum an Windnutzung

Die “tetrahedrally” (vierflächig) angeordneten Segel sollen für eine optimale Windnutzung sorgen und eine maximale Areal-Abdeckung ermöglichen. In mehr als 100 Simulationen in einem virtuellen Windtunnel wurde ein Strömungswiderstandskoeffizient festgestellt, der um 103 Prozent höher ist, als vergleichbare Daten eines NASA-Tumbleweeds aus dem Jahre 2004.

Curiosity als Punktmessungs-Gerät statt Schwarmforschung

Zudem werden der Tumbleweed und “Curiosity” für andere Use Cases verwendet. Der Rover des Startups ermöglicht eine schnelle, großflächige Exploration der Marslandschaft, sowie ein Schwarmforschungs-Konzept. “Curiosity kann sich indes im Vergleich nur sehr langsam bewegen, die Daten sind beinahe Punktmessungen”, erklärt der Erfinder.

Solarzellen und Lithium-Batterie

Die sechs Segel des “österreichischen Rovers” wurden zudem mit je sechs Reihen kristallinen Solarzellen bestückt. Das soll ausreichend Elektrizität erzeugen, um die gesamte Elektronik am Laufen zu halten und eine Lithium-Batterie für Nacht-Missionen anzutreiben.

Eigener Fallschirm inkludiert

Weiters, so Weiroster, zeichnet sich der Tumbleweed durch seine niedrige Komplexität aus. Mit weniger beweglichen Teilen sollen Kosten und Risiko gesenkt werden. Während der EDL-Phase (Entry, Descent, Landing) ist der Tumbleweed sein eigener Fallschirm und muss nicht mit hochkomplexen und riskanten Manövern gelandet werden.

Tumbleweed, Mars, Marsrover, ESA, NASA, Curiosity, Nicola Weiroster, Inkubator, Incubator, ESA-Incubator
(c) Tumbleweed – Das Tumbleweed-Team möchte noch heuer in Israel einen Testlauf mit ihrem Rover durchführen.

Tumbleweed: 20 statt 1000 Kilogramm

“Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das geringe Gewicht. Curiosity wiegt etwa eine Tonne, der Tumbleweed 20 Kilogramm. Im Weltall, wo Gewicht ein starker Treiber ist, können so Missionskosten massiv gesenkt werden. Unsere Vision ist es ‘Deep Space Exploration’ für einen großen Personenkreis zu eröffnen. Wir sehen uns hier als Enabler für Forscher, denen wir eine standardisierte Plattform bieten, auf der sie ihre Instrumente implementieren können”, sagt Weiroster.

Dafür ist die Kommunikation ein Schlüsselelement. Da der Tumbleweed sich zufällig bewegt, nutzt das Unternehmen omnidirektionale Antennen, um mit Satelliten im Mars-Orbit zu interagieren.

Test in der Negev-Wüste in Israel im Herbst

Aktuell befindet sich das Startup in der finalen Phase den Erd-Prototypen fertig zu stellen. Dieser soll im Oktober 2020 in der Negev Wüste in Israel im Zuge einer Mars-Analog-Mission getestet werden. Parallel dazu wird bereits seit Ende letzten Jahres am nächsten Prototyp gewerkelt, der schon sehr viel näher an einem “space-grade”-Rover herankommen wird.

Launch ist für 2028 geplant

“Nach Zeitplan werden wir 2026 mit der Entwicklung des Rovers fertig sein. Ab da werden wir uns vorrangig mit Themen wie der Integration von ‘Payloads’, Integration der Rover in der Rakete und ‘Gound Segment’ beschäftigen.”, sagt Weiroster. “Im Jahr 2028 werden Tumbleweeds dann launchen. Aktuell ist eine Mission mit etwa 100 Stück geplant. Die genaue Zahl kann man jetzt aber noch nicht abschätzen, das ist völlig nachfragegetrieben. Aber natürlich würde auch eine Mission mit weniger Tumbleweeds einen signifikanten Erkenntnisgewinn bedeuten.”

Die Beschaffung jener Erkenntnisse ist jene Maxime, mit der das Startup seine Philosophie antreibt. Besonders hinsichtlich kommerzieller Nutzung des Roten Planeten. Man sieht sich eigener Definition nach als “Enabler” für Forschung und Industrie.

“Payload Units verkaufen”

“Grundsätzlich werden wir den Platz in den ‘Payload Units’ verkaufen, ganz analog zum CubeSat-Modell (Anm. Kleinsatelliten). Es gibt unzählige Anwendungsfelder für den Tumbleweed, viele davon sind im Forschungsbereich und zielen darauf ab das Verständnis über den Planeten zu erweitern. Dadurch erhoffen wir uns Erkenntnisse, die möglicherweise den Weg für den ersten Menschen am Mars ebnen”, sagt Weiroster.

Mars, Marsrover, ESA, NASA, Curiosity, Nicola Weiroster, Inkubator, Incubator, ESA-Incubator
(c) Tumbleweed/ FB – Tumbleweed-Co-Founder Weiroster: “Es geht darum herauszufinden, welche kommerziellen Chancen es am Mars gibt.”.

