18.03.2021

NumberX: Neues Fintech aus Wien bietet appbasierte Mastercard an

Die Karte kann mit bestehenden Konten bei der eigenen Hausbank verbunden werden. Für die Nutzung verrechnet NumberX einen monatlichen Pauschalbetrag.
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Matthias Seiderer und Claudio Wilhelmer haben NumberX gegründet.
Matthias Seiderer und Claudio Wilhelmer haben NumberX gegründet. | © NumberX International GmbH/Tanzer

Es gibt ein neues Fintech in Wien: Claudio Wilhelmer, zuvor unter anderem Country-Manager DACH bei der Londoner Neobank Revolut, und Matthias Seiderer, bisher Chief Revenue Officer des Wiener KI-Unternehmen Anyline, haben am Donnerstag ihre Pläne für ihr Startup NumberX vorgestellt.

Mit ihrem neuen Unternehmen bereiten sie den Start einer appbasierten Mastercard vor – die zwar unabhängig von der eigenen Bank angeboten wird, jedoch mit bestehenden Konten der Hausbank verbunden werden kann. Ein zusätzliches Girokonto ist für die Nutzung nicht nötig.

Girokonto bleibt bei Hausbank

“Das Girokonto der Nutzer*innen bleibt weiterhin bei der Hausbank, dort ist das Vertrauen groß. Auf diesem Fundament bauen wir auf und sehen uns als unabhängige Finanzplattform, die über eine einzige Karte bestehende Girokonten mit innovativen Finanztechnologien verbindet”, sagt Seiderer.

Möglich ist das durch die EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2. Diese verpflichtete Banken, Fintechs Schnittstellen zu Kundenkonten zur Vefügung zu stellen. “Unsere Zielgruppe sind nicht die Kunden von Neobanken wie N26 oder Revolut”, erläutert Wilhelmer im Gespräch mit dem brutkasten. Stattdessen ziele man auf Personen ab, die bei ihrer Hausbank bleiben wollen, aber dennoch eine moderne Banking-App verwenden wollen. Je kleiner und regionaler eine Bank sei, desto unwahrscheinlicher sei es, dass sie eine userfreundliche App anbieten könne.

NumberX soll sowohl als iPhone- als auch als Android-App verfügbar sein. Neben der virtuellen Karte am Smartphone erhält man als Kunde auch eine physische Bezahlkarte.

App schlägt Monatsbudget vor

Aber wie funktioniert NumberX nun konkret? Zunächst verbindet man sein Girokonto bei der Hausbank mit der App. Diese schlägt einem dann auf Basis der dort verfügbaren Daten automatisiert einen Betrag für ein Monatsbudget vor. Diesen Vorschlag kann man annehmen – oder man legt einen selbstgewählten anderen Betrag fest. Dieser Betrag wird vom Girokonto abgebucht und steht als Monatsbudget für NumberX zur Verfügung. Alle weiteren Zahlungen, die man dann mit NumberX vornimmt, scheinen bei der Hausbank nicht mehr auf – nur in der App.

Ausgabenkontrolle über mehrere Konten hinweg

Es können auch mehrere Konten mit NumberX verbunden werden – etwa Einzel-, Gemeinschafts- und Firmenkunden von Selbstständigen. Die Zahlungen werden von der App automatisch den richtigen Konten zugewiesen. Sie können aber auch gesplittet oder anderen Konten zugeordnet werden.

NumberX ermöglicht somit einen Überblick über alle Ausgaben und schützt vor dem Überziehen des Budgetrahmens. Optional kann ungenutztes Budget der Vormonate automatisch auf ein Sparkonto transferiert werden.

Flatrate-Modell

Transaktionsgebühren fallen dabei keine an. Wie verdient NumberX also Geld? Mit einem Flatrate-Modell. NumberX kann während eines Testzeitraums gratis genutzt werden – danach wird ein monatlicher Pauschalbetrag fällig. Dabei soll es jederzeit möglich sein, zu pausieren oder zu kündigen – es keine Bindung.

“Für eine monatliche Flatrate – so wie man es für Videos von Netflix oder Musik von Spotify kennt – kann NumberX weltweit an über 70 Millionen Mastercard-Akzeptanzstellen und Bargeldautomaten unbegrenzt genutzt werden – das ist unser zentrales Versprechen”, sagt Wilhelmer. Wie hoch der Monatsbetrag sein wird, steht noch nicht fest – allerdings soll er sich laut Wilhelmer im Bereich der genannten Dienste und jedenfalls im einstelligen Eurobereich bewegen. Ein Netflix-Abo gibt es in Österreich etwa ab 7,99 Euro.

Breiter Marktstart im zweiten Quartal

Neben Mastercard ist auch der Zahlungsdienstleister PPS als Partner an Bord. Gestartet wird vorerst mit einer Beta-Phase, zu der man sich ab sofort voranmelden kann. Der breite Marktstart soll bis zum Ende des zweiten Quartals erfolgen.

Das Unternehmen hat bereits externe Investoren an Bord, die eine siebenstellige Summe investiert haben. Allerdings wird auch gerade an einer Seed-Finanzierungsrunde gearbeitet. Ein Abschluss ist für die nächsten Wochen geplant. Dann sollen auch Namen der Investoren öffentlich gemacht werden.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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