23.01.2024

Von Lasern, Leidenschaft und Nobelpreisen: Eine kurze Reise durch die Welt der Innovation

Gastbeitrag. Tilia Stingl de Vasconcelos Guedes von der FH Wien der WKW, Department of Digital Economy, hat bei der Gründung ihres Startups die Problematik von Innovation erkannt. Und beschreibt, wie sie das Problem eines nicht-existenten Marktes für ihre Technologie gelöst hat.
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Innovation, Tilia Stingl de Vasconcelos Guedes, Laser, Nobelpreis, Ferenc Krausz
(c) Renée Del Missier - Tilia Stingl de Vasconcelos Guedes.

Im Jahr 1997, vier Jahre vor dem bahnbrechenden Attosekunden-Laser-Experiment, das Ferenc Krausz und seinen Kolleg:innen den Nobelpreis 2023 sichern sollte, hatte ich das Privileg, als Mitgründerin an der Seite von Ferenc und vier weiteren Mitstreiter:innen ein Startup (Anm.: Femtolasers; Exit 2015 an Newport, heute unter Spectra Physics Vienna weitergeführt) ins Leben zu rufen.

Das Lasersystem-Startup und die Innovation

Unser Startup konzentrierte sich darauf, Lasersysteme zu entwickeln und zu kommerzialisieren, die damals revolutionär waren und heute noch immer einzigartig sind. Mit einer Kombination aus patentierten Verfahren in der Femtosekunden-Lasertechnik und gebündeltem Expertenwissen aus der ganzen Welt hatten wir auch den Zeitgeist auf unserer Seite. Dieser Innovationsvorsprung machte das Unternehmen in der Branche weltweit bekannt. Im Laufe der Jahre wuchs unser Team auf 52 Mitarbeiter:innen an. 2015 markierte einen Meilenstein, als die Firma von einem etablierten amerikanischen Großunternehmen übernommen wurde.

Die Geschichte unseres Startups – und meine Teilhabe daran – mag auf den ersten Blick wie eine glückliche Fügung mit stetigem, gesichertem Wachstum und Erfolg erscheinen. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich jedoch ein komplexes Geflecht aus unerwarteten Herausforderungen, harter Arbeit, Rückschlägen, Ausdauer, Begeisterung und Teamarbeit.

Die Zusammenarbeit in unserem Startup war für mich eine intensive Lernreise im Bereich Innovation. Jetzt, da Ferenc Krausz seinen verdienten Nobelpreis in Physik erhalten hat, reflektiere ich darüber, wie viel ich durch seine Herangehensweise über Innovation gelernt habe.

Eine Erfindung ist noch keine Innovation

Die Gruppe an der TU Wien, geleitet von Ferenc Krausz, war eine außergewöhnliche Zusammenstellung brillanter Köpfe und kreativer Tüftler. Wenn ein Experiment vielversprechend erschien, arbeiteten sie oft tage- und nächtelang im Labor. Ausgefeilte Theorien waren dafür die Grundlage, doch der tatsächliche empirische Nachweis dieser Ideen und ihre praktische Umsetzung waren entscheidend für das Fortkommen und die Reputation der Forschungsgruppe.

Trotz Skepsis von außen gegenüber der Machbarkeit extrem kurzer Laserpulse ließen sich Ferenc und sein Team nie beirren. Im Wettlauf um die Erzeugung kürzerer Pulse standen sie unter ständigem Druck: Die Methoden mussten dokumentiert, Forschungsergebnisse schnell publiziert, Konferenzen besucht, neue Berechnungen durchgeführt und bessere Messgeräte entwickelt werden.

Es gab aber auch Momente purer Freude und Aufregung, oft mitten in der Nacht, wenn die Nachricht eintraf: “Hurra! Sie haben (erneut) den Weltrekord für die kürzesten Laserpulse gebrochen!”

Ferenc und sein Team entschieden sich, ihre Systeme und Verfahren zu patentieren. Der nächste Schritt war naheliegend, denn die außergewöhnlichen Laser-Geräte wollten andere Forschungsinstitutionen auch haben. Also wurden die ersten Oszillatoren und Verstärker gebaut und geliefert.

So viel Arbeit, so viel Wissen, so viel Expertise, so viel Neuerung und dennoch noch so wenig Innovation.

Marketing-Blick

Meine Rolle im Startup war weniger an die Laser-Technologie selbst gebunden. Ich baute unser internes Computernetzwerk auf, erstellte und pflegte unsere erste Website und kümmerte mich um PR und Marketing. Aber gerade dieser Marketing-Blick, die Kommunikation nach außen und die Suche nach Informationen, die einen interessierten Markt schaffen konnten, schärften mein Gespür für einiges, das meiner Meinung nach wesentlich für die Entstehung von Innovation ist.

Innovation, wie der Duden sie definiert, bezieht sich im wirtschaftlichen Kontext auf die “Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, besonders die Einführung eines neuen Produkts oder die Anwendung eines neuen Verfahrens”. Also eine „Lösung für ein bestimmtes Problem“… und da liegt oft der Haken bei Innovationen.

Eine Lösung auf der Suche nach einem Problem

Als unsere Firma gegründet wurde, befanden wir uns in einer einzigartigen Situation: Der Markt für unsere Lasertechnologie war nahezu nicht existent. Der Laser war eine neue Lösung, eine Erfindung, die noch auf der Suche nach entsprechenden Problemen war. Anwendungen dieser Erfindung waren meist nur bei Forschungsgruppen zu finden, die in ähnlichen Bereichen tätig waren wie das Team von Ferenc Krausz.

Doch die enge Zusammenarbeit mit unseren ersten Kunden und das tiefe Verständnis für ihre Bedürfnisse ermöglichten es unserem Unternehmen, den Markt für diese bahnbrechende Technologie langsam zu erweitern. Echte Innovation liegt also nicht nur in der Technologie selbst, sondern unbedingt auch im Verständnis dafür, wie sie am besten eingesetzt werden kann, um Probleme zu lösen.

Echte Innovation entsteht also, wenn ein Bedarf für das neue Produkt klar erkennbar ist. Sie umfasst außerdem die Markteinführung, funktioniert am besten in Verbindung mit einer passenden Strategie, fortschrittlicher Technologie und effektivem Marketing. Dies erfordert die Integration verschiedener interner Unternehmensprozesse. Damit Innovation erfolgreich sein kann, muss die gesamte Organisation ein innovatives Vorgehen unterstützen und ein tiefes Verständnis für die Innovationsprozesse entwickeln. Und für alle, die Innovationen in die Welt bringen möchten: Vergessen Sie nicht, auf Ihrer Reise Pioniergeist, viel Durchhaltevermögen und jede Menge Begeisterung mitzunehmen.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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