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Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat ein Urteil zum Betretungsverbot bei öffentlichen Gebäuden während des Corona-Lockdown ausgesprochen: Dieses war teils zu breit gefasst, heißt es vom VfGH. Auch dass manche Geschäfte früher aufsperren durften als andere verstößt laut dem VfGH gegen geltendendes Recht. Mit dem Urteil gibt es auch mehr Klarheit darüber, wie bei Privatpersonen mit Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen umzugehen ist.
Demnach müssen nun zahlreiche Strafen erlassen beziehungsweise zurück gezahlt werden. Dem VfGH zufolge waren nicht nur entscheidende Teile der Betretungsverbote verfassungswidrig, es dürfen diese Bestimmungen auch in laufenden Verwaltungsstrafverfahren nicht mehr angewandt werden. Weiterhin ist es aber grundsätzlich möglich, Betretungsverbote auszusprechen, wenn dies hilft, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Mit der am 15. März erlassenen Verordnung hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober das Betreten öffentlicher Orte jedoch – mit wenigen Ausnahmen – allgemein für verboten erklärt. Zulässig gewesen wären nur Betretungsverbote für bestimmte Orte oder regional begrenzte Gebiete, etwa Gemeinden.
So reagiert der Handelsverband auf das VfGH-Urteil
Der heimische Handel hat die Maßnahmen der Bundesregierung “zur Wahrung der Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten stets mitgetragen, aber auch mehrfach auf die weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns hingewiesen”, wie Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will als Reaktion auf das VfGH-Urteil festhält: So sei die teilweise Aushebelung des Epidemiegesetzes und das allgemeine Betretungsverbot insbesondere für stationäre Händler, die 90 Prozent der Handelsumsätze erwirtschaften, ein gravierender Eingriff in die Geschäftstätigkeit gewesen.
Bei der Lockerung des Lockdowns wiederum wurde seitens der Bundesregierung zwischen Handelsunternehmen je nach Größe unterschieden: Geschäfte mit einer Verkaufsfläche unter 400 Quadratmeter durften früher wieder aufsperren, Baumärkte und Gartencenter ebenfalls. Größere Geschäfte sowie Läden in den Shoppingcentern mussten hingegen bis 1. Mai geschlossen bleiben, was der Handelsverband “im Sinne der Fairness” stets kritisiert hatte, weil “hier mit zweierlei Maß gemessen wurde und vor allem in größeren Geschäften die Mindestabstände zumindest gleich gut oder sogar besser eingehalten werden konnten”. Insofern begrüßt der Handelsverband die heutige Entscheidung des VfGH.
Die flächendeckende Einführung der Maskenpflicht hat im Handel insbesondere bei Käufen abseits der lebensnotwendigen Güter zu heftigen Umsatz- und Frequenzrückgängen von -25% bis -40% geführt, im Modehandel kam es sogar zu Einbrüchen von mehr als -50%.
Rainer Will, Handelsverband
“Für uns steht die Gesundheit der Bevölkerung an oberster Stelle. Das gilt sowohl für die Konsumentinnen und Konsumenten, als auch für die 600.000 Menschen, die im österreichischen Handel beschäftigt sind”, sagt Will in Bezug auf die grundsätzliche Ausrichtung des Handeslverbands: “Gleichzeitig erwarten wir – mit Blick auf die negativen wirtschaftlichen Kollateraleffekte – fundierte gesundheitsbehördliche Fakten als Entscheidungsbasis.”
Das Prinzip solle stets lauten: lokal vor regional vor national. “Dadurch können Corona-Cluster gezielt an der Wurzel bekämpft werden. Darüber hinaus beeinträchtigen lokal begrenzte Gesundheitsvorgaben den Wirtschaftsmotor so gering wie möglich”, sagt Will weiters: “Die flächendeckende Einführung der Maskenpflicht hat im Handel insbesondere bei Käufen abseits der lebensnotwendigen Güter zu heftigen Umsatz- und Frequenzrückgängen von -25% bis -40% geführt, im Modehandel kam es sogar zu Einbrüchen von mehr als -50%.” Dies quantifiziere das Ausmaß des Kollateralschadens.
Die Reaktion der Opposition
Wie erwartet ließen auch die Reaktionen der Oppositionsparteien nicht lange auf sich warten. Die FPÖ ortet etwa ein “virologisches Quartett” und kritisiert vor allem die Politik des grünen Gesundheitsministers Anschober. Inhaber größer Geschäfte könnten die Republik nun auf Schadenerstaz klagen, so Norbert Hofer (FPÖ). Weiters sei zu erwarten, dass sich die Privatrmenschen ihr Bußgeld vom Staat zurückholen.
Laut NEOS-Aussage zeigt das VfGH-Urteil das “bewusst rechtswidrige Verhalten von ÖVP und Grüne auf“. Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak pocht hier auf eine Generalamnestie: „Die Leidtragenden dieser türkis-grünen Schlamperei sind jene Menschen, die hohe Strafen zahlen mussten, ohne jemals etwas falsch gemacht zu haben. Das Mindeste, das die Regierung tun könnte, ist sich bei den Betroffenen entschuldigen und ihnen ihre Strafe erlassen.“
Und auch die SPÖ ortet einen “schlampigen Umgang der Regierung mit dem Rechtsstaat“. Auch der stv. SPÖ-Klubchef und SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried fordert dementsprechend eine Amnestie anlässlich der verhängten Corona-Strafen.
Gesundheitsninister Anschober über das VfGH-Urteil
„Die heutigen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes haben unterschiedliche Auswirkungen. Sie bestärken durch eine Bestätigung des Covid-19-Maßnahmengesetzes die Grundlinie unserer Arbeit, sie erklären aber teilweise Regelungen von nicht mehr in Geltung stehenden Verordnungen für rechtswidrig”, heißt es wiederum von Gesundheitsminister Anschober in einer Aussendung: “Dies hat für die Gegenwart aufgrund der fehlenden aktuellen Gültigkeit der Verordnungen keine unmittelbaren Auswirkungen, wird aber sehr wohl umfassend in unserer zukünftigen Arbeit beachtet werden. In diesem Sinn ist es begrüßenswert, dass der Verfassungsgerichtshof auch Gesetzesregelungen untersucht hat, die nicht mehr wirksam sind.”
“Bei der Bekämpfung der schwersten Pandemie seit hundert Jahren war und ist enormer Zeitdruck gegeben.”
Rudolf Anschober, Gesundheitsminister
Die Frage der Auswirkung auf laufende Verfahren sowie bereits ausgesprochene Strafen prüfe man derzeit, so Anschober: “Unser Ziel ist eine bürgerfreundliche Regelung. Bei der Bekämpfung der schwersten Pandemie seit hundert Jahren war und ist enormer Zeitdruck gegeben.”
Grundlage für die Maßnahmen sei das Covid-19-Maßnahmengesetz, dessen Konformität mit der Verfassung von VfGH bestätigt wurde. Bezüglich der Differenzierung zwischen allgemeinen und regional auf einzelne Orte zugeschnittene Betretungsverbote hält Anmschober fest: “In diesem Sinn wäre in der Verordnung eine bestimmtere Differenzierung der betroffenen öffentlichen Orte erforderlich gewesen. Wir werden die aktuelle Entscheidung auch in diesem Punkt auf Auswirkungen bei den abgeschlossenen bzw. laufenden Strafverfahren überprüfen und für die Zukunft die Grundaussagen des Urteils in unserer Arbeit vollinhaltlich berücksichtigen.”