Tursky zur Digitalisierung in Schulen: Nicht vor ChatGPT fürchten
Welche Folgen ChatGPT für die Schulbildung hat, fragen sich aktuell nicht nur Eltern und Lehrer:innen, sondern auch Staat und Politik. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Allianz Bildungsmedien Österreich sprachen Vertreter:innen mit Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP).
Künstliche Intelligenz (KI) hat Auswirkungen auf unser aller Alltag. Dazu zählt auch der Schulalltag von Schülerinnen und Schülern, die mitunter digitale Kompetenzen auf ihrem Bildungsweg erlernen sollten. Im Rahmen eines Treffens der Allianz Bildungsmedien Österreich tauschten sich die Anwesenden über Lösungen für technologischen Fortschritt im Bildungswesen aus.
Der Staatssekretär für Digitalisierung, Florian Tursky, sieht vor allem positive Effekte und großes Chancenpotenzial in den neuen Technologien. Seiner Meinung nach müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung speziell im Schulwesen kontinuierlich ausgeschöpft werden. Sowohl Schulen als auch Schüler:innen, Staat und Bildungsmedienverlage müssten für diese neue Technologien offen bleiben, anstatt davor zurückzuschrecken:
Neue Programme wie ChatGPT zeigen eindrucksvoll, wieviel KI mittlerweile leisten kann. Anstatt sich vor dieser Technologie zu fürchten, müssen wir anstreben, diese bestmöglich für uns zu nutzen und bereits im Schulalter einen kompetenten Umgang damit zu erlernen. So kann sich Österreich auch im Bildungsbereich als digitaler Vorreiter positionieren!
Digitalisierung in Schulen: Hilfe durch ChatGPT und Lern-Apps
Auch Markus Spielmann, Präsident der Allianz Bildungsmedien Österreich, erkennt ein wichtiges Potenzial in den neuen Angeboten. Besonders im Bildungsbereich könnten Instrumente wie ChatGPT oder Lern-Apps hilfreich sein, allerdings sei zu hinterfragen, wie qualitativ wertvoll die Inhalte damit werden können.
Auch Hochschulprofessor Thomas Strasser plädiert für ein technologieunterstütztes Lernen, sodass junge Menschen einen verantwortungsbewussten Umgang im Schulalltag erlernen – daher sei auch der Kompetenzaufbau im Lehrpersonal nicht zu unterschätzen. „Junge Leute gehören zu den Early Adoptern, die sich schnell mit neuen Programmen, Apps und emergierenden Trends anfreunden und diese rasch in ihren Alltag integrieren“, ergänzt Strasser dabei.
Digitale Kompetenzen und damit auch KI werden also auch zukünftig den (Schul-)Alltag und ebenso die Arbeitswelt prägen, sind sich die Vertreter:innen einig. Lehrinhalte und Lernlösungen sollen für alle Beteiligten qualitativ hochwertig und wirksam gestaltet werden. Während sich die Anwesenden darüber einig waren, bleibt noch offen, wie genau diese Forderungen umgesetzt werden sollen.
„KI wird sich verlieben können, aber keine Medikamente entwickeln“
Der gebürtige Österreicher Christoph Lengauer ist Mitgründer der US-Venture-Capital-Gesellschaft Curie.Bio, die über 1 Mrd. Dollar und über 30 Unternehmensbeteiligungen verwaltet. In einer Keynote in Wien gab er kürzlich Einblicke in die aktuelle Lage der Biotech-Branche und widmete sich der Frage, was Künstliche Intelligenz in der Medikamentenentwicklung leisten kann.
„KI wird sich verlieben können, aber keine Medikamente entwickeln“
Der gebürtige Österreicher Christoph Lengauer ist Mitgründer der US-Venture-Capital-Gesellschaft Curie.Bio, die über 1 Mrd. Dollar und über 30 Unternehmensbeteiligungen verwaltet. In einer Keynote in Wien gab er kürzlich Einblicke in die aktuelle Lage der Biotech-Branche und widmete sich der Frage, was Künstliche Intelligenz in der Medikamentenentwicklung leisten kann.
Christoph Lengauer bei seiner Keynote | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Wie steht es um die Biotech-Branche, warum ist die Kapitalbeschaffung derzeit so schwierig, und welche Rolle kann Künstliche Intelligenz (KI) bei der Entdeckung von Medikamenten spielen? Genau diesen Fragen widmete sich der Biotech-Unternehmer und Investor Christoph Lengauer in einer Keynote des von Biotech Austria in der Säulenhalle der Wiener Börse veranstalteten vierten “Biotech Circle Austria”.
