01.04.2021

Valutico: Deshalb werden Unternehmen künftig nicht mehr nur nach Finanz-Kennzahlen bewertet werden

Das Wiener Fintech entwickelt für seine Plattform zur Unternehmensbewertung einen Ansatz, der Firmen "ganzheitlich" beurteilt - also auch Nachhaltigkeit und Sozialstandards berücksichtigt.
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Valutico entwickelt ein EGS-Modul für seine Bewertungsplattform.
Valutico entwickelt ein EGS-Modul für seine Bewertungsplattform. | Foto: Valutico

Wie viel ist ein Unternehmen wert und wie lässt sich dies zuverlässig feststellen? Diese Frage ist sowohl für Startups als auch für Investoren zentral. Im Normalfall zielt man dabei auf finanzielle Kennzahlen ab – noch. Denn in den nächsten Jahren werden Themen wie Nachhaltigkeit und oder Sozialstandards auch hier eine größere Rolle einnehmen, erwartet das Wiener Fintech Valutico. Deshalb erweitert es seine bestehende Plattforum zur Bewertung von Unternehmen um einen umfassenden Bereich zum Schwerpunkt Environment, Social, Governance (ESG) – genannt ValutECO.

Auch regulatorisch kommt das Thema immer stärker auf die Agenda. So ist beispielsweise erst im März eine EU-Richtlinie in Kraft getreten, die vorsieht, dass bei allen Finanzprodukten offengelegt werden muss, wie nachhaltig diese sind. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren noch verstärken: “In der Zukunft werden Banken und Finanzinstitutionen die Nachhaltigkeits-Performance ihrer Unternehmenskunden bei der Kreditvergabe berücksichtigen müssen”, erwartet man bei Valutico.

200.000 Euro Innovationsförderung

Dafür braucht es jedoch auch die notwendigen Bewertungs-Tools – genau ein solches will das Unternehmen mit ValutECO nun entwickeln. Dafür hat Valutico bereits vor einigen Wochen 200.000 Euro Innovationsförderung der Wirtschaftsagentur Wien erhalten. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Konzeptionsphase. Auf brutkasten-Anfrage erklärte Valutico-CEO Paul Resch, dass er mit der Fertigstellung in einem bis eineinhalb Jahren rechne.

Plattform für Bewertungsprofis im M&A-Bereich

Die eigentliche Plattform von Valutico wurde bereits 2017 gestartet und richtet sich vor allem an Bewertungsprofis – etwa in internationalen Beratungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Genutzt wird sie nach Angaben von Resch vor allem zu Bewertung von Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind – und zu denen somit auch weniger Daten öffentlich vorliegen.

Valutico ist also kein Tool für Privatanleger, die unterbewertete Aktien suchen – sondern richtet sich an Profis, die beispielsweise mit Unternehmensübernahmen beschäftigt sind. Resch hat selbst als Banker im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) gearbeitet, bevor er Valutico gründete – und kennt den Use Case daher aus der Praxis.

Excel-Sheet größter Konkurrent

Valutico-CEO Paul Resch
Valutico-CEO Paul Resch | Foto: Valutico

“Unser größter Konkurrent ist das Excel-Spreadsheet”, sagt der Valutico-CEO. Die Plattform sei mit den wichtigsten Finanz-Datenbanken der Welt verbunden und ermögliche es, Datenaufbereitung für Unternehmensbewertungen zu semi-automatisieren. “Bewertungsprofis können sich so auf der große Ganze konzentrieren”, erklärt er. Valutico ist eine rein web-basierte Lösung, bei der nichts installiert werden muss.

Die Plattform enthält Daten zu 50.000 Unternehmen weltweit. Ebenfalls erfasst sind rund 800.000 Unternehmenstransaktionen. Diese sind vor allem wichtig, weil die Analyse von Konkurrenten ein wichtiger Bestandteil jeder Unternehmenbewertung ist: Wird etwa ein Startup um einen gewissen Betrag verkauft, lassen sich daraus auch Rückschlüsse auf von Branche und Kennzahlen vergleichbare Konkurrenten ziehen. Valutico ist nach Angaben von Resch derzeit in 40 Ländern aktiv. Neben dem Hauptsitz in Wien hat das Unternehmen auch Tochtergesellschaften in Großbritannien und den USA.

“Gesellschaftlicher Wert” von Unternehmen quantifizierbar machen

Mit ValutECO bewegt sich das Unternehmen nun in einen neuen Bereich – und will die Brücke zwischen herkömmlichen Bewertungsmethoden und ESG-Kriterien schlagen. Das Ziel ist dabei eine “ganzheitliche” Beurteilung eines Unternehmens. Aber welche Themen werden hier in den Blick genommen? Im Umweltbereich können dies etwa die Auswirkungen des Geschäfts auf Klimaschutz und Biodiversität sein. Im sozialen Bereich können Aspekte wie arbeitsrechtliche Fragen oder Maßnahmen zur Diversität der Teams einfließen. Und beim Governance-Thema kann es beispielsweise relevant sein, was ein Unternehmen zur Korruptionsbekämpfung unternimmt. Aspekte wie diese sollen schließlich zusammengefasst werden – und daraus ein “gesellschaftlicher Wert” des Unternehmens berechnet werden.

“Ein Ölunternehmen könnte finanziell betrachtet sehr viel Geld wert sein, aber in der Gesamtbetrachtung wegen der Auswirkungen auf die Umwelt trotzdem einen negativen Wert aufweisen”, erläutert Valutico-CEO Resch. Das Unternehmen will sich für die Umsetzung dieser Bewertungskriterien einerseits bei Ansätze aus der Markenbewertung bedienen und andererseits auf Methoden der Risikobewertung zurückgreifen. Das Ziel ist jedenfalls klar: “Im 21. Jahrhundert müssen wir über die Sichtweise hinauskommen, dass Unternehmen nur finanziellen Wert schaffen”.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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