27.09.2022

Wiener FinTech: Diese Maßnahmen bringen Basis-Wissen über Finanzen in die Gesellschaft

Das FinTech Froots möchte Private Banking für alle anbieten. Co-Founder David Mayer-Heinisch erklärt im Interview, wieso er sich ein Basiswissen über den Kapitalmarkt in der Gesellschaft wünscht und was man dafür tun kann.
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Froots-Co-Founder David Mayer-Heinisch auf dem European Forum Alpbach 2022 © Froots
Froots-Co-Founder David Mayer-Heinisch auf dem European Forum Alpbach 2022 © Froots

“Wir machen das langweiligste der Welt: Langfristige Veranlagung”, erklärt Froots-Co-Founder David Mayer-Heinisch im Video-Interview über seinen Office-Bildschirm im ersten Wiener Gemeindebezirk. Beim FinTech-Startup Froots ist man überzeugt: Viel zu wenige Menschen kennen sich mit ihren Finanzen aus. Um das eigene Leben planen zu können, müsse es allerdings ein gewisses Grundwissen über den Kapitalmarkt geben. Dieses Thema will das Startup hinter dem Founder-Duo David Mayer-Heinisch und Dirk van Wassenaer anpacken. Begriffe wie “financial literacy” oder “financial education” hält Mayer-Heinisch dabei für viel zu kompliziert definiert. “Meiner Meinung nach ist das aber eigentlich ein völlig normales Life skill, um an dieser komplexen Welt, in der wir leben, teilzuhaben”, so der Co-Founder. Froots will diese komplizierten Barrieren abschaffen. Finanzbildung leiste einen großen Beitrag zur finanziellen Unabhängigkeit der Menschen, ist Mayer-Heinisch überzeugt. Diese Meinung hat er auch auf dem European Forum Alpbach 2022 vertreten und hat hier im Rahmen eines “Financial Retreats” mit Expert:innen verschiedener Fachrichtungen mögliche Lösungen diskutiert. Im brutkasten-Interview erklärt der Gründer außerdem, wie sein Vater bei ihm im Alter von 12 Jahren die Neugier am Kapitalmarkt geweckt hat und welche beiden Punkte seiner Meinung nach den größten Impact in der österreichischen Gesellschaft hätten.

Was ist deiner Meinung nach der Vorteil, wenn mehr Menschen das Thema Finanzen auf der Agenda hätten und sich ein Grundwissen aneignen könnten?

Wir profitieren alle davon, wenn es mehr soziale Mobilität gibt. Wenn wir alle im Lotto gewinnen würden, ohne dass wir Finanzbildung haben, bringt das langfristig niemandem etwas. Wir in Europa nutzen die Chancen des Kapitalmarkts überhaupt nicht. Wir strukturieren unsere Finanzen nicht und lassen dabei sehr viel Rendite auf der Strecke. In diesem Jahr verlieren bspw. Sparbücher 10 Prozent an Kaufkraft – umgerechnet ist das sehr viel Geld, das Österreicher:innen damit verlieren. Reiche Menschen haben ein großes Exposure zum Kapitalmarkt und lassen ihr Geld für sich arbeiten. Arme Menschen arbeiten fleißig jeden Tag und geben das Geld, das am Ende des Monats übrig bleibt, auf ihr Sparkonto, wo es dann an Wert verliert. Wir können nicht mit Geld umgehen und daher ist es essentiell, dies den Menschen früh beizubringen.

Wie kann man das Interesse an der Finanzbildung stärken?

Das Thema wird nach wie vor in keinen Schulen unterrichtet. Aktuell sind Menschen also davon abhängig, ob sie in ihrer individuellen Umgebung damit in Kontakt kommen. Darum hat jeder Mensch, der aus gutem Hause kommt, bereits bessere Grundvoraussetzungen, sich mit Finanzen auseinanderzusetzen. Wenn man keine Chance hat, dass die Eltern einem nach und nach etwas über Geld und Investieren beibringen, hat man einen Start-Nachteil. Hier gibt es in unserer Gesellschaft eine Pre-Selection. Am Gerechtesten wäre es, wenn alle ein paar Basics in der Schule lernen würden.

Dazu fällt mir die Geschichte ein, wie mein Vater – der genauso wenig von Finanzen versteht, wie die meisten Österreicher:innen – mich und meine Brüder dem Thema näher bringen wollte. Als ich 12 war, gab er mir und meinen beiden Brüdern jeweils 3.000 Schilling und zehn Minuten Zeit, um uns von einem Bänker beraten zu lassen. Mein großer Bruder hat sich irgendeinen Fond gekauft. Mein kleiner Bruder und ich haben jeweils einen SAP-Aktie gekauft. Von da an habe ich jeden Tag über die Entwicklung von SAP in der Zeitung gelesen. Während der Tech-Bubble haben wir uns für die Könige der Welt gehalten. Als die Tech-Bubble dann geplatzt ist, war fast nichts mehr übrig. Zwar haben wir bei dieser Erfahrung kein Geld gewonnen, aber wir haben dadurch eine Neugierde entwickelt, uns mit dem Kapitalmarkt auseinanderzusetzen. Das hat letztlich auch dazu geführt, dass ich heute das mache, was ich mache.

