30.08.2022

Wien Energie: Auch die anderen handeln Strom an der Börse – sind sie auch gefährdet?

Die Geschäfte, die Wien Energie nun in Bedrängnis brachten, sind per se nicht ungewöhnlich, ihr Volumen allem Anschein nach aber schon.
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© Wien Energie / Christian Hofer
© Wien Energie/Christian Hofer

Die Schlagzeilen zu Wien Energie überschlagen sich aktuell. Der Energiekonzern braucht aufgrund eines Liquiditätsengpasses Garantien in Millliardenhöhe. Hinter den plötzlichen finanziellen Turbulenzen stehen Termingeschäfte im Strom-Börsenhandel, die wegen des stark angestiegenen Energiepreises zum Problem wurden. Für diese Geschäfte müssen an den Börsen nämlich immer Sicherheiten hinterlegt werden. Deren erforderliche Höhe stieg zuletzt durch die aktuelle Marktsituation extrem an.

“Am Ende des Tages wird daraus kein Verlust entstehen”

Seitens Wien Energie und Stadt Wien ist man um Beruhigung bemüht. Schließlich gehe es nur um Garantien. Das Geld muss also nicht tatsächlich fließen, sondern nur für den Fall der Fälle bereitgestellt werden. “Am Ende des Tages wird daraus kein Verlust entstehen, da es sich um ein Liquiditäts-Thema handelt, das nun gelöst werden muss. Wenn man mit entsprechenden Sicherheiten stützt, wird Wien Energie hier durchkommen”, meint auch Ex-Wien Energie Geschäftsführer Peter Gönitzer im brutkasten-Interview.

Ist die Aufregung um Wien Energie übertrieben?

Ist die aktuelle Aufregung also übertrieben? Ist der gesamte Vorgang an sich völlig normal und Wien Energie hatte mit den unerwartet steigenden Energiepreisen bloß Pech? “Prop-Trading [Anm. finanzwirtschaftlicher Energiehandel] hat sich seit Beginn der Liberalisierung [Anm. des Strommarkts] in vielen Energieversorgungsunternehmen etabliert. Unternehmen wollen Einnahmen aus finanzwirtschaftlichen Energiehandel für ihre Eigentümer lukrieren”, erklärt die Unternehmerin, Investorin und Energiewirtschafts-Expertin Eveline Steinberger-Kern gegenüber dem brutkasten. “Im Idealfall korreliert dieses Geschäft mit einem marktadäquaten Risikomanagement, das die Einhaltung von Limitüberschreitungen engmaschig kontrolliert”, meint sie in Richtung Wien Energie.

Eveline Steinberger-Kern

Steinberger-Kern: “Höhe der Tradingvolumina überrascht”

Das Zustandekommen der aktuellen Probleme “kann man wohl nur professionell beurteilen, wenn man umfassende Einsicht in die Bücher erhält und die gehaltenen Positionen analysiert”, so Steinberger-Kern. Aus den Medienberichten entnehme sie widersprüchliche Erklärungen. Doch sie stellt klar: “Ungeachtet der Rekordstrompreise der letzten Wochen, überrascht im vorliegenden Fall die Höhe der Tradingvolumina, die die Eigenproduktion um offenbar ein Vielfaches übersteigen”. Und: “Es wäre nicht ungewöhnlich anzunehmen, dass ein Energieunternehmen im öffentlichen Besitz sich weniger Risikoappetit zumutet”.

Vorsichtige Äußerungen von Verbund

Doch wie sieht es mit dem “Risikoappetit” der anderen heimischen Anbieter aus? Der größte Energiekonzern des Landes, Verbund, weist zwar in einer Aussendung Aussagen von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, wonach Wien Energie weitere Energiekonzerne, darunter namentlich auch Verbund, folgen könnten, in einer Aussendung “auf das schärfste zurück”. Dann formuliert man aber sehr vorsichtig: “Die Verwerfungen am Energiemarkt führen zu noch nie dagewesenen Volatilitäten an den Beschaffungsmärkten. Alle Marktteilnehmer müssen die an den Energiebörsen als Sicherheitsleistung hinterlegte Liquidität auf die aktuellen Preisniveaus anheben”.