Lengauer gilt als „Drug Hunter“: Er forschte als Associate Professor am renommierten Vogelstein-Labor der Johns Hopkins University, wo er mehrere „Cancer Driver“-Gene mitidentifizierte, die heute wichtige Angriffspunkte für Krebstherapien bilden. Anschließend leitete er Wirkstoffforschungsabteilungen bei Sanofi und Novartis, bevor er selbst Biotech-Unternehmen wie Blueprint Medicines, Thrive, Celsius Therapeutics und MOMA Therapeutics mitgründete.
2022 war er dann Co-Founder von Curie.Bio – einer Venture-Capital-Gesellschaft, die in therapeutikorientierte Startups investiert und insgesamt über 1 Mrd. US-Dollar an Investorengeldern eingesammelt hat. Aktuell umfasst das Portfolio von Curie.Bio über 30 Unternehmensbeteiligungen.
„Diese Zeiten sind nicht leicht“ – die Lage der Branche
Christoph Lengauer | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
In seiner Keynote sprach Lengauer von einer “hässlichen Zeit”, die die Biotech-Branche aktuell erlebe. Zahlreiche börsennotierte Biotech-Firmen verfügen zwar noch über hohe Barreserven, würden jedoch am Aktienmarkt unter ihrem Kassenbestand bewertet. Nach den Hochphasen der Jahre 2020 und 2021 – mit jeweils über 70 Biotech-IPOs allein in den USA – ist das Zeitfenster für Börsengänge praktisch geschlossen. Für Investoren bedeutet das: keine Exits, große Zurückhaltung bei Neuinvestitionen und schwierige Finanzierungsrunden für die Branche.
Zusätzlich spiegele sich die Krise an konkreten Beispielen wie Moderna: Dieser ehemals gefeierte „Star“ notiert rund 90 Prozent unter dem historischen Höchstkurs. Andere Hoffnungsträger wie Ginkgo oder Editas stehen sogar bei Kursverlusten von weit über 90 %. Zusammenfassend urteilt Lengauer: „Das ist brutal für die Branche und schreckt Investoren natürlich ab.“
Die Unwägbarkeiten der Wirkstoffforschung
Dass Biotech kein simples Investitionsfeld ist, liegt in der Natur der Sache. Laut Lengauer ist Wirkstoffentwicklung „einen Schritt entfernt von unmöglich“. Von 100 Projekten in der präklinischen Forschung schafft es im Durchschnitt nur eines in die klinische Phase. Und selbst dann erreichen nur etwa 1–2 dieser Kandidaten am Ende die Marktzulassung.
Dieser enormen Risikolage steht ein hoher Kapitalbedarf gegenüber. Ein einzelner Entwicklungskandidat kostet Unternehmen rund 80 Millionen US-Dollar bis zur Phase , in der er überhaupt erst im Menschen getestet werden kann. Währenddessen sind Me-too-Entwicklungen in Ländern wie China laut Lengauer erheblich günstiger zu realisieren. „Wir sind hier oft zehnmal teurer – das macht uns unheimlich zu schaffen“, betont er.
Investoren und das Dilemma der Rendite
Trotz einer langanhaltend starken Innovationskraft sind Biotech-Investitionen aus rein finanzieller Perspektive schwierig. Lengauer rechnete vor, dass selbst bei sehr optimistischen Erfolgsquoten die Renditeerwartungen gerade einmal auf ein ausgeglichenes Niveau kommen. Für Investorinnen und Investoren, die in kurzer Zeit Gewinne maximieren wollen, ist das Feld somit weniger attraktiv.
Dennoch gebe es gute Gründe für ein Engagement: Innovationen, die das Leben von Patientinnen und Patienten konkret verbessern.
Fixkosten runter, Erfolgschancen steigern
Christoph Lengauer in der Säulenhalle der Wiener Börse | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Um überhaupt eine Chance zu haben, empfiehlt Lengauer eine drastische Senkung der Fixkosten. Größere Biotech-Startups, die bereits nach einem Jahr ein volles Leitungsteam inklusive Personalchef und Rechtsabteilung vorhalten, bezeichnet er als „rezeptpflichtig fürs Scheitern“.