“Genauso, wie man regelmäßig zur Präventionsuntersuchung zum Arzt geht, sollten Menschen meiner Meinung nach die Möglichkeit zu einem Finanzcheck haben.”

Was sind deiner Meinung nach – neben der Schulbildung – weitere Hebel, die gesetzt bzw. gestärkt werden müssen, um mehr Impact zu schaffen?

Im Zuge des “Financial Retreats” auf dem European Forum Alpbach haben wir ein paar Punkte definiert, die den größten Impact haben können. Zwei dieser Punkte haben meiner Meinung nach das größte Potential. Zum einen sollte man einen jährlichen “Financial Health Check” anbieten. Genauso, wie man regelmäßig zur Präventionsuntersuchung zum Arzt geht, sollten Menschen meiner Meinung nach die Möglichkeit zu einem Finanzcheck haben. Hier können sie sich ihre Gedanken und Sorgen anschauen lassen und kontrollieren, ob sie sich auf dem richtigen Weg befinden bzw. Guidance erhalten. Wir bei Froots bieten so einen kostenlosen “Financial Health Check” bereits an.

Der nächste Punkt betrifft die Stärkung der zweiten Pensionssäule. Private Vorsorge muss gegenüber der staatlichen Vorsorge wichtiger werden, da führt kein Weg drum herum. Dabei beginnen Menschen, mit ihrem Arbeitgeber oder privat Geld auf die Seite zu legen und sich im Endeffekt ein Polster für ihre Pension aufzubauen. Das hat einen Ripple-Effekt: Wenn man beobachtet, was mit dem eigenen Geld passiert, wird die Finanzwelt greifbarer und man beschäftigt sich viel mehr damit. Zudem wird unser Kapitalmarkt dadurch deutlich stärker, denn je mehr Geld in den Kapitalmarkt kommt, desto liquider wird er.

In welchen Gesellschaftsgruppen tut sich aktuell am meisten?

Ich habe das Gefühl, dass aktuell sehr viele Schulprojekte für junge Menschen gefördert werden. Besonders wichtig ist meiner Meinung nach aber auch die Finanzbildung für Frauen. Das Thema Vorsorge muss hier gepushed werden. Es tut sich glücklicherweise schon sehr viel, aber es muss noch weiter ausreifen, damit eine Unabhängigkeit gefördert wird und Frauen vor Risiken, wie der Altersarmut, geschützt sind.

Bringen diese neuen Initiativen bzw. Startup-Produkte, die sich auf bestimmte Gesellschaftsgruppen konzentrieren, deiner Meinung nach nachhaltige Veränderung?

Damit sich etwas bewegt, muss es viele Projekte geben. Jedes dieser Projekte muss natürlich messen, ob sie einen Impact haben und es dann langfristig größer werden kann. Während meines MBAs hat ein Impact Investor uns mal erklärt, dass es egal sei, wie klein manche Projekte sein mögen. Wenn sie funktionieren und dies nachweisen könnten, würde es jemanden geben, der bzw. die es aufkauft und auf größerer Ebene umsetzen könnte. Die kleineren Projekte bieten sozusagen den Proof of Concept.

Froots bietet bereits den Financial Health Check im Wiener Office an. Sind für die Zukunft Produkte geplant, die auch remote genutzt werden können?

Das wollen wir definitiv forcieren. Wir arbeiten mit verschiedenen Organisationen zusammen, wollen mehr Content kreieren und ein paar Tools in unserer App erweitern. Wir gehen bei der Auswahl allerdings bedacht vor. Bei der Gamification von manchen Tools sehen wir bspw. das Risiko, dass es häufig in die falsche Richtung ausgenutzt wird. Dadurch sind die User:innen oft dazu verleitet, kurzfristig zu denken und Fehler zu machen. Wir wollen Gamification daher nur nutzen, um die Neugier unserer Kund:innen zu wecken. Unser Angebot verstehen wir als eine Kombination aus “Financial Planning” auf der einen und langfristiges Asset-Management auf der anderen Seite. Wir sind keine Lösung für diejenigen, die bereits genau wissen, was sie wollen. Wir möchten bei der Finanzplanung unterstützen – sobald wir das Risikoprofil und den Zeithorizont unserer Kund:innen herausgefunden haben, können wir mit unserer Arbeit beginnen und möglichst sinnvoll managen.

