12.10.2020

Die Unicorn-Ökonomie, oder: Warum wir an Einhörner glauben sollten

Was ist die Definition eines Unicorns? In welchen Ländern findet man die Einhorn-Unternehmen? Und welche Startups in Österreich gelten als Unicorn-Anwärter? Mic Hirschbrich hat es recherchiert.
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Was sind Unicorns, und in welchen Ländern findet man die meisten Einhorn-Unternehmen?
Was sind Unicorns, und in welchen Ländern findet man die meisten Einhorn-Unternehmen? (c) Adobe Stock/ funstarts33

Schauen wir uns zuerst den Begriff “Unicorn” an, bevor wir uns damit beschäftigen, weshalb die Ökonomie dahinter wichtig ist. In unserem öffentlichen Bild besonders wachstums- und finanzstarker Tech-Unternehmen dominieren Google, Apple, Facebook, Amazon und Co. die Schlagzeilen, und das seit nun schon Jahrzehnten. Doch diese Wahrnehmung verzerrt die Realitäten der Tech-Branche. Denn längst sind hunderte weitere Unicorns (“Einhörner”) geboren worden und auf dem Weg, die globalen Märkte zu erobern.

Was ist ein Unicorn?

Der Begriff Unicorn wurde ursprünglich von Aileen Lee, vom Risikofinanzierungsunternehmen Cowboy Ventures, geprägt. Es soll damit das seltene Wesen von Tech-Startups erfassen, die Bewertungen von über 1 Mrd. Dollar aufweisen. Nur etwa 0,6% aller Software- und Internetfirmen können Analysten zufolge den Sprung in diese Liga schaffen.

Die Berichte über „Einhorn“-Unternehmen sind mitunter verwirrend. Etliche Breitenmedien bezeichnen ein jedes Unternehmen mit über 1 Milliarde Bewertung als Unicorn, nicht wenige mischen die Liste auch mit Umsatz-Angaben. US-Beobachter, besonders jene aus der Finanzbranche, meinen damit Tech-Startups mit einer Bewertung von über 1 Milliarde, die immer noch privat gehalten werden.  Besonders im deutschsprachigen Raum beschreibt man aber auch einige Unternehmen als Einhörner, die explizit börsennotiert sind. So weit, so verwirrend.

Wir halten es mit der Interpretation, dass damit jene Startups gemeint sind, die noch keinen Exit hatten. Also die weder an ein anderes Unternehmen verkauft wurden, noch an die Börse gingen (IPO). Weiters bezeichnen wir alle pauschal als “Unicorns”, die mit über 1 Mrd. bewertet werden. In Finanzkreisen werden jene über 10 Mrd. Bewertung nämlich gerne als Decacorns und mit über 100 Mrd. Bewertung als Hectocorns bezeichnet.

Weshalb die Einhorn-Ökonomie wichtig ist

Im August 2011 begründete der Star-Investor Marc Andreessen im The Wall Street Journal seinen berühmt gewordenen Sager: “Software is eating the world”. Andreessen gilt als einer jener mit besonderem Gespür für schnell wachsende (skalierende) Technologie-Unternehmen und investierte früh in Facebook, Groupon, Skype und Twitter.

Wie kein anderer versteht er die Dynamik dieser Unternehmen, hat er doch selbst einen der ersten Browser entwickelt (Netscape) und wurde mit seiner guten Nase selbst Milliarden schwer. Mit Software bekam die Welt ein ökonomisches Phänomen aufgedrückt, mit dem sich Ökonomen bis heute schwertun, es richtig einzuordnen. Software braucht kein Lager und keine Logistik, seine Kosten steigen beim Wachstum praktisch nie linear mit an. WhatsApp zum Beispiel wurde von nur 14 Mitarbeitern aufgebaut und für rund 19 Milliarden US-Dollar verkauft. Auch wenn das sicher ein Sonderfall ist, zeigt es die Macht von Software, die neue ökonomische Regeln etabliert.