Kommerzielle Chancen am Mars

Weiters führt Weiroster aus: “Hinsichtlich der Frage nach kommerziellen Use Cases denken wir, dass die Auffindung von Ressourcen und der Test von Materialien besonders interessant sind. Eine kommerzielle Nutzung ist aber noch etwas entfernt. Heute geht es allein darum, herauszufinden, welche kommerziellen Chancen es überhaupt am Mars gibt”.

Die Partner des Projekts

Unterstützt wird das Startup von Voestalpine Böhler mit finanzieller Zuwendung, aber auch mit Titanteilen aus dem 3D-Druck. Weitere Partner sind die FH Wiener Neustadt, Joanneum und das österreichische Weltraum Forum. Das Highlight jedoch ist seit diesem Jahr die Zusammenarbeit mit der ESA (European Space Agency).

ESA-Inkubator

Das “Business Incubation Programm” der ESA ist ein zweijähriger Prozess, in dem man neben einer Fördersumme auch Beratungsleistung der Weltraum-Agentur und ihren Partnern bekommt. Dafür hat die  supranationale Organisation in jedem ihrer Mitgliedsstaaten Startup-Center eingerichtet, beziehungsweise kooperiert mit Inkubatoren. In Österreich gibt es zwei davon, accent in Wiener Neustadt und SPG in Graz.

“Space Connection” nötig

“Der Ablauf bei der ESA verhält sich wie bei den meisten Inkubatoren und Förderungen. Zuerst gibt es eine Einreichung mit Businessplan und Pitch. Wichtig ist dabei ein Bezug zum Weltraum, die sogenannte ‘space connection’. Das kann entweder upstream (Entwicklung von Weltraumtechnologie) oder downstream (Weltraumechnologie für Erdanwendungen verwenden) sein”, erklärt Weiroster.

Von Wien bis Palo Alto

Das Studentische Startup hat insgesamt 58 Mitglieder an vier Standorten: Wien, Delft (NL), Palo Alto, Aarhus (DK). Das Team verfügt über unterschiedlichen Kompetenzen. “Die kulturelle Komponente ist hierbei natürlich sehr spannend, man lernt ambitionierte Studenten aus unzähligen Ländern kennen, schließt Freundschaften und lernt voneinander. Der Austausch funktioniert über Videochat – und das war auch schon vor Corona so. Wir haben in Wien gestartet und hier auch dementsprechend das diverseste Team mit einem Großteil der nicht-technischen Gruppen.”, sagt Weinroster. In den Niederlanden sitzen zudem noch Techniker, die an der Rover-Hardware, der Software und Elektronik arbeiten, während sich in Aarhus ein Science-Team mit Anforderungen der Wissenschaft an den Rover beschäftigt.

Silicon Valley und das Weltall

Und auch das Silicon Valley darf in dieser Aufzählung nicht fehlen. Weiroster dazu: “In Palo Alto haben wir auch ein Team aus Software Entwicklern. Und bauen dort Kontakte zur amerikanischen Weltraumindustrie auf.”


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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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AI Summaries

Wr. Neustädter Space-Startup Tumbleweed: Von der Garage bis zum Mars

  • Wo Peter Schilling mit seinem Lied tausende Kehlen zum Singen bringt, da möchten Julian Rothenbuchner, Moritz Stephan und Nicola Weiroster mit ihrem Startup Tumbleweed einen anderen Zugang zum Weltall etablieren.
  • Genauer gesagt planen die drei Founder der Nutzung des Mars und dessen Erforschung einen kommerziellen und standardisierten Anstrich zu verpassen – und dabei kostensparend zu agieren.
  • Die Winde sollen die Tumbleweed “randomly” in Richtung des Mars-Äquators treiben, während diese Daten sammeln.
  • Für rund 50 Prozent Erforschung des Nordpols am Mars soll der Tumbleweed rund 20 Tage brauchen.
  • Konventionelle Rover, wie unter anderem “Curiosity” sind teure, hoch spezialisierte Unikate.
  • Der Rover des Startups ermöglicht eine schnelle, großflächige Exploration der Marslandschaft, sowie ein Schwarmforschungs-Konzept.
  • Da der Tumbleweed sich zufällig bewegt, nutzt das Unternehmen omnidirektionale Antennen, um mit Satelliten im Mars-Orbit zu interagieren.
  • Das Studentische Startup hat insgesamt 58 Mitgleider an vier Standorten: Wien, Delft, Palo Alto, Aarhus.

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  • Für rund 50 Prozent Erforschung des Nordpols am Mars soll der Tumbleweed rund 20 Tage brauchen.
  • Konventionelle Rover, wie unter anderem “Curiosity” sind teure, hoch spezialisierte Unikate.
  • Der Rover des Startups ermöglicht eine schnelle, großflächige Exploration der Marslandschaft, sowie ein Schwarmforschungs-Konzept.
  • Da der Tumbleweed sich zufällig bewegt, nutzt das Unternehmen omnidirektionale Antennen, um mit Satelliten im Mars-Orbit zu interagieren.
  • Das Studentische Startup hat insgesamt 58 Mitgleider an vier Standorten: Wien, Delft, Palo Alto, Aarhus.