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Exit im Jahr 2024: vlonru. die Teams von Single Use Support, hokify, Eversprots und New Fluence
vlonru. die Teams von Single Use Support, hokify, Eversprots und New Fluence | (c) Single Use Support / Georg Molterer / Eversports / Clemens Lechner

Den “Traum vom großen Exit” teilen vielleicht nicht alle in der Startup-Szene, aber er gehört jedenfalls zur Startup-Welt dazu. Dieses Jahr gab es eine ganze Reihe von Startup-Verkäufen in Österreich – brutkasten berichtete über rund 25 und es dürften noch ein paar mehr gewesen sein. Doch bei weitem nicht jede dieser Übernahmen ist so ein Traum-Exit.

“2024 wird ein Jahr der Opportunities: Ich glaube, dass viele Startups bzw. Assets günstig zu haben sein werden”, sagte Business Angel Hansi Hansmann im brutkasten-Jahresrück- und Ausblick 2023 – und er sollte Recht behalten. Bei einigen der Startup-Verkäufe, über die brutkasten dieses Jahr berichtete, liegt die Annahme nahe, dass es Notverkäufe waren – in einzelnen Fällen ist das bestätigt. Andere waren zwar keine Notverkäufe, aber in ihrem (vermutlichen) Volumen ziemlich unspektakulär. Anders als etwa im ebenfalls Exit-starken Boom-Jahr 2021, als viel Kapital für den Aufkauf kleinerer Konkurrenten in den Markt gespült wurde, passiert der Verkauf in der anhaltenden Rezession häufig eher unfreiwillig.


Das waren die größten und/oder aufsehenerregendsten Exits des Jahres

Doch dann gab es auch einige Fälle, auf die der Begriff Traum-Exit doch zutrifft, oder die aus einem anderen Grund Aufsehen erregt haben – sei es wegen der Summe oder anderer Umstände. Das waren die größten und/oder aufsehenerregendsten Exits des Jahres:

Single Use Support

Es war kein Exit im eigentlichen Sinn, denn es wurden nur 60 Prozent des Unternehmens übernommen. Und auch die Summe wurde nicht genannt. Dennoch kann man mit einer gewissen Bestimmtheit davon ausgehen, dass die Mehrheitsübernahme des Tiroler BioTech-Scaleups Single Use Support im Mai der spektakulärste Deal in Österreich im Jahr 2024 war. Denn wenige Monate zuvor, im Dezember 2023, hatte es unter anderem im deutschen Handelsblatt Medienberichte über einen möglichen Exit in Milliarden-Höhe gegeben. Auf Basis dieser kolportierten Firmenbewertung kann man also von einem beachtlichen neunstelligen Deal ausgehen – selbst falls die Bewertung nicht ganz erreicht wurde.

Gründer von Single Use Support Thomas Wurm (l.) und Johannes Kirchmair (r.) sowie der damalige CEO Christian Praxmarer (m.) | (c) Single Use Support

ecosio

180 Millionen US-Dollar legte der US-Softwareanbieter Vertex im August dieses Jahrs für die Übernahme des 2013 gegründeten auf elektronischen Datenaustausch (EDI) und elektronische Rechnungsstellung (E-Invoicing) spezialisierten Wiener Unternehmens ecosio hin. Es ist damit der größte Exit-Deal des Jahres mit bekannter Summe in Österreich. Ausgezahlt wurden zunächst allerdings “nur” 69 Millionen US-Dollar sowie 35 Millionen US-Dollar in Form von Vertex-Aktien. Der Rest der Summe ist als Gewinnbeteiligung noch an Bedingungen geknüpft.

Apeiron

Nach allen gängigen Definitionen kann Apeiron aus Wien zwar definitiv nicht mehr als Startup bezeichnet werden. Doch weil die Zyklen im BioTech-Bereich bekanntlich erheblich länger dauern und auch wegen seines Volumens, sei der Deal hier erwähnt. 100 Millionen US-Dollar ließ sich das US-Pharma-Unternehmen Ligand Pharmaceuticals das Wiener Krebstherapie-Scaleup kosten. Für das Team ging es danach gleich mit dem nächsten Startup, invIOs, das an einer weiteren Krebstherapie arbeitet, weiter.

myClubs

Ein zweistelliger Millionenbetrag, der “nicht bei zehn, aber auch nicht bei 99 Millionen Euro” liege – diese Angabe machte der deutsche Käufer Urban Sports Clubs zum Übernahmedeal des Wiener Fitness-Scaleup myClubs. Damit lässt sich der im August verkündete Exit auf jeden Fall unter die größten Übernahmen in Österreich in diesem Jahr einreihen. Am Unternehmen waren unter anderen Speedinvest, Hansi Hansmann und mySugr-Gründer Frank Westermann beteiligt gewesen. Kapitalgeber des Käufers Urban Sports Clubs war übrigens der europäische Growth Investor Verdane.