Aber das beschreibt noch nicht, weshalb nun die Einhorn-Ökonomie wichtig ist.

Wir Österreicher tun uns manchmal schwer mit Einhörnern, werden wir doch seit Jahrzehnten damit sozialisiert, dass unsere gesunde Wirtschaft überwiegend aus kleineren KMU bestünde. Großen Unternehmen gegenüber sind wir oftmals skeptisch, sie geben gerne politische Feindbilder ab. Nun, das mit den KMU stimmte auch für die analoge Nachkriegszeit und unsere Positionierung als Touristiker, Anlagenbauer und die Automobil-Zulieferindustrie bis heute. In der Ökonomie ist derart digital skalierendes Wachstum wie bei Unicorns zwar auch heute noch selten, aber wichtig, weil es an der Spitze einer umfassenden Transformations- und Entwicklungspyramide steht.

Wenn heute 6 der 10 größten globalen Unicorns aus China kommen, wie es das Hurun Research Institute beschreibt, bezeugt das den erfolgreichen Umbau der Wirtschaft als Basisvoraussetzung für solches globales Wachstum. Anders formuliert, es braucht zehntausende Technologie-Unternehmen, die sich erfolgreich entwickeln können, um 400 Unicorns hervorzubringen, wie es vor allem China und die USA derzeit tun. Einhörner sind also nicht bloß da, um sich über die Dominanz einiger weniger in ihren Industrien zu erfreuen oder zu ärgern, sie belegen den erfolgreichen Umbau der Standortfaktoren in Einhorn-fähige und damit global skalierbare, digitale Ökonomien.

Zahlen und kritische Meinungen zu Unicorns

Heute zählen wir weltweit etwas über 400 Unicorns mit einer kumulierten Bewertung von rund 2 Billionen (also 2 Tausend Milliarden) Dollar. Das ist eine enorme ökonomische Größe. Österreich produziert im Vergleich in Summe etwa Güter und Dienstleistungen für 400 Milliarden Euro. Länder, deren Bruttoinlandsprodukt der akkumulierten Bewertung der 400 Unicorns nahekommen, sind Italien oder Brasilien. Beide sind unter den 10 produktivsten Ländern der Erde.

Manche Kritiker halten den Begriff Unicorn für problematisch, weil er nicht bloß für ein “seltenes” Wesen steht, sondern auch für Magie und etwas herzliches oder knuddeliges. Wer so rasch wächst wie ein Unicorn, sei aber selten lieb und knuddelig sondern vielmehr aggressiv und rücksichtslos und alles dem Shareholder-Value unterordnend, so kritische Stimmen zur Terminologie.

Matt Levine, ein ehemaliger Investmentbanker und bekannter Kolumnist für Bloomberg schrieb ebenfalls kritisch, aber deutlich differenzierter: “Der große Traum des Einhorns ist es, jetzt so groß und erfolgreich wie eine Aktiengesellschaft zu sein, aber den grenzenlosen Ehrgeiz eines Startups für die Zukunft zu haben. Einhörner wollen den Gesetzen des Marktes und der Realität trotzen, ohne sich einer “running scorecard” der tatsächlichen Leistung und des Umsatzes zu unterwerfen.” Diese Einschätzung mag der Realität mancher Unicorns schon näher kommen.

Interessant sind noch die Industrien, aus denen Unicorns geschichtlich betrachtet emporwuchsen. So gab es darunter bis in die 80er Jahre praktisch nur Unternehmen aus der Computer- und Netzwerkindustrie (etwa Intel, Microsoft, Oracle, Apple oder Cisco), während am Übergang zu den 90er Jahren Internettechnologien von Yahoo, Google oder Amazon dieses Wachstum erreichten. In den 2000-ern kamen große soziale Netzwerke und Messaging-Dienste hinzu (Facebook, Twitter, Whatsapp, Instagram, etc.) und erst in den vergangenen Jahren wurde das Feld breiter und Unicorns erwachsen heute den unterschiedlichsten Tech-Branchen und Use-Cases.

