Der Nachname der Ausnahme-Unternehmerin Whitney Wolfe-Herd gibt einen Hinweis darauf, in welcher Industrie sie sich durchsetzen muss. Die Tech-Branche gilt als testosterongetränkt und männlich dominiert. Die Frage, wer ein Rudel anführt, wird oft von erbitterten Kämpfen entschieden. Keine einfachen Bedingungen für eine junge Frau.
Bekannt wurde Wolfe-Herd als Mitgründerin der Dating-App Tinder. Heute leitet sie das gehypte Matching-Startup Bumble. Damit absolvierte sie diesen Februar einen Milliarden-schweren IPO und scheint somit erneut auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Doch wer ist dieses große Talent und was treibt sie an?
Whitney Wolfe-Herd: Mit 31 Jahren zum Milliarden IPO
Über komplizierte Wege wird sie zunächst Teil des Gründungs-Teams von “Matchbox”, einer App, die den US-Datingmarkt revolutionieren soll. Die Marketing-Managerin Wolfe-Herd verleiht der App den heute berühmtesten Namen aller Dating-Apps: Tinder. Der Name wirkt auf deutsch sperrig und meint “Anzündhilfe”. Im englischen steht er aber genial für das Versprechen einer App, die alleine heuer rund acht Millionen Menschen dabei helfen wird, einen Beziehungs- oder Sex-Partner zu finden.
Nach nur zwei Jahren verlässt Wolfe Tinder, weil sie sich mit dem Team zerstreitet, bzw. von diesem hinaus-gemobbt wird, wie sie es Medien berichtet. Das Silicon Valley stützt in dem Streit die Seite der männlichen Kollegen. Etwas, das sie aber dazu bewegen wird, es “erst recht wissen zu wollen”.
Neustart mit Bumble
Mit Hilfe eines russischen Investors startet sie 2014 also den Tinder-Konkurrenten Bumble. Damit gibt sie, auch dank der Erfahrung mit der Tinder-App, das Versprechen ab, Frauen eine bessere und sicherere Dating-Erfahrung zu ermöglichen. Und genau das war es, was der Markt offenbar brauchte. In Kürze avancierte Bumble zu der am schnellsten wachsenden Dating-App in beiden App-Stores. Um fast 600 Prozent wuchs die frauenfreundliche App alleine in den ersten beiden Jahren seit Launch.
Reich durch eine frauenfreundliche Value-Proposition
Rund 12 Prozent von Bumble gehören Wolfe-Herd, was ihr nach dem kürzlich absolvierten IPO ein Nettovermögen von 1,3 Milliarden Dollar beschert – sie ist damit die jüngste Self-Made-Milliardärin der Welt. Die App hat heute eine Bewertung von etwas über 87 Milliarden Dollar. Nebenbei leitet sie auch die erfolgreiche Dating-App Badoo. Zusammen haben die beiden Apps 40 Millionen User.
Wolfe-Herd lehnt den üblich gewordenen und glatten “Konzernsprech” ab, spricht offen und direkt über ihre Ansichten. Die fast 900.000 gemeldeten Beanstandungen bei Bumble, die Hass oder Gewalt beinhalteten, lässt sie mit Künstlicher Intelligenz rasch finden und löschen. Besonders am Herzen liegen ihr aber Frauen-Rechte. Und so richtet sich ihre letzte Kampagne gegen “body shaming”.
Wolfe-Herd hat einen spannenden Weg gewählt, sich in Frauen-Fragen zu engagieren. Sie hat nämlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell darauf aufgebaut, die Frau ins Zentrum ihrer Dating-Logik zu stellen und ihr die entscheidende Handlungs-Macht gegeben. Wenn man so will, ist das “positive Diskriminierung” mittels Algorithmen. Denn bei Bumble machen immer die Frauen den ersten Schritt beim Dating, “sicher und respektvoll” – wie es auf der Website heißt.
Whitney Wolfe-Herd ist eine Self-Made-Milliardärin, die es in der Tech-Branche ganz nach oben geschafft hat. Vor allem aber ist sie ein Vorbild. Denn kein Appell an junge Frauen, sich für MINT-Fächer zu begeistern und keine Quote wirken so stark, wie erfolgreiche weibliche Vorbilder in dieser Industrie.
Dass Wolfe-Herd kaum jemand kannte, wir aber ständig mit Neuigkeiten über Neo-Milliardärs-Kollegin Kim Kardashian überhäuft werden, mag typisch für unsere Zeit sein, ist aber auch grundfalsch.
