17.03.2023

Wasner zur KI in Österreich: “Minister hat Job verfehlt”

Laut Ansicht von Experten ist Österreich im KI-Bereich nicht einmal ein Entwicklungsland. Trotz guter Rahmenbedingungen fehle der politische Wille.
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Künstliche Intelligenz hat in Österreich keinen hohen Stellenwert.
Künstliche Intelligenz hat in Österreich keinen hohen Stellenwert. (c) Adobe Stock / metamorworks

Heimat bist du vergebener Chancen. Österreichs Politik verpasst laut Ansicht mehrerer Expert:innen seit Jahren in beeindruckender Konstanz den internationalen Anschluss im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Dabei würden die Rahmenbedingungen für den Standort sprechen, politische Aktionen hingegen nicht.

ELLIS-Units als gute Rahmenbedingung

„Österreich hat eine sehr gute Ausgangsposition, wird aber in der Bedeutungslosigkeit verschwinden”, sagt Clemens Wasner, Vorstand von AI Austria, im brutkasten-Gespräch. Die Infrastruktur wäre hierzulande gegeben. Mit dem European Lab für Learning & intelligent systems in Linz, der TU Graz und dem Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg stellt Österreich drei von insgesamt 35 Vertreter im europaweitem KI-Forschungsnetzwerk ELLIS (European Laboratory for Learning and Intelligent Systems). Selbstverständlich ist das nicht. Während das Linzer Institut bereits in der ersten Runde 2019 den Zuschlag für eine ELLIS-Unit erhalten hatte, konnten renommierte Universitäten wie unter anderem Oxford und Cambridge erst in weiteren Anläufen reüssieren.

Das Ziel von ELLIS ist es, europäische KI-Forschungs-Hotspots zu vernetzen, um Forschungsdurchbrüche zu ermöglichen. Europa soll so im technologischen Wettlauf mit China und den USA Schritt halten. Die meisten europäischen Staaten hätten den Nutzen und das Potenzial von ELLIS bereits erkannt – Österreich nicht, kritisieren Experten.

Fehlende öffentliche Gelder

Laut Günter Klambauer, KI-Experte an der JKU Linz, ist es besorgniserregend, dass im Rahmen der Cluster-of-Excellence-Wissenschaftsförderung, brutkasten berichtete, kein KI-Projekt ausgewählt wurde. Dabei hatten die drei ELLIS-Units aus Österreich gemeinsam mit drei Partner-Forschungseinrichtungen einen Antrag gestellt, um die KI-Forschung in Österreich weitervoranzutreiben. Eine brutkasten-Anfrage beim Wissenschaftsministerium, das für die Fördervergabe verantwortlich ist, nach welchen Kriterien die Projekte gefördert wurden, blieb unbeantwortet. Bei der Fördervergabe sprach Wissenschaftsminister Martin Polaschek davon, dass man bei den geförderten Projekten den Fokus darauf legte, dass sich diese allesamt mit den brennenden Fragen der Zukunft beschäftigen.

Im internationalen Vergleich entpuppt sich Österreich als schwarzes Schaf in der KI-Förderung Beispielsweise fördert Schweden in nur einem Programm (WASP) KI mit knapp 500 Millionen Euro. Darin enthalten sind 50 neue Professuren, 400 PhD Stellen, 60 neue Forschungsteams. Die österreichische Bundesregierung fördert KI hingegen nicht gesondert.

Staatliche Investitionen in KI. Quelle: Brookings

Laut Wasner gebe es zwar eine Vielzahl an Förderprogrammen, bei denen KI immer wieder mal aufschlägt, wie beispielsweise: das FFG Basisprogramm, das AWS Pre-Seed & AWS Seed sowie eine Förderung der Wirtschaftsagentur Wien Innovation. Das Gesamtvolumen der Förderungen ist mit ein bis drei Millionen Euro aber überschaubar. Hinzu kommen Schwerpunktförderungen von einzelnen Ministerien. Das Klimaschutzministerium investiert beispielsweise laut eigenen Angaben im Jahr 2023 über 60 Millionen Euro in KI. Jedoch nicht in die so wichtige Grundlagenforschung im KI-Bereich, kritisieren Experten.

So ist Österreich im internationalen Vergleich bezüglich der staatliche KI-Förderung weit abgeschlagen und derzeit auf einem Niveau mit Uganda. Große Projekte, technologischer Fortschritt und Forschungsdurchbrüche lassen sich dadurch nicht realisieren. “Beim Cluster-of-Excellence Antrag hätten wir 32 Millionen beantragt, darin enthalten drei Tenure-Track Professuren (“Nachwuchs-Professuren”), 60 PhD-Stellen und sieben neue Forschungsteams – nicht einmal das haben wir bekommen”, kritisiert Klambauer.

