19.08.2024
CORPORATE VENTURING | FOLGE 5

Was bei Venture Clienting und Cross-Industry-Collaboration zu beachten ist

Nachlese. Was bewegt Corporates dazu, mit Startups zu koopieren? Welche Vorteile hat Corporate Venture Clienting und welche Erfolgsfaktoren für eine gelungene Kooperation lassen sich benennen? Um diese Fragen dreht es sich in Folge 5 unserer Schwerpunktserie "Corporate Venturing". Mit dabei sind diesmal Plug and Play Austria, AVL, Elevator Ventures und Infineon.
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Collage und Titelbild der CV Serie Fotos der Gesprächspartner
vlnr. Andreas Muehlberger (Strategic Partner Manager, Infineon); Maximilian Schausberger (Managing Director, Elevator Ventures); Sebastian Jagsch (Global Head of Creators Expedition, AVL); Nik Munaretto (Managing Director, Plug and Play Austria)

“Corporate Venturing” is powered by AVL, Elevator Ventures, Flughafen Wien – Vienna Airport, ÖBB, Plug and Play Tech Center, Raiffeisen Bank International AG, UNIQA Ventures und VERBUND AG.


Mit der brutkasten-Serie Corporate Venturing widmen wir uns Innovationsaktivitäten von Großunternehmen wie der Zusammenarbeit mit Startups und Scaleups oder dem Venture Building. Wir arbeiten dabei heraus, wie unterschiedlichste Aktivitäten in diesem Feld als Innovationsmotor für die österreichische Volkswirtschaft fungieren können.

In dieser Folge kommen Vertreter von Corporates zu Wort, die ihre Sicht auf die Frage: “Warum mit Startups kooperieren?” darlegen. Sie beschreiben wie die Zusammenarbeit gelingt, welche Learnings aus vergangenen Projekten gezogen wurden und warum sich Startups und Corporates auf verschiedene Arten zusammentun sollten.

Zu Gast bei brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic waren dazu Nik Munaretto von Plug and Play Austria, Sebastian Jagsch von AVL, Maximilian Schausberger von Elevator Ventures, dem Venture-Capital-Arm der Raiffeisen Bank International (RBI) und Andreas Mühlberger von Infineon.


1. | Beweggründe für die Kooperation mit Startups

2. | Fokus auf Kooperationsform des Venture Clienting

3. | Fokus auf Kooperationsform der Cross-Industry-Collaboration

4. | Erfolgreiche Kooperationen: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen


1. | Warum Corporates mit Startups kooperieren

Mit großer Einigkeit unter den Vertretern werden die Vorteile der Zusammenarbeit zwischen Corporates und Startups besprochen. Dabei beleuchten die Corporate-Venturing-Vertreter aus ihren unterschiedlichen Perspektiven, warum sie mit Startups zusammenarbeiten und welche Vorteile sie in der engen Kooperation sehen.

“Man muss nicht alles intern erfinden und herumbasteln”

Werden Anwendungen und Lösungen firmenextern entwickelt, kann es für etablierte Unternehmen einen Innovationsschub bedeuten. Durch die enge Kooperation bringen Startups ihr Spezialwissen in ein Unternehmen ein. Sich dieses Wissen selbst zu erarbeiten würde wiederum einen hohen Aufwand für das Unternehmen bedeuten. Durch Corporate-Startup-Collaboration ergeben sich also Effizienzvorteile. Das sieht auch Plug and Play Managing Director Nik Munaretto und erklärt: “Man muss nicht alles intern erfinden und herumbasteln”.

“Es ist oft viel, viel schneller und es gibt viel mehr Benefits, Startups ins Unternehmen reinzuholen, die wirklich fokussiert auf ein Thema sind”. Warum Corporates mit Startups eng zusammenarbeiten liegt also für Munaretto von Plug and Play auf der Hand: “Am Ende des Tages habe ich Cost Savings und habe mehr Umsatz. Das ist eigentlich unserer Meinung nach einer der größten Benefits”, sagt der Managing Director.

Seit mehr als sieben Jahren hat sich AVL bereits diesem Thema gewidmet. Das Unternehmen fokussiert sich dabei vor allem auf Co-Innovation. Dabei werden Produkte und Services für AVL-Kunden in Kooperation mit Startups generiert. So können Startup-Technologien genutzt werden, in die sich die Corporates selbst noch nicht hineinbewegt haben und diese dann “schneller und effizienter an den Markt” gebracht werden, sagt Sebastian Jagsch von AVL. Im Gespräch betont er das Potenzial für Effiziensteigerung durch Co-Innovation.