HMW: Wie ein Wiener Startup mit historischen Markenrechten eine neue Mobility-Marke aufbaut
Interview. brutkasten hat auf der internationalen Zweiradausstellung EICMA in Mailand Co-Founder und COO des Wiener Mobility-Startups Acceleration Hub GmbH Michael Hofbauer zum Interview getroffen. Im Hintergrundgespräch erläutert Hofbauer, wie sein Unternehmen mit der historischen Marke der Halleiner Motorenwerke (HMW) durchstarten möchte.
HMW: Wie ein Wiener Startup mit historischen Markenrechten eine neue Mobility-Marke aufbaut
Interview. brutkasten hat auf der internationalen Zweiradausstellung EICMA in Mailand Co-Founder und COO des Wiener Mobility-Startups Acceleration Hub GmbH Michael Hofbauer zum Interview getroffen. Im Hintergrundgespräch erläutert Hofbauer, wie sein Unternehmen mit der historischen Marke der Halleiner Motorenwerke (HMW) durchstarten möchte.
Die EICMA in Mailand ist eine Messe der Superlative. Schon am Eingang merkt man die gewaltige Anziehungskraft, die sie auf Motorradfans und Fachbesucher aus aller Welt ausübt: Geduldig stehen die Menschen bereits in der Früh in langen Schlangen und warten darauf, in die weitläufigen Hallen der sogenannten “Fiera Milano” zu gelangen. Drinnen erstrecken sich die Ausstellungsflächen über mehrere Hallen, jede gefüllt mit unzähligen Messeständen.
Ingesamt reisten heuer über 770 Aussteller aus 45 Ländern in die italienische Wirtschaftsmetropole, um ihre Neuheiten rund um motorisierten Zweiräder auf insgesamt 330.000 Quadratmetern Messeareal der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Ingesamt wurden mehr als 600.000 Besucher während der sechs Messetage gezählt – ein neuer Rekord.
Neben bekannten Marken wie Honda, Yamaha oder Ducati war in diesem Jahr mit der Acceleration Hub GmbH auch ein österreichisches Startup unter den Ausstellern vertreten. Das Unternehmen hat die Traditionsmarke der 1948 gegründeten Halleiner Motorenwerke (HMW) erworben und entwickelt unter anderem motorisierte Zweiräder im E-Mobility- und Verbrenner-Segment (brutkasten berichtete).
brutkasten war auf der EICMA in Mailand und hat Acceleration Hub Co-Founder und COO Michael Hofbauer am Messestand von HMW zum Interview getroffen. Im Gespräch geht Hofbauer unter anderem auf die strategischen Überlegungen ein, eine historische Marke mit modernen Mobilitätslösungen neu zu beleben.
brutkasten: Wie seid ihr mit der Acceleration Hub GmbH zu den Markenrechten von HMW (Halleiner Motorenwerke) gekommen?
Michael Hofbauer: Durch einen guten Freund und Experten im Oldtimer-Bereich sind wir zur Marke gekommen. Er ist inzwischen ein enger Freund und Berater für uns, nach wie vor gut vernetzt in der Oldtimer-Szene. Von Anfang an war klar, dass seine Ambition nicht in Neuentwicklungen liegt, sondern darin, die Marke zu bewahren. So haben wir die Markenrechte von ihm übernommen, die mittlerweile zu einer Weltmarke ausgeweitet sind, und freuen uns, ihn weiterhin an unserer Seite zu haben.
Welche strategischen Überlegungen stecken dahinter, als ein noch recht junges Mobility-Startup auf eine historische Marke zu setzen?
Unsere strategische Überlegung war, dass HMW vor allem in der Gründungszeit dafür bekannt war, die Menschheit mobil zu machen. Damals entwickelte Ingenieur Anton Fuchs den sogenannten Fuchs-Motor, der eines der ersten motorbetriebenen Zweirad-Fahrzeuge möglich machte. Ein Blick in die Historie zeigt, dass HMW kaum eine Fahrzeugart ausgelassen hat, teils mit skurrilen, aber mutigen Entwicklungen, die alle diesem Mobilitätsgedanken folgten. Als österreichisches Gründerteam fühlen wir uns diesem europäischen Erbe verbunden. Die Idee, eine historische Marke wie HMW, die früher stark nach Deutschland, Holland und darüber hinaus exportierte, in Europa wiederzubeleben, hat uns sehr angesprochen.
In der Branche kennt man einige Beispiele von alten Marken, die unter neuen Eigentümern reaktiviert werden. Inwieweit springt ihr hier auf einen Trend auf?