Keine international-anerkannte KI-Strategie

Trotz der guten Ausgangslage hat Österreich im KI-Sektor immer weiter an Boden verloren. Laut Wasner und Klambauer fehle es am Reformwillen der Politik. In jedem anderen Land wäre KI mittlerweile eines der drei-wichtigsten Themen: „Österreichs Politik verabsäumt es leider seit Jahren auf Bundes- und Landesebene dieser Entwicklung mit Investitionen Rechnung zu tragen und gilt daher nicht umsonst als eines der weltweiten Schlusslichter“, so Wasner.

Dabei hatte man auch in der Vergangenheit schon einige Chancen verpasst. Im Jahr 2018 hatten ÖVP und FPÖ bereits eine Strategie geplant, die konkrete Fördermittel enthalten hätte. Die Ziele und die fertige Strategie hätten im dritten Quartal 2019 präsentiert werden sollen. Die Koalition ging jedoch zuvor aufgrund des verhängnisvollen Urlaubs von Heinz-Christian Strache auf Ibiza in die Brüche.

Die türkis-grüne Nachfolger-Regierung konnte sich nur noch zu einem Absichtspapier durchringen, das laut internationalen Beobachter:innen keine KI-Strategie ist. Die dritte vergebene Chance war nun laut Klambauer die Nicht-Berücksichtigung von KI-Projekten beim Cluster of Excellence-Förderungsprogramm.

Fachkräfte ohne Arbeitsplatz

“Der Skandal ist, dass Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern die Forschung im KI-Bereich nicht gesondert durch öffentliche Gelder fördert”, sagt Klambauer. So gibt es finanzielle Unterstützung für Unternehmen, die KI nutzen, und vereinzelte Projekte aber nicht konkret für Universitäten und Forschungseinrichtungen. International ist das ein Unikat. Bis heute hat Österreich trotz guter Rahmenbedingungen keinen KI-Cluster. Klambauer sehe Österreich daher nicht einmal auf der Ebene eines Entwicklungslandes im KI-Bereich. Dabei wäre KI laut den Experten die Key-Technologie zur Bewältigung diverser Krisen.

Ein Blick über die Grenzen bestätigt: Österreich hinkt hinten nach. Die ETH in Zürich bekommt 200 Millionen Euro staatliche Fördergelder für ihr ELLIS-Institut. In den Niederlanden wurden 2,1 Milliarden Euro für die KI-Forschung von öffentlicher Hand zur Verfügung gestellt. Wasner kritisiert daher den zuständigen Minister Martin Polaschek: “Ein Wissenschaftsminister, der im Jahr 2023 keinerlei Akzente im KI-Bereich setzt, hat den Beruf verfehlt oder lebt in der Vergangenheit – beides keine guten Aussichten für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort“ Eine brutkasten-Anfrage, ob in Zukunft bundesweite Förderungen für die heimischen ELLIS-Units geplant sind, blieb vom Wissenschaftsressort unkommentiert.

Der Grund könne dem Experten zufolge im Wissenschaftsverständnis der handelnden Personen liegen. „Ich habe den Eindruck, dass die Politik KI noch immer als Grundlagenforschungsgebiet sieht und befürchtet, man hätte ohnehin schon alles verpasst“, so Wasner. Jedoch sind speziell im KI-Bereich Fortschritte auch in der Grundlagenforschung schnell erzielbar.

Fehlende KI-Strategie geht ins Geld

Eine verfehlte KI-Strategie dürfte weitreichende Folgen haben. Berechnungen des deutschen eco-Verband für Internetwirtschaft zufolge, hätte KI einen erheblichen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum. Aus einem Bericht aus dem Jahr 2020 geht hervor, dass KI das BIP in Deutschland bis 2025 um 13 Prozent erhöhen könnte. Eine PwC-Studie aus dem Jahr 2018 prognostizierte zudem, dass 2030 knapp die Hälfte der wirtschaftlichen Gewinne von einer KI lukriert werden könnten.

Um dieses Potential abzurufen, bräuchte es in Österreich das nötige KI-Ökosystem, sagt Klambauer. Derzeit gibt es in Österreich rund 1.500 KI-Studierende. Ändert sich nichts an der Struktur und dem politischen Kommittent im Land dürften diese abwandern, befürchtet Klambauer. Apple und Google haben das Potential der österreichischen Rahmenbedingungen erkannt, die Bundesregierung indes nicht.

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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