19.11.2021

Vierter harter Lockdown & Impfpflicht fix: Alle Infos zu Wirtschaftshilfen

Die österreichische Bundesregierung kündigte im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz am Tiroler Achensee am Vormittag einen bundesweiten Lockdown an, der ab kommenden Montag in Kraft treten wird. Der Brutkasten liefert einen Überblick zu allen bislang bekannten Details – angefangen von Regelungen für den Arbeitsplatz bis hin zu Wirtschaftshilfen.
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Finanzminister Gernot Blümel zur steuerlichen Absetzbarkeit fiktiver Eigenkapitalzinsen
Finanzminister Gernot Blümel | (c) BKA / Christopher Dunker

Hinweis: Dieser Artikel wird laufend aktualisiert. Stand: 19.11.2021, 12:50

Österreich führt ab Februar 2022 eine bundesweite Impfpflicht gegen das Coronavirus ein. Ab Montag, 22. November 2021, gibt es außerdem einen bundesweiten Lockdown, der nach zehn Tagen evaluiert wird und bis 13. Dezember für Geimpfte und Ungeimpfte gelten soll. Das gab Bundeskanzler Alexander Schallenberg am Freitag im Zuge einer Pressekonferenz zur Landeshauptleutekonferenz bekannt. Finanzminister Gernot Blümel kündigte die Wiederaufnahme von Wirtschaftshilfen an – Ausfallbonus, Verlustersatz und Härtefallfonds werden wieder aktiviert.

Nach 13. Dezember soll der Lockdown für Ungeimpfte aufrecht bleiben, wie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein erläuterte. Ab Montag gibt es also Ausgangsbeschränkungen für alle Menschen in Österreich. Das Zuhause verlassen darf man wieder nur aus den bekannten Ausnahmegründen*. Schulen und Kindergärten bleiben laut Mückstein “grundsätzlich offen”. Am Arbeitsplatz gilt wie in allen geschlossenen Räumen eine FFP2-Maskenpflicht. Dazu heißt es von Mückstein: “Die FFP2-Maskenpflicht wird ausgeweitet und gilt ab Montag in allen geschlossenen Räumen und am Arbeitsplatz, außer es gibt sonst Schutzvorrichtungen.” “Wo möglich” solle man auf Home Office umstellen. “Berufliche Zwecke” sind aber nach wie vor einer der Gründe, das Zuhause zu verlassen.

* Die Ausnahmegründe definiert Mückstein in der Pressekonferenz wie folgt: “Gründe zum Verlassen der Wohnung sind die bereits bekannten Ausnahmen: Abwendung von Gefahren für Leib und Leben sowie Eigentum, Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse, berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung und für unaufschiebbare behördliche oder gerichtliche Wege.”

Handel rechnet mit massiven Verlusten

Durch den erneuten Lockdown werden Wirtschaftshilfen wieder dringender notwendig. Der Handelsverband rechnete bereits durch den Lockdown für Ungeimpfte mit Umsatzverlusten von bis zu 350 Millionen Euro pro Woche. In Oberösterreich könnten betroffene Händler bei einem kompletten Lockdown 140 Millionen Euro verlieren, in Salzburg 75 Millionen Euro – wie der Handelsverband vorrechnete. “Pro Lockdown-Woche rechnen wir in den beiden Bundesländern mit einem Umsatzausfall von 215 Millionen Euro”, so Handelsverband-Chef Rainer Will, der davon ausgeht, dass der Lockdown wieder Online-Giganten wie Amazon in die Hände spielen wird.

Lockdown: Diese Wirtschaftshilfen gibt es

Finanzminister Gernot Blümel hatte bereits angekündigt, dass Wirtschaftshilfen wieder verstärkt zur Verfügung gestellt werden würden. Nach wie vor bis Jahresende aktiv ist der Fixkostenzuschuss, in der Gastronomie gibt es nach wie vor die Umsatzsteuerermäßigung. Derzeit gilt bei der Kurzarbeit die Phase 5, die eine Reduktion auf 50 Prozent ermöglicht. Das wird für den neuen Lockdown wieder ausgeweitet. Wie Arbeitsminister Martin Kocher am Freitag ankündigte, wird vorerst bis Jahresende wieder eine Reduktion auf null Prozent möglich sein – für alle Betriebe, die von behördlichen Schließungen betroffen sind. Für Menschen mit Vorerkrankungen, bei denen mit einem besonders schweren Verlauf gerechnet werden kann, soll wieder eine Dienstfreistellung möglich sein, wenn kein Homeoffice möglich ist. Mit einem Risikoattest ist diese wieder ab Montag, 22. November 2021, möglich, sagte Kocher.