Stattdessen plädiert er für maximale Flexibilität: Vieles könne heute über externe Dienstleister abgebildet werden, sodass Unternehmen im Zweifel rasch das Budget umschichten können. So sinkt das finanzielle Risiko gerade in der sensiblen Frühphase, in der Investorengelder teuer und knapp sind.
KI als Schlüssel zur Effizienz – aber mit Grenzen
Der fünfte und letzte Schwerpunkt der Keynote lag auf der Künstlichen Intelligenz. Lengauer wies zunächst auf den historischen Ursprung des Begriffs hin – eine Maschine, die menschliche Intelligenz imitiert–, und beleuchtete, die in der Wirkstoffentwicklung gängige, Ausrichtung auf Machine Learning. Entscheidend sei die Qualität und Tiefe der verfügbaren Daten. „Ohne ausreichendes Trainingsmaterial kann die beste KI nur mittelmäßige Ergebnisse liefern“, so Lengauer.
Als Paradebeispiel führte er das von dem Google-Tochterunternehmen DeepMind entwickelte KI-System AlphaFold an, das mithilfe riesiger öffentlich verfügbarer Datenmengen Proteinstrukturen erstaunlich präzise vorhersagen kann. Dieser Durchbruch in der Strukturbiologie habe die Forschung und frühe Phase der Medikamentenentwicklung immens beschleunigt und demokratisiert, denn AlphaFold-Daten sind für jede und jeden zugänglich. Dennoch komme es auf die richtige Interpretation an: Proteine bewegen sich in der Realität, und für solch komplexe dynamische Prozesse müssten Modelle erst noch reifen.
De-novo-Wirkstoffforschung durch KI – also vollkommen neue Moleküle, die der Mensch so nie entworfen hat – bleibe bislang ein Versprechen, das noch nicht in Form echter zugelassener Arzneimittel eingelöst wurde. KI könne zwar in Sekundenschnelle potenziell vielversprechende Moleküle generieren, doch zahlreiche Faktoren wie Toxizität, Löslichkeit und Wirksamkeit im Körper erforderten weiterhin ein enormes Maß an empirischem Wissen und experimenteller Bestätigung.
„Glaube nicht, dass KI in der Lage sein wird, ein Medikament zu entwickeln“
Christoph Lengauer in der Säulenhalle der Wiener Börse | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Was die Entwicklung von Medikamenten angeht, bleibt Lengauer daher zurückhaltend: “Ich glaube, dass KI weinen können wird, dass sie sich verlieben können wird. Ich glaube nicht, dass sie in der Lage sein wird, ein Medikament zu entwickeln.” Denn Medikamentenentwicklung sei “ein Wunder”.
Im Gespräch mit brutkasten führte Lengauer den Gedanken aus: Medikamentenentwicklung habe „eine enorme Komplexität”. Es sei vorstellbar, dass KI physiologische Prozesse reproduzieren könne, aber die Frage dabei sei immer, in welcher Größenordnung sich das zu lösende Problem bewege. Medikamentenentwicklung liege “am extremen Spektrum dieser Komplexität”.
Gleichzeitig stehe es aber außer Frage, dass Künstliche Intelligenz bestimmte Schritte in der Wirkstoffentwicklung beschleunigen und verbessern werde. “Aber der schwierige Teil ist das De-novo-Design – man kann es auch ‘Ideation’ nennen, dieser geniale Aha-Moment”, erläutert Lengauer. “Und da hat KI im Bereich der Medikamentenentwicklung bislang noch nicht viel erreicht.” Sie ist zwar sehr hilfreich für viele Teilschritte, aber eben nicht in diesem kreativen Erfindungsprozess.
Nase für Wert: Erfolgsfaktor Mensch bleibt
Christoph Lengauer und Biotech-Austria-Präsient Peter Llewellyn-Davies | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Somit bleibt der Mensch der entscheidende Faktor. In seiner Keynote zog Lengauer eine Analogie zum Fußball: „Lewandowski steht immer an der richtigen Stelle – wie Messi früher. Warum?“ Sein Fazit: Ein gewisses Bauchgefühl, Erfahrung und Intuition bleiben trotz aller Daten und Algorithmen entscheidend. So wie ein exzellenter Stürmer antizipiert, wo der Ball landen wird, so brauchen Biotech-Projekte Führungspersonen mit einem „Riecher für Wert“.