Startups gehen schneller an den Markt

Maximilian Schausberger von Elevator Ventures, dem RBI-Venture-Capital-Bereich, sieht Startups als “Profis für den Product-Market-Fit”. So würden Startups eng am Markt agieren und dementsprechend rasch entscheiden, ob ein Projekt erfolgreich ist und weiterverfolgt werden sollte. “Neuer Versuch, bis es funktioniert”, fasst der RBI-Vertreter die Startup-Mentalität zusammen.

Für Corporates ergibt sich durch das permanente Testen so die Möglichkeit, in einer kurzen Zeitspanne Produkte nutzbar zu machen. Corporate-Startup-Collaboration-Projekte machen für Schausberger deshalb Sinn, weil sie nach dem Motto funktionieren: “Lasst uns denen helfen und sie helfen uns, etwas rascher an Mann und Frau zu bringen”.

Die Vorteile der Startup-Kooperation erkennt Andreas Muehlberger von Infineon vor allem im Zugang zur Expertise der großen Unternehmen. Startups profitieren vom engen Kontakt mit Fachkräften der Corporates und dem Erfahrungsschatz großer Unternehmen. Für Infineon ergeben sich aus etwa zwei Drittel der Startup-Kooperationen danach Lieferanten-Kunden-Beziehungen. Das verbleibende Drittel der Startups entwickelt sich zu einem Zulieferer von Infineon und steuert in dieser Form von Außen IP bei.

2. | Vorteile des Corporate Venture Clienting

Corporate Venture Clienting beschreibt der Experte von AVL, Sebastian Jagsch wie folgt: “Wir werden Kunde eines Startups”, weil Corporates “lieber mal etwas einkaufen, als das wir es selbst machen”. Vor allem in Branchen, die sich schnell entwickeln, wäre diese Kooperationsform sinnvoll. Er nennt hier Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI). In diesen Themenfeldern können Startups schneller entwickeln als Corporates.

Wie Startups von Venture Clienting profitieren

Startups profitieren von dieser Kooperationsform – und das sogar über den Kundengewinn hinaus. So ergeben sich Vorteile von Venture Clienting dadurch, dass die enge Beziehung mit einem etablierten Unternehmen auch mit einem Reputationsgewinn für das Startup einhergeht. Außerdem erlaubt eine sichere Kunden-Lieferanten-Beziehung es auch, Produkte im Sinne eines Blueprints auszuprobieren. So entsteht auch ein Vorsprung gegenüber anderen Startups, von dem wiederum Corporates profitieren, erzählt Jagsch. “Natürlich hätten wir da gerne noch einen Stake mit drinnen, wir machen das mit einem wirtschaftlichen Interesse”, sagt der AVL-Vertreter.

Den Sinn von einem Startup-Programm erklärt Andreas Muehlberger von Infineon so: “Es ist einmal der erste Schritt, um in eine so große Organisation wie Infineon die Tür zu öffnen.” Dabei ergibt sich für Startups die Möglichkeit, die eigene Idee mit Fachpersonal aus den großen Unternehmen zu besprechen und dann mit den richtigen Ansprechpartner:innen gemeinsam das Pilotprojekt umzusetzen. “Das bringt sehr viel Zusammenarbeit, Vernetzung und Gewinn für das Startup”, sagt Muehlberger. Er nennt auch ein konkretes Beispiel für eine Kooperation mit einem schwedischen Unternehmen: “Zuerst hat man kooperiert und binnen einem halben Jahr ist es zu einem M&A gekommen, das Startup ist jetzt Teil von Infineon.”

Venture Clienting braucht Prozesse

Damit die Vorteile der Venture-Clienting-Kooperation auch greifen können, ist ein etablierter Prozess in der Zusammenarbeit notwendig, betont Nik Munaretto von Plug and Play Austria. Dieser Prozess umfasse sowohl das Testen der Kooperationspartner als auch der Projekte.