Für uns ist es entscheidend, uns nicht nur mit der historischen Marke zu identifizieren, sondern mit HMW als Mobilitätsanbieter. Es geht uns nicht darum, ein einfaches Facelift zu machen und als klassische Heritage-Marke aufzutreten. Vielmehr sehen wir HMW als eine Marke mit einer Legacy, die wir schätzen, weil sie Mobilität in den Vordergrund stellt.
Oft geht es bei solchen Projekten nur darum, das Image einer alten Marke zu nutzen, um Bekanntheit zu erlangen – das ist ganz und gar nicht unser Ansatz. Der ursprüngliche Gedanke, beispielsweise einen Motor auf ein Fahrrad zu montieren und das dann bis zur Serienreife zu bringen, oder Motorräder zu entwickeln, die sogar im Rennsport erfolgreich waren, das ist für uns echte Innovation.
Im Gegensatz dazu wirkt der Ansatz, einfach Markenrechte einer historischen Marke zu kaufen und „ein bisschen Elektromobilität“ zu betreiben, eher banal und passt nicht zu unserem Anspruch. Unser Ziel ist es, mit verschiedenen Produktreihen den Spirit „Enable Mobility“ in die heutige Zeit zu tragen.
Kommen wir nun auf eure neue Modellserie zu sprechen, die ihr hier auf der EICMA ausstellt. Auf der einen Seite habt ihr E-Mobility im Programm, mit der neuen Classics-Serie bietet ihr aber künftig auch Verbrenner an. Wie passt dies zusammen?
Man darf nicht unterschätzen, dass auch im Bereich der Verbrenner enorme Innovation stattfindet. Die Motoren sind heute auf dem neuesten Stand der Technik und haben nichts mehr mit dem lauten, stinkenden Image der Vergangenheit zu tun. Natürlich ist Elektromobilität auf dem Vormarsch, aber sie ist noch lange nicht so etabliert, wie sie sein könnte. Man sieht das am Beispiel von E-Autos: In Österreich wächst die Ladeinfrastruktur zwar schon langsam, aber in anderen Teilen Europas sieht es oft noch ganz anders aus, wodurch viele nach wie vor einen Verbrenner wählen.
Um Mobilität für alle anzubieten, setzen wir daher auf eine Kombination: Für städtische und stadtnahen Verkehr – das „Interurban“-Segment – bieten wir Elektrofahrzeuge an. Für Pendler aus ländlichen Regionen, die in die Stadt fahren, bieten wir zudem verbrauchsarme, moderne Verbrennermotoren im Kleinsegment. Unser Fokus liegt dabei auf praktischen, komfortablen Fahrzeugen und nicht auf PS-starken Modellen für hohe Geschwindigkeiten.
Die Elektrofahrzeuge sind auf den Alltagspendler ausgelegt und profitieren von einer passenden Ladeinfrastruktur. Wir verwenden herausnehmbare „Bookstyle“-Batterien, die sich auch zu Hause laden lassen.
Kommen wir zur Produktion zu sprechen. Wie arbeitet ihr aktuell mit euren Produktionspartnern in China zusammen?
Wir arbeiten mit ausgewählten Produktionspartnern in China zusammen. Es gab zahlreiche Vorgespräche, und die Partnerschaften sind für beide Seiten fest etabliert. Wir haben nicht nur Visitenkarten gesammelt, sondern unsere Partner sorgfältig ausgewählt und bringen dabei viel Erfahrung aus früheren Projekten mit. Uns ist es wichtig, aktiv im Entwicklungsprozess dabei zu sein, und deshalb gibt es viel Austausch in beide Richtungen. Aktuell ist das Team hier in Wien, wo Workshops stattfinden und offen über zukünftige Entwicklungen gesprochen wird. Die Kommunikation beschränkt sich nicht nur auf WeChat oder E-Mails – der persönliche Austausch ist für uns entscheidend.
Was macht ihr aktuell In-House in Europa?
Bei uns erfolgt das gesamte Branding, Design, Engineering und die Forschung & Entwicklung (R&D) in-house, insbesondere im Bereich des Fahrzeug-Setups, des Testings und der Evaluierung. Das bedeutet beispielsweise, dass wir das komplette Rahmensetup inklusive Sitzposition und Fahrwerk intern entwickeln und dann in Abstimmung mit dem Produzenten umsetzen.
Die Mobilitätsbranche gleicht derzeit für Startups einem Minenfeld. Auch Mitbewerber in Österreich haben mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was wollt ihr anders machen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?