Wer sind heute Unicorns und wo sind sie zuhause?

Die größte Überraschung dürfte sein, dass die wenigsten der 400+ Hyperwachstumsunternehmen kaum einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind. Von den 10 am höchsten bewerteten, stammen die Top 3 sowie insgesamt 6 aus China und 3 aus den USA, 1 aus Indien. Breiter bekannt sind darunter Bytedance, die Mutter von Tiktok, SpaceX von Elon Musk sowie der amerikanische Bezahldienst Stripe. Die anderen Unicorns (Ant Financial mit der größten Bewertung von 150 Milliarden, DiDi, Lufax, JULL Labs, Cainiao, Kauishou, Paytm) sind entweder nicht international tätig oder im B2B Business tätig und daher weniger oft in den Medien präsent.

In der EU machen folgende Unicorns gerade kräftig auf sich aufmerksam: Das schwedische Klarna (11Mrd.), der belgische Datenanalyst Collibra (5Mrd.), die mit österreichischen Wurzeln in Deutschland aufgebaute Challenger-Bank N26 (3,5Mrd.), Flixmobility (2Mrd.) aus Deutschland, aus dem Energiebereich Northvolt (1,6Mrd.) aus Schweden sowie Deezer-Music und KI aus dem Hause Dataiku, beide 1,4Mrd. wert und aus Frankreich.

Unicorns in Österreich

136 Unicorns kommen in Summe aus den USA, 120 aus China sowie 24 aus der Europäischen Union. In Österreich gibt es gleich mehrere Anwärter auf Unicorn-Status, was durchaus den positiven Wandel unseres Standortes in den vergangenen Jahrzehnten bezeugt.

Anwärter für das magische Überschreiten der 1 Mrd. Dollar Bewertung ist hierzulande unter anderem die auf Softwaretests spezialisierte Tricentis. Zudem machte der Co-Founder des Kryptowährungsstartups Bitpanda, Eric Demuth, zuletzt auf den erfolgreichen Wachstumskurs seines Unternehmens in Richtung Unicorn-Liga aufmerksam. Chancen auf den Titel „Unicorn“ dürften in Summe bis zu 10 Unternehmen haben, darunter noch Bitmovin aus Kärnten, die Wiener Tourradar und auch dem Social-Trading-Start-up Wikifolio werden Chancen nachgesagt.

Video: Unicorn-Anwärter Bitpanda im Interview

Das in Linz gegründete Monitoring-Unternehmen Dynatrace kommt nach dem IPO ebenso auf eine Milliardenbewertung wie der in Wien gestartete, börsennotierte und mittlerweile auf Gibraltar sitzende Wettanbieter bwin.

Ich freue mich, dass diese Liste sicherlich nicht vollständig ist, denn bei uns sind die meisten Champions bekanntlich “hidden”. In diesem Sinne, allen genannten und auch noch nicht bekannten Aspiranten auf den Einhorn-Titel – alles erdenklich Gute. Ihr macht uns stolz!

Disclaimer: Die Bitpanda GmbH ist zu 3,9849 % an der Brutkasten Media GmbH beteiligt.

Über den Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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(c) brutkasten/Marko Kovic

Es war ein Abend voller Energie und Inspiration, bei dem die führenden Köpfe der Innovations-Szene gemeinsam mit brutkasten rund um Gründer und CEO Dejan Jovicevic auf eine Dekade voller Höhen und Tiefen anstießen. Signature-Cocktails, eine mitreißende Live-Band und eine meterlange Food-Tafel luden zum Networken ein.