Möglichst viele Mitarbeiter:innen in der Organisation mit den Startups in Kontakt zu bringen, sei eine zentrale Komponente im Venture Clienting. Ein Unternehmen müsse auch die internen Prozesse auf die Zusammenarbeit mit Startups umlegen. Maximilian Schausberger nennt hier einige Bereiche von der IT-Infrastruktur über die IT-Sicherheitsstruktur bis hin zu Datensicherheit und Procurement. Diese Abläufe würden durch das Hinzukommen von Startups berührt und müssten auch verändert werden. Für Schausberger ist es daher wichtig, hier eine Basis zu legen und sicherzustellen, dass im Falle von enger Corporate-Startup-Collaboration diese Verbindungen bereits geklärt sind. Dafür empfiehlt Schausberger einen Zeitraum von bis zu drei Jahren.

Im Gespräch bringt Jagsch einen konträreren Gedanken dazu ein. Er lädt Corporates dazu ein, die Venture-Clienting-Beziehung pragmatisch anzugehen. “Lieber mit einem Beispiel beginnen und sich einmal trauen, das Venture einzugehen”, meint Jagsch. Denn es wäre problematisch, “wenn man zuerst das Programm baut, dann viele POCs durchspielt und dann das Werteversprechen nicht einhalten kann”. Der AVL-Vertreter empfiehlt den schnellen Einstieg in die Kooperation.

Quick-Wins säen und Verständnis ernten

Dass Venture Clienting eine gewisse Form der organisierten Kooperationsstrukturen braucht, darüber sind sich die Vertreter einig. “Weil ohne Prozesse ist es so, als schmeiße man etwas ins Leere hinein und hoffe auf das Beste”, erklärt Munaretto. Dennoch braucht der Aufbau dieser Strukturen Zeit und Ressourcen.

Um hier die “skeptischen CFOs” zu überzeugen, empfiehlt Munaretto “low-hanging fruits”, wie zum Beispiel Effizienzprobleme im Accounting oder anderen Unternehmensbereichen mit Startup-Kooperationen zu verbessern. Diese wenig aufwändigen und dennoch sehr sichtbaren Verbesserungen würden gute Werbung für Startup-Corporate-Beziehungen sein und würden beweisen, “dass Startup-Kooperation funktioniert”, sagt Munaretto.

Im eigenen Unternehmen überzeugen

Wie man unterschiedliche Unternehmensbereiche auf den Venture-Clienting-Zug aufspringen lässt, weiß Jagsch: Leuchtturmprojekte vorstellen und erfolgreiche Beispiele für Kooperationen unternehmensintern zu kommunizieren, wären Möglichkeiten im Unternehmen eine Startup-freundliche Kultur zu etablieren.

“Ein synergetisches Miteinander”, ergibt sich daraus, dass jene Startups, die eng mit den Corporates zusammenarbeiten, auch Produktverantwortung haben, sowie strukturierte Agile-Teams zur Verfügung gestellt bekommen. Das erklärt Schausberger am Beispiel von Venture-Clienting-Kooperationen, in denen die RBI auch involviert war.

Die Formen des Venture Clienting

Für Munaretto gehen aus einem Corporate Venturing Programm zwei Ansätze hervor: Entweder hat ein Corporate ein Problem, das gelöst werden muss, oder es möchte mithilfe einer neuen Technologie etwas Neues entwickeln.

Bei letzterem geht es darum, zukunftsweisende Technologien wie AI zu erkunden, obwohl noch unklar ist, wie sie genau genutzt werden können. Unternehmen sprechen deshalb mit vielen Startups, um mögliche Anwendungsfälle zu identifizieren. Häufiger, erklärt Munaretto, wird jedoch ein konkretes Problem erkannt, für das gezielt ein Startup genutzt werden soll. Am Beispiel vom Flughafen Wien erörtert Munaretto diesen Ansatz.

In einem Programm, das auf Partnerschaften ausgerichtet ist, selektiert man jene aus, die rasch Resultate liefern können, sagt Maximilian Schausberger. Innovative Unternehmen, deren Nutzen erst nach einiger Zeit sichtbar wird, würden so öfter durchfallen. In einem Venture-Clienting-Ansatz ergibt sich jedoch die Möglichkeit, dass Corporates diesen Unternehmen und ihrer Entwicklungsreise beiwohnen können.