Offenbar weniger Börsenhandel bei anderen Energiekonzerne

Ein Rundruf der Tageszeitung Der Standard unter mehreren heimischen Energieanbietern bringt indessen ein recht klares Ergebnis: Sie alle geben an, derzeit keine Sorge wegen eines möglichen Liquiditätsengpasses zu haben. Begründet wird das mehrfach damit, dass man erheblich kleinere Trading-Volumina an den Strom-Börsen habe. Mehrere Anbieter setzen demnach stärker auf außerbörslichen Stromhandel.

Wien Energie: spezielle Situation oder falsches Risikomangement?

Warum also handelt Wien Energie so viel größere Strom-Mengen an der Börse? Ex-Geschäftsführer Peter Gönitzer hat eine Erklärung, warum sich die Situation beim Wiener Anbieter anders gestaltet, als bei den anderen heimischen Energiekonzernen: “Die Wien Energie ist mit einer ganz speziellen Situation konfrontiert. Einerseits produziert sie sehr viel Strom mit ihren Gaskraftwerken, andererseits muss sie auch sehr viel Strom einkaufen, da sie nur rund die Hälfte des Stroms selbst produziert”. Freilich könnte aber in diesem Fall auch der von Eveline Steinberger-Kern angesprochene “Risikoappetit” einfach zu groß gewesen sein. Trocken merkt sie an: “Konzerne, die im Energiehandel tätig sind, brauchen generell die notwendige Qualifikation und das Risikomanagement für diese Tätigkeit”.

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Expedition Zukunft: Wie die FFG bahnbrechende Innovationen unterstützt

Die FFG hat mit „Expedition Zukunft“ ein Förderprogramm gestartet, das bahnbrechende Innovationen in Österreich vorantreiben soll. Gesucht werden mutige Ideen, die Märkte, Technologien oder die Gesellschaft grundlegend verändern. Programmleiterin Annamaria Andres hat uns mehr zu den Möglichkeiten erzählt, die Expedition Zukunft für Fördernehmer:innen bietet.
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Das "Expedition Zukunft"-Team, Annamaria Andres (erste links) | (c) FFG

In Zeiten großer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Herausforderungen braucht es mutige Ideen, die nicht nur schrittweise verbessern, sondern bestehende Systeme grundlegend neu denken. Genau hier setzt das Förderprogramm „Expedition Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an. Annamaria Andres, die das Programm maßgeblich mitentwickelt hat, betont: “Die EU und auch Österreich sind sehr gut in inkrementellen Innovationen und Grundlagenforschung, doch es braucht auch disruptive Ansätze, um die Welt zu einem besseren, gerechteren und nachhaltigeren Ort zu verändern.”

Mehr als inkrementelle Verbesserungen

Das Ziel von “Expedition Zukunft” ist es, Projekte zu unterstützen, die einen echten Paradigmenwechsel bewirken können. Während traditionelle Innovationsprogramme oft auf Verbesserungen bestehender Technologien und Prozesse abzielen, sucht „Expedition Zukunft“ nach bahnbrechenden Ideen. Es geht darum, mit komplett neuen Ansätzen die jetzigen Herausforderungen anzugehen. Diese Herausforderungen könnten technologischer, gesellschaftlicher oder ökologischer Natur sein.

+++ Jetzt bewerben und von Expedition Zukunft profitieren +++

Zwei Wege in die Zukunft: #START – Business Edition und #INNOVATION

Das Programm gliedert sich in mehrere Ausschreibungsschienen. Hier ein Überblick zu zwei Förderschienen, die sich besonders für Gründer:innen von Startups und KMU eignen:

