06.05.2021

UK-Fintech mit österreichischen Foundern sammelt 330.000 Pfund über Crowdfunding ein

Drei Niederösterreicher haben in Großbritannien das Fintech VitraCash gegründet - mit einer smarten Zahlungskarte sollen alle Kredit- und Debitkarten eines Kunden zusammengefasst werden.
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VitraCash
Die drei Cofounder Ben Koska, Koray Koska und Florian Winkler | Foto: VitraCash

Wenn Österreicher ein Fintech gründen, dann muss das nicht unbedingt in Österreich selbst geschehen – prominenstes Beispiel sind hier wohl die Wiener Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal mit der in Berlin gegründeten Neobank N26, die seit mehren Jahren Unicorn-Status erreicht hat. So weit ist VitraCash noch nicht – doch auch hinter dem Fintech mit Sitz in London stecken Österreicher: Koray Koska, Florian Winkler und Ben Koska, alle drei aus Niederösterreich.

Mit einer Crowdfunding-Kampagne haben sie nun 330.000 britische Pfund für eine Pre-Seed-Runde eingesammelt. 997 Investoren haben sich an der Kampagne über die Plattform CrowdCube beteiligt. Dafür gaben die Gründer rund 15,5 Prozent des Unternehmens ab. Im Juli wollen sie nun mit ihrer smarten Mastercard-Debitkarte, der VitraCard, starten.

VitraCash kombiniert Zahlungskarten in smarter Debitcard

VitraCash ist vor allem nützlich, wenn man viele Karten besitzt: “Vielleicht hat man eine Travelcard, drei verschiende Konten und eine Kreditkarte”, erläutert CEO Koray Koska im brutkasten-Interview den Use Case. Der Markt sei hier fragmentiert – und trotz besserer einzelner Produkte habe man keine bessere Übersicht und könne nicht den vollen Nutzen aus diesen ziehen.

Hier setzt VitraCash nun an: “Wir machen eine Debitcard, die verschiedene Kredit- und Debitkarten eines Users kombiniert und bei einer Zahlung automatisch auswählt, welche davon benutzt wird”, sagt Koska. Diese automatische Auswahl geschehe auf Basis unterschiedlicher Parameter – beispielsweise dem Wechselkurs, wenn man sich im Ausland befindet. “Wenn man mit seiner VitraCard zahlt, versuchen wir herauszufinden, welche Karte den besten Deal liefert und diese wird ausgewählt”.

Im Hintergrund läuft dazu eine Kostenfunktion, die jeder Karte einen gewissen Wert zuweist und so eine Vergleichbarkeit ermöglicht. Zusätzlich verwendet VitraCash noch einen Machine-Learning-Algorithmus, der versucht, Präferenzen der User zu verstehen – einerseits indem der User Fragen beantwortet und anderseits indem das Kaufverhalten analysiert wird. “Da sehen wir dann, dass gewisse User beispielsweise lieber Flugmeilen sammeln als ein paar Cent zu sparen”, erklärt Koska. Dies werde dann entsprechend berücksichtigt.

Launch für Ende Juli geplant

Das aufgenommene Kapital lag nun weit über dem ursprünglichen Fundingziel von 50.000 Pfund. “Das Limit war aber nicht künstlich niedrig angesetzt. Die Idee war, dass wir ein bisschen darüber kommen und maximal das Doppelte raisen”, sagt der VitraCash-CEO. Man habe also gehofft, dass man im Optimalfall auf 100.000 Pfund komme. Diese Schwelle habe man aber am zweiten Tag schon erreicht. Ursprünglich war man für die Runde außerdem mit einem VC in Gesprächen. Dieser soll nun in einer Folgerunde beteiligt werden.

Der Launch der VitraCard ist für Ende Juli 2021 geplant – zunächst nur für die Investoren der Crowdfunding-Kampagne und für Personen, die von diesen eingeladen wurden. “Am Anfang ist das ein Invite-Only-System, aber wenn wir an einem Punkt sind, das es live gehen kann, werden wir es public schalten”, sagt Koska. Gestartet werden soll gleichzeitig in Großbritannien und der gesamten EU. Das Basisprodukt ist für den Nutzer gratis. Daran soll sich auch nichts ändern, allerdings sind mittelfristig zusätzlich kostenpflichtige Premium-Angebote angedacht. Geld verdient VitraCash zunächst nur mit den Transaktionsgebühren, die Mastercard einhebt und von denen das Unternehmen einen Teil bekommt.

Bewusste Gründung in Großbritannien

Die Founder haben Startup-Erfahrung, sind jedoch neu in der Fintech-Szene. “Unsere Spezialität ist, dass wir uns sehr gut und sehr effizient in einen Bereich einarbeiten können, von dem wir vorher keine Ahnung hatten”, sagt Koska. Mit seinen beiden Cofoundern ist der CEO bereits lange verbunden – COO Florian Winkler kennt er seit Schulzeiten, der für technische Belange zuständige Ben Koska ist sein Cousin.

Die Unternehmensgründung in Großbritannien erfolgte dabei ganz bewusst: “Als wir angefangen haben, uns mit der Finanzbranche auseinanderzusetzen, haben wir uns angeschaut, welcher Markt die besten Konditionen für ein Early-Stage-Startup beitet, um solche Produkte anbieten zu können. Das war eben Großbritannien”, sagt Koska. Durch den Brexit seien zwar viele Dinge schwieriger geworden, die Vorteile würden aber überwiegen. Derzeit sind die Founder wegen der Pandemie allerdings in Österreich. Spätestens im Sommer soll es dann wieder zurück nach Großbritannien gehen.

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Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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