Anders sieht das der AVL-Vertreter: “Für uns ist Innovation nicht unsere Weiterentwicklung, die Core-Innovation würden wir nicht als Innovation bezeichnen”, erklärt Jagsch. Er unterscheidet hier zwischen Venture-Clienting-Elementen in internen Unternehmensbereichen und der Adjacent-Innovation in anderen Geschäftsbereichen oder Märkten. Bei zweiterem wäre der ROI sehr viel schwieriger messbar. AVL setzt daher mehr auf Partnerschaften als auf Venture Clienting.

Venture Clienting kostet und Ressourcen müssen definiert sein

Jagsch erklärt auch, dass Venture Clienting Kosten verursacht, da Startups Aufwände haben, um mit dem Unternehmen zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen stellt dafür Budgets bereit, so werden Kooperationskosten nicht zur Hürde. Dabei ist das Budget flexibel und kein fixiertes Projektbudget, das vom Startup selbst beantragt werden muss. “Wir sind hier fair und das Budget sollte nicht die Hürde sein, weswegen ein Projekt nicht zustande kommt”, sagt Jagsch über die Handhabe bei AVL.

Ähnlich sieht das auch Mühlberger von Infineon. Das Unternehmen handhabt die Kooperationskosten ähnlich. Venture Clienting bei Infineon bedeute aber auch, dass die Zusammenarbeit mit Startups auf Projektbasis erfolgt, dadurch entstehende Aufwände werden vergütet. Allerdings kooperiert Infineon erst in einer späteren Phase mit den Startups, wenn ein erster Prototyp oder eine konkrete Idee vorhanden ist. Wenn dies der Fall ist, wird ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. “Im Bereich Venture-Clienting ist es so, dass wenn die etwas für uns machen, unterstützen wir konkret und vergeben Aufträge”, sagt Muehlberger.

“Cool, wir haben auf euch gewartet”, sagen die wenigsten der besten Startups, weiß Munaretto von Plug and Play. Er betont deshalb, dass Ressourcen – sowohl finanzielle als auch personelle – vorhanden sein müssen, bevor Corporates mit einem Startup zusammenarbeiten können. Es wäre wichtig, wer im Unternehmen mit dem Startup kooperiert, damit die Zusammenarbeit erfolgreich wird und für beide Seiten einen Nutzen bringt.

3. | Fokus auf Kooperationsform der Cross-Industry-Collaboration

Die Cross-Industry-Collaboration ist eine weitere Form der Startup-Corporate-Collaboration. Hier verbinden sich unterschiedliche Corporates, um gemeinsame Herausforderungen mithilfe von Startups zu bewältigen. Dabei kann diese Kooperation auch institutionalisiert sein und verschiedene Branchen zusammenbringen.

Über die Bringschuld der Corporates

Cross-Industry-Collaborations mit Startups gebe es auf zwei unterschiedlichen Wegen, weiß Sebastian Jagsch von AVL. Ersterer wäre: Es besteht gemeinsam mit den Startups das Ziel darin, zusammen einen Dritten, also einen Kunden, zu gewinnen, dem sie die gemeinsam erarbeitete Lösung verkaufen wollen. Für AVL gilt das als der einfachste Cross-Industry-Weg, denn die gemeinsame Lösung hat sich schon bewiesen. Jetzt geht es darum, den Kunden zu überzeugen. Dabei sind Startup und Corporate bereits verbündet.

Schwieriger wird es beim zweiten Fall, den Jagsch beschreibt. Nämlich jener, in dem es noch keine fertige Lösung und möglicherweise auch kein klares Problem gibt. Bereits besteht aber für Corporates die Vermutung, dass ähnliche Herausforderungen existieren. Die Aufgabe der Corporates, wie AVL, sieht Jagsch dann darin, sich zu verbinden und gemeinsam die Startups effizienter zu nutzen. So sollen sich Corporates zusammenfinden und allgemeine Problemstellungen formulieren, damit sich Startups an die Lösungsfindung machen können, ohne durch verschiedenste Unternehmensanforderungen in ihrer Arbeit verwirrt zu werden.

“Und das müssen wir tun, das ist unsere Bringschuld als Corporates, uns hier zusammenzusetzen und zusammenzuarbeiten”, findet Jagsch. AVL hat hier ein Programm und eine Plattform gestartet, in der bereits 20 Unternehmen aus dem DACH-Raum zusammengeführt werden. “Definitiv auch Energie investieren” wird Infineon in diesem Bereich, erzählt Muehlberger.