Ausfallsbonus, Verlustersatz, Härtefallfonds

Wieder aktiviert wird der Ausfallsbonus, der von November bis März 2022 bereit stehen soll. Grundlage ist wieder ein Umsatzeinbruch von 40 Prozent, diesmal im Vergleich zu 2019, also vor der Pandemie. Die Ersatzrate liegt bei 10 bis 40 Prozent des Umsatzrückgangs. Der Rahmen für den Ausfallsbonus liegt nach einer Erweiterung des Rahmens durch die EU-Kommission nun bei 2,3 Millionen Euro. Die Erfahrung zeige, dass der Ausfallsbonus wahrscheinlich 700 Millionen Euro pro Monat kosten werde, so Blümel am Freitag.

Der Verlustersatz wird ebenfalls bis März verlängert. Auch hier gilt ein Verlust von 40 Prozent im Vergleich zu 2019. Ersetzt werden 70 bis 90 Prozent des Verlustes, je nach Größe des Unternehmens, bis maximal 12 Millionen Euro. Die Kosten für diese Maßnahme seien noch nicht abschätzbar, weil sie noch laufe.

Der Härtefallfonds wird neu aufgelegt und bringt bei einem Verlust von 40 Prozent eine Ersatzrate von 80 Prozent des Netto-Einkommens. Garantien und Stundungen werden bis Juni 2022 verlängert. Im letzten Lockdown kostete der Härtefallfonds laut Blümel ungefähr 100 Millionen Euro monatlich.

2022 weniger Budget für Coronakrisen-Bewältigung

Bei den Budgetverhandlungen im Nationalrat am Donnerstag sprachen sich ÖVP und Grüne mit einem gemeinsamen Entschließungsantrag für eine Fortsetzung der Wirtschaftshilfen aus. Sie ersuchen die Regierung darin, rasch geeignete Unterstützungsmaßnahmen für österreichische Betriebe vorzulegen, um so Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sichern. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS angenommen.

Die Regierung sieht im Haushaltsentwurf für 2022 3,9 Mrd. € für die unmittelbare Krisenbewältigung vor. Im Jahr 2021 waren es noch 13,7 Mrd. €. Rund 2 Mrd. € sieht das Budget für das Jahr 2022 an Ausgaben im Kapitel Wirtschaft vor. Für die Abwicklung der COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen sind im Wirtschaftsbudget 1,5 Mrd. € enthalten. “Wir haben eine Überschreitungsermächtigung von 5 Mrd. Euro für das nächste Jahr vorgesehen”, erläuterte Blümel am Freitag. Im Finanzrahmen bis 2025 seien 9 Mrd. Euro für Covid-Bekämpfungsmaßnahmen vorgesehen.

Keine Home-Office Pflicht

Eine Home-Office-Pflicht wird es laut dem Bundeskanzler nicht geben. “Es handelt sich um die gleiche Regelung, die wir schon früher hatten”, so Schallenberg. Hier bestreitet Österreich einen anderen Weg als beispielsweise Deutschland. Während in unserem Nachbarland die Rückkehr der Home-Office-Pflicht geplant ist – sie war Ende Juni ausgelaufen – wurde eine derartige Regelung seit dem Ausbruch der Pandemie in Österreich noch nie getroffen.

Gegen Mittag konkretisierte Arbeitsminister Kocher die Begründung der Bundesregierung: “Wir hatten gestern ein sehr ausführliches Gespräch mit den Sozialpartnern. Sie haben uns versichert, dass sie sich für die Nutzung von Home Office einsetzen, aber keine Pflicht haben wollen.” Eine verpflichtende Maßnahme sei für beide Seiten laut dem Arbeitsminister schwer umzusetzen. “Wir wissen, dass es maximal 40 Prozent gibt, die Home-Office in Anspruch nehmen können”, so Kocher. 

Am Arbeitsplatz soll die bereits bestehende 3G-Regel und zusätzlich eine Maskenpflicht gelten. Allerdings müssten hierfür laut Kocher in den nächsten Tagen die Testkapaziäten weiter ausgeweitet werden. Bereits in der Vergangenheit übten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter Kritik, da die Testinfrastruktur für PCR-Tests in gewissen Regionen in Österreich nicht ausreichend sei und es zu langen Wartezeiten komme.

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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