28.02.2024

Wutscher zu Mitarbeiterbeteiligung: “Diskussion in Österreich fehlt die Vogelperspektive”

Interview. Der Weg zur neuen Mitarbeiterbeteiligung in Österreich war von Diskussionen der Interessensvertretungen geprägt. Auf europäischer Ebene verläuft der Diskurs gänzlich anders, erklärt Business Angel und Startup-Rat-Mitglied Werner Wutscher.
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Mitarbeiterbeteiligung - Werner Wutscher | (c) Luiza Puiu
Werner Wutscher | (c) Luiza Puiu

Einige Jahre hat es gedauert, bis Österreich die neue Regelung zur Mitarbeiterbeteiligung und die nicht direkt, aber doch relativ eng damit verbundene neue Rechtsform FlexCo hatte. In diesen Jahren wurde teils heftig diskutiert. Es seien vor allem die Kammern gewesen, die beim einen oder andern Punkt blockierten, hörte man dazu von mehreren Seiten – meist unter der Hand. Am Ende kam ein Kompromiss heraus. Eine “österreichische Lösung”, mit der niemand komplett zufrieden ist.

Unter den Verhandler:innen auf dem Weg zur neuen Mitarbeiterbeteiligung war auch Werner Wutscher. Der Business Angel war als Teil des im Wirtschaftsministerium angesiedelten Startup-Rats am Verhandlungstisch. Mit dem Anfang 2024 eingeführten Gesetz schloss der Investor aber nicht mit dem Thema ab. Im Gegenteil: Nun versucht er, auf europäischer Ebene in der Arbeitsgruppe zum Thema Mitarbeiterbeteiligung des European Innovation Council für Verbesserungen für Startups zu sorgen.

Darüber, welche Verbesserungen auf nationaler und europäischer Ebene wünschenswert wären und warum die Diskussion international ganz anders geführt wird, als in Österreich, sprachen wir mit Wutscher im Interview.


Du bist in der Arbeitsgruppe des European Innovation Council zum Thema Mitarbeiterbeteiligung. Wie steht denn Österreich jetzt mit dem neuen Gesetz im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern dar?

Österreich wird sich damit sicherlich von der vorletzten Stelle, wo wir nach Index Ventures, die dazu seit Jahren eine Übersicht herausgeben, stehen, zu den Spitzenplätzen vorarbeiten. Denn wir haben nun erstmalig in zentralen Bereichen eine einheitliche und klare Regelung, etwa der Dry-Income-Besteuerung, aber auch der Frage der Behaltefristen. Es laufen derzeit die Bewertungen, bei denen ich auch mit eingebunden bin. Ich glaube, das wird Österreich ziemlich nach vorne katapultieren.

Du hast in unserem Vorgespräch gesagt, dass sich die Diskussionen in Österreich und auf europäischer Ebene relativ stark unterscheiden. Was sind denn diese großen Unterschiede?

Auf europäischer Ebene diskutieren wir sehr, sehr intensiv, wie wir den Wettbewerbsnachteil, den Europa gegenüber den USA in dem Bereich hat, aufholen können. Denn es ist, wenn man sich die Zahlen anschaut, faktisch so, dass zu den großen Vorteilen der Amerikaner nicht nur die höheren Mengen an Risikokapital zählen, sondern auch die sehr, sehr gut geregelten Optionen für Mitarbeiter:innen. Im Later-Stage-Bereich werden in den USA 50 Prozent mehr an Unternehmensanteilen an Mitarbeiter:innen ausgegeben, als in Europa. In Europa hingegen gehen zwei Drittel der ausgegebenen Unternehmensanteile nur ans Management. Die anderen Mitarbeiter:innen gehen also eigentlich weitgehend leer aus.

Und das wird als sehr, sehr großer Wettbewerbsnachteil erkannt. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens fällt damit eine sehr starke Komponente der Förderung unternehmerischer Kultur weg. Denn man sieht: Wenn viele Mitarbeiter:innen Unternehmensanteile bekommen und damit ein entsprechendes Kapital aufbauen, gründen viele nachher selbst Unternehmen. In der Literatur redet man vom “Magic Wheel of Entrepreneurship”. Dazu gibt es auch hierzulande gute Beispiele. Man sieht hier deutlich, dass es zu einer viel breiteren Ausrollung von unternehmerischem Denken in der Gesellschaft kommt, was extrem wichtig ist, damit wieder neue Startups entstehen. Bei Spin-Offs fehlen etwa sehr oft diese Serial Entrepreneurs, die technischen Gründer:innen helfen könnten, in den Markt einzutreten.