  • #START – Business Edition: Hier können Gründer:innen und KMU einreichen, die ganz am Anfang stehen. Sie haben eine visionäre Idee, aber noch kein ausgearbeitetes Konzept. Es geht darum, die Durchführbarkeit zu testen – nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch in Bezug auf soziale Aspekte, strategische und rechtliche Rahmenbedingungen. Für diesen Schritt stellt die FFG bis zu 80.000 Euro zur Verfügung.
  • #INNOVATION: In dieser Schiene wurde ein Problem bereits klar definiert, die Lösung ist jedoch noch offen. Mit einer Förderung von bis zu 150.000 Euro bei einer Förderquote von 50 Prozent unterstützt das Programm die Lösungsfindung in Zusammenarbeit mit relevanten Stakeholdern. Hier geht es um iterative Innovationsprozesse, wie zum Beispiel Open Innovation und Design Thinking, um eine optimale Lösung für eine Zielgruppe oder ein disruptives Geschäftsmodell zu entwickeln.

Weitere Ausschreibungsschienen findet ihr auf der Programm-Website.

Mut zum Risiko und zur Veränderung

Disruptive Innovationen sind riskanter als schrittweise Verbesserungen. Sie bewegen sich oft in unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen, müssen neue Märkte erschließen und kulturelle Veränderungen anstoßen. Diese bahnbrechenden Ideen haben ein höheres Umsetzungsrisiko. Deshalb bietet das Programm neben finanzieller Unterstützung auch umfassende Beratungsservices und Expeditionsguides.

Die Expeditionsguides sind Expert:innen, die die geförderten Projekte begleiten. Neben der individuellen Begleitung bietet das Programm auch Netzwerktreffen, bei denen sich die Fördernehmer:innen untereinander austauschen können.

Von der Vision zur Umsetzung

Ein zentrales Kriterium für die Förderung ist der Mut zur großen Vision. Dahingehend werden Fördernehmer:innen gesucht, die größer denken und bereit sind, neue Wege zu gehen. Diese Vision muss auch einen gesellschaftlichen oder ökologischen Mehrwert bieten. Es geht nicht nur um Profit, sondern um Impact – sei es in der Umwelt, der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

Ein Beispiel für solche visionären Projekte sind Innovationen in der Raumfahrt, der Krebsbekämpfung, sozialen Inklusion oder Pflegekonzepte für eine alternde Gesellschaft.

Solche Ideen stoßen jedoch oft auf große gesellschaftliche Herausforderungen. So stellt beispielsweise die Bereitschaft der Menschen, eingefahrene Verhaltensmuster zu ändern, eine Hürde dar. Genau hier setzt das Programm an, um den notwendigen Wandel zu unterstützen und den Weg für zukunftsweisende Innovationen zu ebnen.

Unterstützung, die über Geld hinausgeht

Neben der finanziellen Förderung bietet „Expedition Zukunft“ auch umfangreiche Beratungsleistungen. Dazu gehören Workshops zu Geschäftsmodellen, Strategieberatung oder Hilfe bei IP-Fragen. So soll sichergestellt werden, dass die Projekte nicht nur technisch funktionieren, sondern auch erfolgreich umgesetzt werden können.

Das Programm „Expedition Zukunft“ vernetzt die Teilnehmenden gezielt mit relevanten Partner:innen aus Wirtschaft, Forschung und öffentlichem Sektor. Ein starkes Netzwerk aus Wirtschaftsagenturen, Ministerien und internationalen Partnern unterstützt dabei, die richtigen Kontakte zur richtigen Zeit zu knüpfen – oft der Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Bewerbungsfrist und Kriterien

Die Einreichfrist für die #START Business Edition endet am 28. Januar um 12:00 Uhr. Die Schiene #INNOVATION ist als laufende Ausschreibung angelegt. Bewerber:innen müssen neben einer bahnbrechenden Idee auch den Willen mitbringen, Risiken einzugehen und groß zu denken. Diversität, gesellschaftlicher Impact und die Bereitschaft zur Veränderung sind entscheidend.

Abschließend merkt Andres an: “Wir suchen Visionär:innen, die bereit sind, die Welt zu verändern. Die Expedition Zukunft ist für diejenigen, die über den Tellerrand hinaus denken, die mutig sind und größer denken. Wer bereit ist, sich dieser Herausforderung zu stellen, findet in dieser Initiative der FFG nicht nur einen Förderer, sondern einen Partner auf dem Weg in die Zukunft.”

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