29.05.2017

Wenn es nicht reicht, nur ein Startup zu gründen

Erfolgreiche Gründer tun es gleich mehrmals. Die Lust und Freude am kreativen Schaffensprozess hört nicht einfach auf, wenn das „Baby” erfolgreich verkauft wurde.
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Was Daniel Mattes erlebt hat, davon träumt wohl jeder Gründer. Zwei Firmen hat der Welser lukrativ an den Mann gebracht. 2009 verkauften er und sein Geschäftspartner Roman Scharf den Internet-Telefonanbieter Jajah für 209 Millionen Dollar an die spanische Telefonica.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Mattes zog ins Silicon Valley und gründete dort die Firma Jumio, die das Bezahlsystem Netswipe entwickelte. Zu ihren Kundenzählten bald Größen wie Airbnb und Western Union – ein Riesenerfolg. Dann reichte es Mattes. Er legte seinen Vorstandsvorsitz bei Jumio zurück. Jumio war zu diesem Zeitpunkt längst kein Startup mehr. Das Unternehmen beschäftigte zuletzt rund 700 Mitarbeiter. Aus dem Startup war ein Konzern geworden. Und ein Konzern ist nichts für Daniel Mattes, meint er im Gespräch. „Ab circa 100 Mitarbeitern braucht es ein echtes Management“, sagt der Unternehmer. Wenn er für eine Idee Feuer und Flamme sei, kremple er die Ärmel hoch und sitze gern bis fünf Uhr in der Früh, um zu tüfteln. „Aber wenn ich plötzlich einen Großkonzern managen müsste, würde ich sterben.“

“Ab circa 100 Mitarbeitern braucht es ein echtes Management.”

Der Vorteil eines Startups sei, dass es kaum Strukturen gebe. Man habe ein schlagkräftiges Team, mit dem man schnell auf alle Eventualitäten reagieren könne. Man könne ganz viel ausprobieren. Aber je größer ein Unternehmen werde, desto träger werde es. „Die Strukturen werden starr, und das zerstört die Kreativität.“ Wobei es schon mit gemischten Gefühlen verbunden sei, wenn man seine eigene Firma verlässt, so wie er zuletzt Jumio. „Erst einmal ist es wie ein Entzug. Du verlierst von einem Moment auf den anderen dein gesamtes soziales Umfeld. Dann entspannst du dich. Und nach zwei Wochen beginnt der Stress, dass du eine neue Idee finden musst.“ Wobei das natürlich nicht der richtige Weg sei. Denn die besten Ideen tauchten nun einmal auf, wenn man entspannt sei. „Und dann ergibt eines das nächste.“ Die Frage, was Mattes macht, wenn er eine Firma verkauft hat, ist also schnell beantwortet: Er gründet eine neue. So wie derzeit in Wien. „42“ gibt es seit dem Vorjahr; das Startup beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz. Konkrete Produkte gebe es noch keine, derzeit forsche man in alle Richtungen. Gegen Jahresende soll sich zeigen, welchen Produkten man sich konkret widmen wolle. Neben der wirtschaftlichen Komponente will Mattes auch, dass „42“ sich zum Thinktank entwickelt. Weil: „So viel Know-how im Bereich der  künstlichen Intelligenz stammt aus Österreich, wandert aber ins Silicon Valley ab. Das will ich ändern. Wir haben jetzt die Chance, als Österreicher Geschichte zu schreiben“, sagt Mattes.

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Es geht um die Überzeugung

Überzeugung. Das heißt, gewissermaßen ist er jetzt, viele Jahre, nachdem er seine erste Firma gegründet hat, wieder am Anfang. Mit einem kleinen Team arbeitet er Tag und Nacht an seiner Idee. Und ist dabei voll in seinem Element. „Ich krieg eine Gänsehaut, nur wenn ich darüber rede“, sagt Mattes und gerät ins Schwärmen. „Ich träume die ganze Nacht von den Ideen. Ich bin so glücklich wie seit Jahren nicht mehr.“ Wobei: Ganz von vorne beginne man nicht. Der Vorteil, wenn man schon öfter gegründet habe, sei, dass man bereits ein Team um sich habe, dem man vertraut. Und dass man Erfahrung habe. Aber die Firma baut er trotzdem ganz von vorne auf. Und das sei genau sein Ding: Von einem leeren Blatt Papier aus ein Unternehmen entwerfen. Leute von seinen Ideen überzeugen. Diese Freude am kreativen Schaffensprozess sei etwas, das alle Gründer gemeinsam hätten. „Es ist das Geilste, was man machen kann.“ So wie Daniel Mattes ticken viele Unternehmer. Man hört das oft: Es gehe ihnen nicht primär darum, mit einem Verkauf Geld zu machen, sondern um die Aufbauarbeit an sich. Deshalb wird man auch kaum einen Gründer finden, der sich nach dem erfolgreichen Exit für den Rest seines Lebens an den Strand legt. Im ersten Moment habe er sich das zwar schon gedacht, sagt Klaus-M. Schremser. „Im ersten Moment dachte ich mir: Ab jetzt mache ich nur noch Urlaub.“

„Es ist das Geilste, was man machen kann.“

“Es wird dann doch recht schnell fad.”

2012 verkaufte er seine Firma Gentics, die er zwölf Jahre davor gegründet hatte, an die Austria Presse Agentur. Wenn ein Konzern ein Startup kauft, gibt es in der Regel eine Bindungsfrist, während der der Gründer im Unternehmen bleiben muss. Schremser blieb drei Jahre, dann schied er aus. „Und dann macht man einmal Pause“, sagt er. Fadesse. Sechs Monate lang widmete er sich dem Bau seines Hauses, bereiste die Welt; freute sich, dass er nicht mehr über Geld nachdenken musste. Dass er, wenn er nicht in Saus und Braus lebt, wahrscheinlich nie wieder arbeiten müsste. Aber er merkte schnell, dass ihm das nicht genug war. „Es wird dann doch recht schnell fad. Unternehmer wird man ja, weil man recht umtriebig ist“, sagt Schremser. „Irgendwann fängst du automatisch etwas Neues an.“ Er probierte es mit Beteiligungen, aber das sei nicht so seins. Mittler weile arbeitet er am Aufbau eines neuen Startups: „be.ENERGISED“, eine Plattform zum Management von Ladestationen für Elektroautos. Dass er schon eine Firma verkauft hat, habe dazu geführt, dass er entspannter an die Sache herangeht. Und mit mehr Erfahrung. „Das ist der klare Vorteil, wenn man schon einmal ein Unternehmen verkauft hat.“ Verkauft. Das, was Daniel Mattes als „Entzug“ beschreibt, kennt auch Klaus-M. Schremser. „Aus dem Unternehmen aussteigen, an dem ich 15 Jahre lang gearbeitet habe, war schon ein Wendepunkt.“ Es sei auch Wehmut dabei gewesen, als er verkauft habe, auch, weil drei Viertel seiner Freunde im Unternehmen arbeiteten. „Die Firma ist einfach dein Baby.“ Aber er sei immer darauf eingestellt gewesen, dass er einmal an diesen Punkt kommen würde. „Und ich habe immer gesagt: Ich werde nicht aus Wehmut Nein sagen.“

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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