Ich glaube, dass wir in Österreich sehr oft eine reine Interessensvertretungsdiskussion haben, der manchmal die Vogelperspektive fehlt. Jeder verteidigt seine kleinen Interessen und seinen jeweiligen Schrebergarten.

Der zweite Punkt, der in der Diskussion auf europäischer Ebene ganz wichtig ist, ist Distribution of Wealth. Da geht es um die Frage, wie wir sicherstellen können, dass die Gewinne, die im Startup-Bereich gemacht werden, fairer verteilt werden. Es ist faszinierend für mich, dass diese Diskussion in Österreich überhaupt keine Rolle gespielt hat. Auf europäischer Ebene und auch in der Literatur ist es dagegen ein entscheidender Punkt, dass eine stärkere Beteiligung von Mitarbeiter:innen – also nicht nur des Managements, sondern in der Breite – dazu führt, dass natürlich auch die Gewinne nicht nur bei den Gründer:innen, dem Management und vielleicht ein paar Investor:innen bleiben. Damit kann auch in der Diskussion um die Konzentration von Reichtum von Unternehmerseite ein Beitrag geleistet werden.

Aber wieso haben diese Punkte in der Diskussion um die Mitarbeiterbeteiligung in Österreich und im Entstehungsprozess des neuen Gesetzes keine Rolle gespielt?

Ich glaube, dass wir in Österreich sehr oft eine reine Interessensvertretungsdiskussion haben, der manchmal die Vogelperspektive fehlt. Jeder verteidigt seine kleinen Interessen und seinen jeweiligen Schrebergarten. Das fällt es oft schwer, das Ganze zu sehen. Es wurde etwa in den Verhandlungen zur neuen Mitarbeiterbeteiligung von einer Seite auch die Meinung vertreten, man sollte diese nur aufs Management beschränken und die Mitarbeiter:innen sollten dafür besser bezahlt werden. Dabei ist es aus meiner Sicht gerade in Zeiten wie diesen extrem spannend, wenn man auch Angestellten ein Finanzeinkommen ermöglicht und ihnen damit auch Zugang zu diesen Quellen gibt. Hier gibt es sehr oft ein traditionelles Denken, das es im Sinne neuer Zugänge zu überwinden gilt.

Die neue Regelung zur Mitarbeiterbeteiligung in Österreich ist auf Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeiterinnen und bis zu 40 Millionen Euro Jahresumsatz beschränkt. Ist der Aspekt der Verteilung des Reichtums da trotzdem relevant?

Ich glaube, es ist ein extrem guter Start. Aber wir haben uns von Seiten des Startup-Rats und der Startups hier auch aus diesem Grund viel, viel mehr gewünscht. Es sollten möglichst breit Mitarbeiter:innen über alle Finanzierungsrunden beteiligt werden können. In anderen Ländern sieht man hier jedoch positive Entwicklungen. Schweden hat etwa 2018 eine ähnliche Regelung erlassen mit einer Mitarbeitergrenze von 50 und hat jetzt auf 250 erhöht. In Deutschland waren 250 Mitarbeiter:innen und 50 Millionen Euro Umsatz als Grenzen vorgeschlagen und es wurde mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz auf 500 Mitarbeiter:innen und 100 Millionen Euro Umsatz erhöht. Und die baltischen Länder haben überhaupt keine Begrenzung. Estland, Lettland und Litauen sind übrigens Spitzenreiter, was die Möglichkeiten von Mitarbeiterbeteiligung angeht.

Ich erwarte, dass uns diese Diskussion in der nächsten Zeit begleiten wird und dass über die Zeit noch nachgebessert wird. Dafür gibt es auch ein Review-Klausel im Gesetz.

Neben diesen Grenzen: Wo könnte Österreich im Review-Prozess noch nachbessern? Und gibt es da auch Positiv-Beispiele in Europa?

Ein riesiges Thema ist natürlich auch nach wie vor die Besteuerung. Auch da stechen die baltischen Länder heraus, die Flat-Tax-Modelle haben, die von 15 bis 20 Prozent gehen. In Deutschland wurde mit dem neuen Gesetz eine generelle 25-prozentige Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen vorgeschlagen. Auch Belgien hat dazu ein neues Gesetz erarbeitet. Da sieht man, dass es auch hier sozusagen Bewegung gibt.

Die Steuerunion wird zwar von vielen Mitgliedstaaten abgelehnt, aber in der Mitarbeiterbeteiligung einen europäischen Weg zu gehen und das stärker anzugleichen, wäre spannend.