Gerade junge Talente sollten laut Lengauer die Nähe zu solchen erfahrenen Akteuren suchen. Dann erst seien sie in der Lage, langfristig selbst zu jenen Menschen zu werden, die die Branche prägen und große Erfolge feiern.
„KI wird sich verlieben können, aber keine Medikamente entwickeln“
Der gebürtige Österreicher Christoph Lengauer ist Mitgründer der US-Venture-Capital-Gesellschaft Curie.Bio, die über 1 Mrd. Dollar und über 30 Unternehmensbeteiligungen verwaltet. In einer Keynote in Wien gab er kürzlich Einblicke in die aktuelle Lage der Biotech-Branche und widmete sich der Frage, was Künstliche Intelligenz in der Medikamentenentwicklung leisten kann.
„KI wird sich verlieben können, aber keine Medikamente entwickeln“
Der gebürtige Österreicher Christoph Lengauer ist Mitgründer der US-Venture-Capital-Gesellschaft Curie.Bio, die über 1 Mrd. Dollar und über 30 Unternehmensbeteiligungen verwaltet. In einer Keynote in Wien gab er kürzlich Einblicke in die aktuelle Lage der Biotech-Branche und widmete sich der Frage, was Künstliche Intelligenz in der Medikamentenentwicklung leisten kann.
Christoph Lengauer bei seiner Keynote | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Wie steht es um die Biotech-Branche, warum ist die Kapitalbeschaffung derzeit so schwierig, und welche Rolle kann Künstliche Intelligenz (KI) bei der Entdeckung von Medikamenten spielen? Genau diesen Fragen widmete sich der Biotech-Unternehmer und Investor Christoph Lengauer in einer Keynote des von Biotech Austria in der Säulenhalle der Wiener Börse veranstalteten vierten “Biotech Circle Austria”.
Lengauer gilt als „Drug Hunter“: Er forschte als Associate Professor am renommierten Vogelstein-Labor der Johns Hopkins University, wo er mehrere „Cancer Driver“-Gene mitidentifizierte, die heute wichtige Angriffspunkte für Krebstherapien bilden. Anschließend leitete er Wirkstoffforschungsabteilungen bei Sanofi und Novartis, bevor er selbst Biotech-Unternehmen wie Blueprint Medicines, Thrive, Celsius Therapeutics und MOMA Therapeutics mitgründete.
2022 war er dann Co-Founder von Curie.Bio – einer Venture-Capital-Gesellschaft, die in therapeutikorientierte Startups investiert und insgesamt über 1 Mrd. US-Dollar an Investorengeldern eingesammelt hat. Aktuell umfasst das Portfolio von Curie.Bio über 30 Unternehmensbeteiligungen.
„Diese Zeiten sind nicht leicht“ – die Lage der Branche
Christoph Lengauer | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
In seiner Keynote sprach Lengauer von einer “hässlichen Zeit”, die die Biotech-Branche aktuell erlebe. Zahlreiche börsennotierte Biotech-Firmen verfügen zwar noch über hohe Barreserven, würden jedoch am Aktienmarkt unter ihrem Kassenbestand bewertet. Nach den Hochphasen der Jahre 2020 und 2021 – mit jeweils über 70 Biotech-IPOs allein in den USA – ist das Zeitfenster für Börsengänge praktisch geschlossen. Für Investoren bedeutet das: keine Exits, große Zurückhaltung bei Neuinvestitionen und schwierige Finanzierungsrunden für die Branche.
Zusätzlich spiegele sich die Krise an konkreten Beispielen wie Moderna: Dieser ehemals gefeierte „Star“ notiert rund 90 Prozent unter dem historischen Höchstkurs. Andere Hoffnungsträger wie Ginkgo oder Editas stehen sogar bei Kursverlusten von weit über 90 %. Zusammenfassend urteilt Lengauer: „Das ist brutal für die Branche und schreckt Investoren natürlich ab.“
Die Unwägbarkeiten der Wirkstoffforschung
Dass Biotech kein simples Investitionsfeld ist, liegt in der Natur der Sache. Laut Lengauer ist Wirkstoffentwicklung „einen Schritt entfernt von unmöglich“. Von 100 Projekten in der präklinischen Forschung schafft es im Durchschnitt nur eines in die klinische Phase. Und selbst dann erreichen nur etwa 1–2 dieser Kandidaten am Ende die Marktzulassung.