Dinge gemeinsam anzuschauen, macht durchaus Sinn

Cross-Industry-Collaboration wird auch von Maximilian Schausberger gelobt, der das Beispiel von Elevator Ventures und VerbundX einbringt. Schausberger beschreibt hier die Win-Win Situation, die sich aus den unterschiedlichen Expertisen ergibt, wenn es um die Bewertung von Startups geht. “Wir bringen unsere Expertise ein, Verbund bringt ihre ein. Und ich glaube, so ist es wieder eine Win-Win-Situation, wo man Unternehmen aus mehreren Blickwinkeln gut analysieren kann”, sagt Schausberger.

Für Plug and Play ist die Cross-Industry-Vernetzung ein immens wichtiger Geschäftsbereich, berichtet Munaretto. Als Beispiel nennt er das “Startup Autobahn”, das Office von Plug and Play in Stuttgart. In diesem sind mehrere Kunden wie Porsche, Mercedes-Benz und Hyundai zwar Konkurrenten, schließen sich aber gemeinsam auf einer Plattform zusammen. So können sie an branchenweiten Herausforderungen arbeiten. Diese Zusammenarbeit zielt darauf ab, Probleme zu lösen, die nicht nur die einzelnen Unternehmen, sondern die gesamte Industrie betreffen. Durch Cross-Industry-Collaboratio können Startups hier also Probleme lösen, die die Industrie betreffen und nicht nur die einzelnen Unternehmen. “Es finden sich Konkurrenten auf der gleichen Plattform wieder, die sagen, wir arbeiten zusammen”, fasst Munaretto die Kooperation zusammen.

4. | Erfolgsfaktoren und Herausforderungen bei Startup-Corporate-Collaboration

Die Erfolgsfaktoren der Kooperationsformen zeichnen sich auch durch klare KPI-Vereinbarungen zwischen den Kooperationspartnern aus. Zudem wird die Frage gestellt, wie weit Exklusivitätsvereinbarungen unterzeichnet werden sollten und warum es dedizierte Teams oder Champions innerhalb von Unternehmen braucht, die sowohl Koordination als auch Übersetzungsleistungen einbringen.

Verbindlichkeit erzeugen in der Kooperation, aber nicht unbedingt Exklusivität

Infineon legt verbindliche Zieldefinitionen der Kooperation schon in den Pilotprojekten fest. Diese dauern gewöhnlich drei bis sechs Monate. Pilotprojekte sind auch “die Basis für ein erstes Alignment mit den Startups”, sagt Muehlberger.

Uneinigkeit herrscht beim Thema Exklusivität in der Startup-Corporate-Beziehung. Für den Vertreter von Plug and Play gilt das Thema als “schwierig”. Er sagt, Exklusivität “empfehlen wir grundsätzlich nicht”, denn offen bleiben wäre für Startups meist die bessere Variante.

AVL-Vertreter Jagsch rät hier zur Fokussierung. Für ihn ist es wichtig, dass Startups sich in der frühen Phase auf wenige, ausgewählte Partner konzentrieren. Exklusivität versteht er eher als Fokussierung. Für manche Startups ist das ein Erfolgsfaktor, auch wenn dies nicht unbedingt vertraglich festgelegte Exklusivität bedeuten müsse.

Infineon verlangt teilweise Exklusivität bei Startup-Kooperationen, der Normalfall sei es aber nicht, erklärt Mühlberger. Exklusivität würde aber dann nicht vereinbart werden “wenn Startups Kunden von uns werden, wir keinerlei Interesse an deren IP haben, sondern sie einfach unsere Produkte nutzen und coole Applikationen entwickeln sollen, wo sie unsere Produkte einsetzen”.

Übersetzungsteams sind für die Kooperation unumgänglich

“Wir sprechen unterschiedliche Sprachen”, weiß Jagsch über Startups und Corporates. Für Startups ist es wichtig, dass Unternehmen Ansprechpersonen nennen, die als Schnittstelle fungieren. Im besten Falle haben sie dafür kompetente Networker:innen gewählt, die intern gut vernetzt und in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und Aufgaben zu verteilen. Eine zentrale Koordinierungs- und Vermittlerrolle innerhalb der Corporates finden alle Vertreter wichtig. Schausberger beschreibt auch, dass diese zentrale Einheit verhindert, dass zu viele Einzelpersonen aus dem Unternehmen die Startups ansprechen, was negativ zur Außenwahrnehmung des Unternehmens beiträgt.


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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