Ich denke aber, die Frage der Besteuerung ist einer der zentralen Punkte, wo wir europaweit einen Handlungsauftrag hätten. Das diskutieren wir in der Arbeitsgruppe sehr, sehr intensiv als Maßnahme, die die Europäische Union setzen könnte. Die Steuerunion wird zwar von vielen Mitgliedstaaten abgelehnt, aber in der Mitarbeiterbeteiligung einen europäischen Weg zu gehen und das stärker anzugleichen, wäre spannend.

Wir sehen in den Gesprächen, die wir in der Arbeitsgruppe führen, dass die einzelnen Mitgliedsländer durchaus offen für positive Beispiele sind und dass es auch einen Spill-over-Effekt gibt: Die Skandinavier und die Balten haben mit extensiven Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung begonnen. Dann hat Frankreich nachgezogen, dann Deutschland, jetzt auch Österreich und Belgien. Also da ist etwas in Bewegung gekommen. Jetzt wäre es eben spannend, gerade im Besteuerungsbereich noch auch auf europäischer Ebene Modelle vorzuschlagen.

Was wären weitere mögliche Maßnahmen auf europäischer Ebene?

Neben der Besteuerung diskutieren wir sehr intensiv die zentrale Frage des Kapitalmarkts und welche Maßnahmen die EU hier setzen könnte. Wir wissen alle, dass es extrem wünschenswert wäre, wenn Europa einen besser funktionierenden Kapitalmarkt hätte. Dann würden wir uns auch viel leichter in der Startup-Finanzierung tun. Denn wir sind immer nur eine Teilmenge des Kapitalmarktes. Beide Themen – Kapitalmarkt und Besteuerung – sind sehr, sehr harte Bretter. Wir sind uns im Klaren darüber, dass sie unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht einfach zu diskutieren sind. Aber ich denke, gerade im Europawahljahr muss man diese Punkte aufs Tablett bringen.

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(c) Mangomint

Erst Ende 2022 gaben der gebürtige Schärdinger Daniel Lang und seine Eferdingerin Co-Founderin Sandra Huber für ihr in den USA gegründetes Startup (brutkasten berichtete) Mangomint den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Höhe von 13 Millionen Dollar bekannt. Nun holen sich die beiden Gründer:innen erneut Kapital in Höhe von 35 Millionen Dollar. Zu den Investoren zählen Altos Ventures aus San Francisco sowie der SaaStr Fund. Die Bewertung von Mangomint beläuft sich laut dem Startup auf einen “dreistelligen Millionenbetrag”.

Mangomint expandiert nach Europa

Mangomint entwickelt eine SaaS-Softwarelösung für Spas und Wellnesssalons. Bislang war Mangomint nur auf dem US-Markt aktiv. Bereits 2022 kündigte man jedoch an, auch nach Europa expandieren zu wollen. Dieser Ankündigung wird nun umgesetzt.

“Das Ziel dieser Finanzierungsrunde war es, den Internationalisierungsschritt aus den USA heraus zu finanzieren. Wir haben ein erfolgreiches Unternehmen in den USA aufgebaut und kommen damit nun nach Österreich zurück”, so Daniel Lang, Founder und CEO von Mangomint.

Für den Schritt nach Europa wurde schon vor einem Jahr die Mangomint GmbH in der factory300 in der Tabakfabrik Linz gegründet. Hier entsteht aktuell die Zentrale für die Europa-Expansion von Mangomint. Die ersten fünf Mitarbeiter sind bereits aktiv.

“Aus der Tabakfabrik Linz heraus werden wir jetzt den Aufbau von Mangomint Europa steuern. Das Team wird schon bald auf 20 MitarbeiterInnen gewachsen sein”, so Lang weiter.

Entwicklung einer Marketing Suite

Über 10 Millionen Termine werden über die Mangomint-Plattform bereits in Spas und Wellnesssalons in den USA und Kanada jährlich gebucht. Diese Besuche resultieren laut dem Startup in einem “Umsatzvolumen von rund einer Milliarde Dollar.”

Mit Hilfe der SaaS-Lösung soll die Effizienz der Salons, in dem es organisatorische Abläufe wie Terminbuchung und -koordination, Kommunikation mit den KundInnen oder E-Mail-Marketing automatisiert und vereinfacht werden. Das bedeutet weniger Büroarbeit, mehr Zeit für KundInnen und damit höheren Umsatz und Gewinn für die Salons.

Zudem entwickelte das Unternehmen eine neue Marketing-Suite. Mit der das Marketing automatisiert werden soll. “Mit den Automated Flows, die wir jetzt einführen, können unsere Kunden sehr individuelle Prozesse ganz einfach “zusammenklicken”. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten in der Kundenkommunikation oder im Marketing”, so Lang.


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