14.03.2024

Update zu Oekoreich-Vorwürfen: Nun unternimmt Neoh rechtliche Schritte

Ende Februar wurde das FoodTech Neoh öffentlich kritisiert. „Intransparenz“ zur Herkunft der Produkte, fehlende Gütesiegel, „ominöse“ Studie lauteten die Vorwürfe der Bürgerinitiative Oekoreich. Nun schickte Neoh ein Anwaltschreiben.
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Man sieht einen Neoh-Schokoriegel
(c) Neoh

In den vergangenen zwei Wochen konnten aufmerksame brutkasten-Leser:innen feststellen, dass die öffentliche Kommunikation rund um das FoodTech-Startup Neoh einen Richtungswechsel vorgenommen hat.

Das Unternehmen, das bislang mit potenten Investor:innen, Werbegesichtern wie Dominic Thiem sowie marktwirtschaftlichen Erfolgen – zuletzt wurden Produkte in die Ankerbrot-Filialen aufgenommen – in der Öffentlichkeit punkten konnte, musste sich vor gut zwei Wochen scharfer Kritik stellen.

Die umfangreiche Beanstandung kam von der Bürgerinitiative Oekoreich rund um Sebastian Bohrn Mena, brutkasten berichtete, die im Sinne des Konsumentenschutzes bereits Missstände bei Milka, Nestle, Ferrero und Co. offengelegt habe, wie es auf der Website heißt. Neben den großen Playern, geriet nun auch Neoh ins Visier der Initiative. Kritisiert werden der von Neoh hergestellte Zuckerersatz ENSO16, die medizinische Studie dazu, Herkunft und Zulieferung der Produktinhaltsstoffe sowie fehlende Gütesiegel zu den Social Responsibilities der Marke.

Für eine Bestandsaufnahme der mittlerweile öffentlichen Auseinandersetzung beider Parteien bekam brutkasten die noch nicht publizierte medizinische Studie von Neoh sowie den vollständigen Bericht der Initiative Oekoreich. Co-Founder Manuel Zeller und Heinrich Prokop äußerten sich gegenüber brutkasten zu den Vorwürfen.

„Finger weg von dem Zeug“ hieß es kurz darauf in einer weiteren Oekoreich-Stellungnahme zu den Neoh-Produkten, diesmal sollen sich sogar Konsument:innen gemeldet haben. Nun liefert Neoh ein Fair-Trade-Zertifikat eines Lieferanten, geänderte FAQs und eine Klage. Aber der Reihe nach.

Was gibt es Neues bei Neoh?

Während es um die Vorwürfe des Schokoladenherstellers, bis auf Produktwerbungen, vorübergehend ruhig blieb, bestätigt Neoh nun, dass es sich bei der Herkunft des Milchpulvers hauptsächlich um Lieferanten aus Deutschland und Österreich handle. Oekoreich warf im Bericht vor, dass jenes gleichwohl auch aus Polen stammen könne, wenn das Startup lediglich auf EU-Richtlinien verweise.

Im Statement des Startups heißt es genau: „Das Milchpulver für die in Österreich hergestellten Produkte stammt aus Österreich. Das Milchpulver für die in Deutschland hergestellten Produkte stammt aus der Region Schwarzwald in Deutschland. Nur, wenn dort nicht genügend Menge zur Verfügung steht, können Milchbestandteile aus Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg oder den Niederlanden eingesetzt werden.“

Überarbeitete FAQs und Fair Trade Nüsse mit Zulieferer-Zertifikat

Man wisse zudem nichts über die Herkunft weiterer Inhaltsstoffe der Neoh-Produkte, so der Tenor des ersten Oekoreich-Berichts, vor allem beim Kakao „(…) wo größtenteils Kinderarbeit drinsteckt, ebenso wie bei der Ernte der Haselnüsse.” Während Neoh in den – mittlerweile überarbeiteten FAQs ihrer Website – beim Kakao auf das bereits veröffentlichte Statement setzt, weist das Startup nun ein „Fair Trade Sustainability Alliance“-Zertifikat für die Nüsse in den Süßigkeiten vor. Jenes wird laut Angaben des Startups „regelmäßig“ von einer „unabhängigen Zertifizierungsstelle (…) überwacht.“ Auf brutkasten-Anfrage beim Landwirtschaftsbetrieb Agreco, der das FaitTSA-Zertifikat für den Neoh-Zulieferer ausgestellt haben soll, hieß es telefonisch, man würde die Gültigkeit überprüfen.

Noch vor ungefähr eineinhalb Wochen äußerte Manuel Zeller, Co-Founder von Neoh, Bedenken bei den Gütesiegeln. Man könne auch bei ausgewiesenen Zertifikaten nie sicher sein, wie Unternehmen ihre Social Responsibilities tatsächlich verfolgen, hieß es in einem Telefonat mit brutkasten.

In einem schriftlichen Statement aus dieser Woche sagt Neoh auf die Frage, warum das Zertifikat des deutschen Zulieferers der Bio-Nüsse nicht auf der Neoh-Firmenwebsite veröffentlicht wird:

Neoh definiert sich nicht über Zertifikate für die verwendeten Inhaltsstoffe, sondern darüber, eines der größten Ernährungsprobleme weltweit zu lösen: den übermäßigen Zuckerkonsum. Das ist neben dem Geschmack auch der Grund, warum die Menschen unsere Produkte schätzen. Von einer Veröffentlichung von Zertifikaten auf unserer Website sehen wir aber ab.

