10.03.2023

So wird Wien zur Technologie-Metropole

Bereits zum sechsten Mal unterzeichneten die Wiener Industriellenvereinigung (IV) und Vertreter der Stadtregierung ein Standortabkommen. Ziel ist es, Wien wirtschaftlich weiter zu attraktivieren.
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Die Wien Energie Müllverbrennungsanlage Spittelau spielt eine wichtige Rolle in der Wärmeversorgung der Stadt
Die Wien Energie Müllverbrennungsanlage Spittelau spielt eine wichtige Rolle in der Wärmeversorgung der Stadt | © Wien Energie/Christian Hofer

Die Welt steht vor großen Herausforderungen. Der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine und die fortschreitente Digitalisierung werden auch auf das wirtschaftliche Leben in Wien große Auswirkungen haben. Bürgermeister Michael Ludwig, IV-Wien Präsident Christian C. Pochtler, Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke sowie der Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Wien, Johannes Höhrhan haben daher am Dienstag das sechste gemeinsame Standortabkommen unterzeichnet.

Wien soll zur Technologie-Metropole werden

Das gemeinsame Ziel, dass das Abkommen verfolgt, ist es Wien als Wirtschafts-, Industrie- und Arbeitsstandort zu einer Technologie-Metropole von Weltrang zu entwickeln. Diesbezüglich haben sich die Vertreter aus Wirtschaft und Politik fünf Ziele definiert, die man in den nächsten Jahren umsetzen will:

  • Jährliches „Wiener Industriegespräch“, um zentrale Herausforderungen zu definieren und gemeinsam Lösungen zu finden.
  • Weitere Leitprojekte im Rahmen der Initiative „WIEN 2030–Wirtschaft & Innovation“ mit der Wiener Industrie umsetzen.
  • Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wissenschaft und Forschung kontinuierlich stärken.
  • Zusätzliche Fachkräfte für die Technologiemetropole Wien entwickeln und fördern, um damit noch mehr qualitative Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen.
  • Die Initiative „Made in Vienna“ soll die Sichtbarkeit Wiens als Technologiemetropole international erhöhen und damit die Wachstumschancen steigern.

Offene Innovationskultur mit ViennaUP und Co.

Das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt Wien liege in einem “guten Mix aus etablierten Industrieunternehmen, zahlreichen KMUs und innovativen Startups”. Die Stadt Wien und die Industriellenvereinigung bekennen sich demnach dazu, eine “offene Innovationskultur” für junge Unternehmen in der Bundeshauptstadt bereitzustellen. Dies soll nicht zuletzt durch das Startup-Festival ViennaUP gewährleistet sein, das als “starker Hebel für die internationale Standortpositionierung” gesehen wird.

Um im Bereich der Innovation nicht den Anschluss zu verlieren, sei vor allem die Digitalisierung ein wichtiger Faktor. So hat die Stadt Wien bereits ein 20 Millionen Euro schweres Förderprogramm aufgesetzt, um den 5G-Ausbau zu beschleunigen.

Problemstellungen in der Ausbildung

Das Papier enthält zudem einige Problemstellungen, denen die Stadt Wien in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen will. Konkret will man gemeinsam mit der IV analysieren, wieso die TU Wien seit Jahren wenige Absolvent:innen im Elektrotechnik-Studiengang hervorbringt.

Allgemein will man die Zahl der AbsolventInnen von tertiären Ausbildungsangeboten im Bereich Naturwissenschaft und Technik, Digitalisierung und Nachhaltigkeit erhöhen. Zusätzlich dazu soll das Arbeitskräfteangebot im mittleren Ausbildungssegment gesteigert werden. Dafür verständigten sich Stadt Wien und IV auf folgende fünf Punkte.

  • Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit im Rahmen der Pflichtschule bzw. von PflichtschulabsolventInnen.
  • Zusätzliche Unterstützungsangebote für Lehrlinge zur Erhöhung der erfolgreichen Lehrabschlussprüfungen sowie spezielle Angebote für zugewanderte Personen.
  • Entwicklung neuer Kooperationen zwischen betrieblicher und überbetrieblicher Lehrausbildung sowie zusätzlicher Ausbildungsinhalte mit dem Ziel der Fachkräftesicherung.
  • Maßnahmen zum Nachholen von Lehrabschlüssen auf Basis des Qualifikationsplan Wien 2030 (berufliche Erwachsenenbildung).
  • Prüfung der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie Entwicklung eines Umsetzungskonzepts für eine rasche Realisierung zusätzlicher HTL-Schulplätze in Wien im Bereich IT und Nachhaltigkeit
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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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