Unser Ansatz basiert auf Diversifizierung – sowohl im Team als auch im Produktportfolio. Wir sehen großes Potenzial, uns in verschiedene Richtungen zu entwickeln: Elektromobilität, das Verbrennersegment mit qualitativ hochwertigen Produkten und als drittes den Bereich Smart Connected Mobility. Besonders in der Forschung und Entwicklung von Smart Mobility und Innovationslösungen sehen wir viel Potenzial, da diese sowohl im Portfolio Plattform-übergreifend, als auch auf einer komplett neuen Fahrzeugarchitektur aufbauen können. Ein aktuelles R&D-Projekt von uns konzentriert sich auf Predictive-Maintenance, Sensorik und Smart Mobility, um Mobilität neu zu gestalten und ideal zu ergänzen.
Wir möchten flexibel bleiben und nicht zu einseitig agieren, da der Markt oft nicht nur eine Richtung zulässt. Der gesamte Prozess, von der Supply Chain über die Customer Journey bis zum Customer Service, ist entscheidend – zum Beispiel in der klar strukturierten Ersatzteil-Logistik. Uns ist es wichtig, Partnerschaften auf Augenhöhe zu etablieren, die eine starke Grundlage für R&D, Produktion und Ersatzteil-Logistik bis hin zum Kunden bieten.
Dabei haben wir einen klaren Vorteil durch unser Brand-Building: HMW ist als Marke neu aufgestellt und steht jetzt für Qualität und Markenidentifikation.
Welche Strategie wollt ihr im Vertrieb verfolgen?
Wir befinden uns in der Evaluierungsphase und haben sorgfältig ausgewählt. Es gab bereits sehr vielversprechende Gespräche. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch nicht viele Details preisgeben, aber durch die Erfahrung im Gründerteam beobachten wir den Markt genau und ziehen daraus unsere Schlüsse. Wir wissen also gut, mit wem wir sprechen.
Wann ist der Marktstart für die neue Classics-Serie geplant?
Der Launch der Classics ist für Anfang nächsten Jahres geplant. Wir sind dabei teilweise von Vertriebspartnerschaften abhängig, da die Nachfrage das genaue Datum beeinflussen kann. Die Electrics-Serie ist bereits jetzt verfügbar, und die Classics sind für Anfang 2025 vorgesehen – was ja nur noch zwei Monate entfernt ist. Lange dauert es also nicht mehr.
Wie habt ihr euch in der Vergangenheit finanziert und plant ihr derzeit eine Funding-Runde?
Die Entwicklung der Classics und Electrics-Serien sowie das gesamte Brand Development wurden über die Gesellschafter und Eigenmittel finanziert. Wir sind stolz, dass wir dank der FFG nun die Möglichkeit haben, auch im Bereich Innovation voll durchzustarten. Wir haben ein Forschungsprojekt initiiert, das uns ermöglicht, in den Bereichen Smarte Komponentenentwicklung, Predictive Maintenance, Machine Learning und modernste Technologie umfassend zu arbeiten und diese Kompetenzen inhouse aufzubauen.
Besonders erfreulich ist, dass wir für das Projekt ein starkes Team in den Bereichen Machine Learning und Elektrotechnik aufstellen konnten – ein Bereich, in dem einige Hersteller aktuell Schwierigkeiten haben. Unser Team hat bereits Test-Setups durchgeführt, um Sensorik und Komponenten am Fahrzeug selbst zu erproben. Damit wollen wir in diesem Segment zügig Fortschritte machen.
Parallel dazu haben wir eine Investorenrunde gestartet und suchen nach potenziellen Partnern. Dabei legen wir großen Wert auf Partnerschaften, die unseren Spirit teilen, um sicherzustellen, dass ein Investment unseren Weg nicht komplett verändert, sondern ergänzt und stärkt.
Welche Wachstumsziele verfolgt ihr für 2025?
Für 2025 planen wir, in allen drei Segmenten voll voranzuschreiten: maximaler Marktstart im Bereich Electrics, den Launch der Classics und die Weiterentwicklung des Innovationsprojekts. Gerade bei Letzterem werden wir auch das Team weiter verstärken und haben bereits vielversprechende Leads und Kapazitäten ausgebaut. Unser Hauptmarkt liegt allerdings außerhalb Österreichs, was unser Wachstum beeinflusst und uns auch in der Standortplanung fordert.
Wir suchen aktiv nach Investoren und gleichzeitig nach größeren Räumlichkeiten sowie noch vielseitigeren Testmöglichkeiten. Unser Ziel ist nachhaltiges Wachstum, statt einen riskanten und und undurchdachten „Hockeystick“ anzustreben. Wir möchten solide aufgestellt in alle drei Richtungen wachsen und die Profitabilität in den jeweiligen Bereichen dynamisch, aber realistisch erreichen.
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