Manuel Zeller, CO-Founder von Neoh

Zudem heißt es: „Selbstverständlich entsprechen alle verwendeten Rohstoffe den geltenden lebensmittelrechtlichen Bestimmungen Österreichs und der Europäischen Union.“

Beim Kakao bleibt Neoh seiner bereits kommunizierten Aussage treu und bezieht sich abermals auf „Kriterien der Nachhaltigkeit und ESG sowie die Prinzipien und Rechte bei der Arbeit gemäß der Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation.” Oekoreichs Kritik zu mit dem Kakao-Business verbundenen Verletzungen der Menschenrechte können derzeit nicht nachvollzogen werden. Über Neuigkeiten hierzu möchte man in Zukunft informieren, heißt es schriftlich.

Anstelle der zuvor veröffentlichten allgemeinen Studien zu Palmöl und Nachhaltigkeit, kann man die neuen Statements so nun auch auf der Unternehmens-Website nachlesen.

Dass die FAQs des Startups nun mehr Transparenz zeigen, ordnet Bohrn Mena als “sehr positiv”, es schaffe laut dem Oekoreich-Sprecher ein “ganzheitliches Bild”. “Ich bin mir sicher, dass sich auch andere Startups ein Beispiel an der transparenten Darstellung nehmen, wenn es um Inhaltsstoffe, Herkunft und Lieferanten geht. Rein das Hinterfragen “wie man kommuniziert” sei gerade in der Lebensmittelbranche immer wieder nötig.

Zuckerersatz und die Neoh-Studie

Eine prominente Rolle in beiden Oekoreich-Berichten spielen ENSO16, der eigens hergestellte Zuckerersatz von Neoh sowie die nicht publizierte Studie hierzu. Die Ersatzformel für die Süße im Riegel bestehe aus insgesamt 16 Inhaltsstoffen. Auf der Website erfährt man, wie schon zuvor, dass die Naschereien aus allerhand Ballaststoffen, unter anderem Agave, Chicorée, fermentiertem Mais sowie aus Aromen bestehen. Brutkasten berichtete bereits 2022 hierzu.

Ein Patent für die Formel sei in Arbeit, ergänzte Zeller kürzlich gegenüber brutkasten, bisher ist die genaue Zusammensetzung geheim, zu groß ist die Gefahr der Verwendung durch andere Hersteller. Als B2B-Angebot wird sie bereits eingesetzt, zu den Großkunden, die auf den Ersatzzucker setzen, zählen unter anderem Biogena, Eis-Greissler und die REWE-Group.

Die klinische Studie hierzu belegt, dass der Industrie-Zuckerersatz weniger Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel habe, als herkömmliche Süßungsmittel. Brutkasten, so wie auch mittlerweile anderen Medienvertretern wie Trending Topics, NÖN und Cash, liegt die Studie vor, in der die Neoh-Aussagen bestätigt werden können.

Bei der Zusammensetzung der Zuckerersatzformel heißt es “aus Wettbewerbsgründen geheim” (c) Neoh, Website

Zur Oekoreich-Kritik sagt Neoh: „Nach den aus der Luft gegriffenen Vorwürfen gegen diese Studie hat nun die MedUni Wien schriftlich bestätigt, dass die Studie als Auftragsforschung nach §27 UG von der MedUni Wien genehmigt, durch die Rechtsabteilung geprüft und deren Durchführung von der unabhängigen Ethikkommission der MedUni Wien bewilligt wurde.“ Darüber hinaus bestätige die medizinische Universität, dass Neoh als Auftraggeber der Studie „keinen Einfluss auf die Durchführung“ dieser hatte. Zuvor wurde Neoh von Oekoreich vorgeworfen, die Erhebung sei „ominös“.

Social Media und ein Anwaltschreiben

Die Veröffentlichung des Oekoreich-Nachtrags zu Neoh verursachte zudem Parallel-Gefechte in den sozialen Medien. Zwischen den empörten Kommentaren der Oekoreich-Follower:innn findet sich auch einer, der dagegen hält. Stefan Weisshaar, der Oekoreich auf unsauberes Recherchieren – was die Studie betrifft – hinweist, kritisiert die „Diskreditierung“ der medizinischen Universität Wien, die im Zuge der Berichte über Neoh entstanden sei.

Unter den rund 90 Kommentaren zum Neoh-Posting verteidigt Martin Weisshaar die Neoh-Studie (c) Oekoreich-Account, Facebook

Neu ist auch der Verweis auf Konsument:innen seitens Oekoreich. So sollen diese „im Netz“ berichtet haben, dass eine Lehrperson einer Schule bei Neoh von einem „gesunden“ Snack gesprochen habe. Worauf die Initiative hinaus möchte, ist die Werbung von Neoh. Hier würde laut Bohrn Mena fälschlicherweise eine gewisse gesündere Alternative zu herkömmlichen Süßigkeiten suggeriert, besonders Kinder würde man hiermit in die Irre führen.

Die Antwort des FoodTech-Startups darauf ist mittlerweile juristisch. Zum versendeten Anwaltschreiben an Oekoreich heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Startups: “Gegen die Urheber dieser und noch weiterer Falschaussagen wurden bereits rechtliche Schritte eingeleitet.” Ob es zu einer Klage kommen könnte, ist ungewiss. Auf telefonische brutkasten-Anfrage sagt Bohrn Mena, dass er “zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Kommentar” abgeben wolle.

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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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