Eversports

Und noch einen Exit eines Wiener Sport-Scaleups gab es dieses Jahr. Im Oktober gab Eversports bekannt, mehrheitlich vom bereits erwähnten europäischen Growth-Investor Verdane übernommen worden zu sein. Über die Summe wurde zwar Stillschweigen vereinbart, der für die Transaktion genutzte Fonds “Edda III” investiert aber in der Regel zwischen 50 und 150 Millionen Euro. Entsprechend ist auch von einem Volumen von mindestens 50 Millionen Euro bei diesem Deal auszugehen.

Das Extenden Management Team von Eversports: Hanno Lippitsch, Stefan Feirer, Lukas Kühnert, Philipp Braunsberger sowie (v.l. – vorne): Emanuel Steininger, Ramon Bez | (c) Eversports

Cropster

Und noch einmal Verdane. Ebenfalls im Oktober wurde auch das Innsbrucker Kaffee-Scaleup Cropster, das unter anderem Starbucks zu seinen Kunden zählt, mehrheitlich vom europäischen Growth-Investor Verdane übernommen. Hier wurde ebenfalls über die Höhe des Deals stillschweigen vereinbart. Auch in diesem Fall gilt: Auf Basis des üblichen Investment-Volumens ist von einem Deal im zumindest achtstelligen Bereich auszugehen.

hokify

Für Aufsehen in der brutkasten-Community sorgte auch der Exit des Job-Plattform-Startups hokify, der bereits im Jänner verkündet wurde. Mit 40 Millionen Euro wurde eine genaue Summe für die Unternehmensbewertung genannt. Der Käufer, karriere.at, besaß jedoch bereits zuvor 85 Prozent des Unternehmens. Nach Adam Riese legte der heimische Jobplattform-Riese also zum Abschluss des bereits seit Jahren schrittweise laufenden Übernahme-Prozesses noch einmal sechs Millionen Euro auf den Tisch.

New Fluence

Im nicht genau bezifferten Millionenbereich liegt der Exit des Wiener Startups New Fluence. Für viel Aufsehen in der Community sorgte er nicht aufgrund seines Volumens, sondern wegen seiner Geschichte. Co-Founder des Startups ist Österreichs ehemals jüngster Gründer Moritz Lechner, der 2017 mit 14 Jahren sein erstes Startup gründete. Etwas mehr als sieben Jahre später zählte er mit nunmehr 21 Jahren im November gewiss auch zu den jüngsten Gründer:innen, denen hierzulande jemals ein Millionenexit gelungen ist.

Die New Fluence-Gründer Chris Pollak und Moritz Lechner mit Team | (c) Clemens Lechner

Lernsieg

Definitiv nicht zu den größten Exits des Jahres zählt die Mehrheitsübernahme von Lernsieg im Mai. Auch sie sei hier aber wegen ihrer besonderen Geschichte erwähnt. Mit 17 Jahren hatte Benjamin Hadrigan die Lehrerbewertungsapp 2019 gestartet und damit eine massive öffentliche Diskussion vom Zaun gebrochen sowie zahlreiche Klagen auf sich gezogen. Rund 70 gewonnene Verfahren und etwa 500.000 Euro Anwaltskosten später verkaufte er die Mehrheit des Unternehmens dieses Jahr bei 740.000 Euro Firmenbewertung an die erst 21-jährige Gründerin Katharina Lang.


Weitere Exits 2024 – kein Anspruch auf Vollständigkeit

Diese Liste erhebt freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei zwei weiteren Exits, über die brutkasten berichtete, ist ein Millionenbetrag als Volumen bestätigt: Mokker.ai und ShareVision. Bei anderen ist von einem Millionenbetrag auszugehen. Wieder anderen ging eine Insolvenz voraus, namentlich Zizoo und goUrban (wobei zweiteres nach der Insolvenz bereits wieder ein Millioneninvestment zur Sanierung geholt hatte).

Einige der Startups mit Exits in unbekannter Höhe zählten zudem zu den bekannteren Namen in der heimischen Startup-Landschaft, etwa Rebel Meat, Audvice, Andmetics, Swarm Analytics, Baubot (ehem. Printstones) und Bonrepublic. Weitere Übernahmen, die sich als Startup-Exits klassifizieren lassen, über die brutkasten 2024 berichtete, waren nymea, Consola.finance, Sheepblue, Iurio, GetNano, riskine, Collective Energy, Investory.io, Buildtelligent und PowerBot.

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