Rückblick auf 10 Jahre brutkasten

Moderiert wurde der Abend von einem weiteren Dejan – dem Gründer der Fuckup Nights, Dejan Stojanovic. Im offiziellen Teil ließ brutkasten-Gründer Jovicevic die vergangenen zehn Jahre mit einer sehr persönlichen Keynote Revue passieren: Angefangen bei der Gründung im Jahr 2014 als Teil der Tageszeitung “Die Presse”, über den Management-Buyout im Jahr 2017 und die Übernahmen von StartingUp sowie Venture Capital Magazin bis hin zur strategischen Mehrheitsübernahme durch die VGN im Jahr 2023. Ein Jahr nach der damit verbundenen Umstrukturierung blickt Jovicevic positiv in die Zukunft: „Als Team sind wir stärker denn je und voller Tatendrang, die Welt zu erobern“.

Im Rahmen der Feierlichkeiten wurde auch die neue brutkasten-Initiative “Austrian Innovators” vorgestellt. Deren Ziel ist, Österreichs Gestalter:innen der Zukunft zu vernetzen, um die Wirtschaft zukunftsfit zu machen. Die Initiative richtet sich dabei nicht nur an Startup-Founder:innen, sondern auch an Gründer:innen aus der traditionellen Wirtschaft, an Innovator:innen in etablierten Unternehmen und an Investor:innen, die die Transformation der Wirtschaft finanzieren werden. Interessierte können sich auf dieser Website vormerken lassen.

Founders4brutkasten als Unterstützung und Wertschätzung

Als Hauptsponsoren Tribe.Land und We\R unterstützen den Abend. Tribe.Land – The Co-Creation Collective – gegründet von Braintribe-Founder Stefan Ebner steht für einen innovativen Ansatz im Company Building und trat bei dem Jubiläumsevent erstmalig an die Öffentlichkeit. Das erste Co-Creation-Venture ist die gemeinsam mit Börsianer-Gründer Michael Berl ins Leben gerufene Co-Investment-Plattform We\R, die bei dem Event ihren Product Launch feierte.

Der Abend hielt aber auch unerwartete Überraschungen für den brutkasten-Gründer Dejan Jovicevic bereit. Neben einer pinken Geburtstagstorte von seinem Team sorgte auch Moderator Dejan Stojanovic mit der Ankündigung der Founders4brutkasten-Aktion für eine Überraschung. Diese wurde von österreichischen Gründer:innen ins Leben gerufen, um brutkasten zu unterstützen.

Über diese Website können Unterstützer:innen ein “I love brutkasten”-T-Shirt kaufen und damit brutkasten unterstützen. “Brutkasten hat uns 10 Jahre lang zusammengebracht, auf die Bühne geholt, informiert und inspiriert. Wir wollen, dass etwas von diesem unbezahlbaren Wert an den brutkasten zurückfließt”, heißt es in der Ankündigung der Aktion.

Fotos vom Event: brutkasten/Marko Kovic

(c) brutkasten/Marko Kovic
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AI Summaries

Die Unicorn-Ökonomie, oder: Warum wir an Einhörner glauben sollten

  • Der Begriff soll das seltene Wesen von Tech-Startups erfassen, die Bewertungen von über 1 Mrd. Dollar aufweisen.
  • Etliche Breitenmedien bezeichnen ein jedes Unternehmen mit über 1 Milliarde Bewertung als Unicorn, nicht wenige mischen die Liste auch mit Umsatz-Angaben.
  • Besonders im deutschsprachigen Raum beschreibt man aber auch einige Unternehmen als Einhörner, die explizit börsennotiert sind.
  • Wenn heute 6 der 10 größten globalen Unicorns aus China kommen, wie es das Hurun Research Institute beschreibt, bezeugt das den erfolgreichen Umbau der Wirtschaft als Basisvoraussetzung für solches globales Wachstum.
  • 136 Unicorns kommen in Summe aus den USA, 120 aus China sowie 24 aus der Europäischen Union.
  • Anwärter für das magische Überschreiten der 1 Mrd. Dollar Bewertung ist hierzulande unter anderem die auf Softwaretests spezialisierte Tricentis und Bitpanda.

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