Dieser enormen Risikolage steht ein hoher Kapitalbedarf gegenüber. Ein einzelner Entwicklungskandidat kostet Unternehmen rund 80 Millionen US-Dollar bis zur Phase , in der er überhaupt erst im Menschen getestet werden kann. Währenddessen sind Me-too-Entwicklungen in Ländern wie China laut Lengauer erheblich günstiger zu realisieren. „Wir sind hier oft zehnmal teurer – das macht uns unheimlich zu schaffen“, betont er.
Investoren und das Dilemma der Rendite
Trotz einer langanhaltend starken Innovationskraft sind Biotech-Investitionen aus rein finanzieller Perspektive schwierig. Lengauer rechnete vor, dass selbst bei sehr optimistischen Erfolgsquoten die Renditeerwartungen gerade einmal auf ein ausgeglichenes Niveau kommen. Für Investorinnen und Investoren, die in kurzer Zeit Gewinne maximieren wollen, ist das Feld somit weniger attraktiv.
Dennoch gebe es gute Gründe für ein Engagement: Innovationen, die das Leben von Patientinnen und Patienten konkret verbessern.
Fixkosten runter, Erfolgschancen steigern
Christoph Lengauer in der Säulenhalle der Wiener Börse | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Um überhaupt eine Chance zu haben, empfiehlt Lengauer eine drastische Senkung der Fixkosten. Größere Biotech-Startups, die bereits nach einem Jahr ein volles Leitungsteam inklusive Personalchef und Rechtsabteilung vorhalten, bezeichnet er als „rezeptpflichtig fürs Scheitern“.
Stattdessen plädiert er für maximale Flexibilität: Vieles könne heute über externe Dienstleister abgebildet werden, sodass Unternehmen im Zweifel rasch das Budget umschichten können. So sinkt das finanzielle Risiko gerade in der sensiblen Frühphase, in der Investorengelder teuer und knapp sind.
KI als Schlüssel zur Effizienz – aber mit Grenzen
Der fünfte und letzte Schwerpunkt der Keynote lag auf der Künstlichen Intelligenz. Lengauer wies zunächst auf den historischen Ursprung des Begriffs hin – eine Maschine, die menschliche Intelligenz imitiert–, und beleuchtete, die in der Wirkstoffentwicklung gängige, Ausrichtung auf Machine Learning. Entscheidend sei die Qualität und Tiefe der verfügbaren Daten. „Ohne ausreichendes Trainingsmaterial kann die beste KI nur mittelmäßige Ergebnisse liefern“, so Lengauer.
Als Paradebeispiel führte er das von dem Google-Tochterunternehmen DeepMind entwickelte KI-System AlphaFold an, das mithilfe riesiger öffentlich verfügbarer Datenmengen Proteinstrukturen erstaunlich präzise vorhersagen kann. Dieser Durchbruch in der Strukturbiologie habe die Forschung und frühe Phase der Medikamentenentwicklung immens beschleunigt und demokratisiert, denn AlphaFold-Daten sind für jede und jeden zugänglich. Dennoch komme es auf die richtige Interpretation an: Proteine bewegen sich in der Realität, und für solch komplexe dynamische Prozesse müssten Modelle erst noch reifen.
De-novo-Wirkstoffforschung durch KI – also vollkommen neue Moleküle, die der Mensch so nie entworfen hat – bleibe bislang ein Versprechen, das noch nicht in Form echter zugelassener Arzneimittel eingelöst wurde. KI könne zwar in Sekundenschnelle potenziell vielversprechende Moleküle generieren, doch zahlreiche Faktoren wie Toxizität, Löslichkeit und Wirksamkeit im Körper erforderten weiterhin ein enormes Maß an empirischem Wissen und experimenteller Bestätigung.
„Glaube nicht, dass KI in der Lage sein wird, ein Medikament zu entwickeln“
Christoph Lengauer in der Säulenhalle der Wiener Börse | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Was die Entwicklung von Medikamenten angeht, bleibt Lengauer daher zurückhaltend: “Ich glaube, dass KI weinen können wird, dass sie sich verlieben können wird. Ich glaube nicht, dass sie in der Lage sein wird, ein Medikament zu entwickeln.” Denn Medikamentenentwicklung sei “ein Wunder”.
Im Gespräch mit brutkasten führte Lengauer den Gedanken aus: Medikamentenentwicklung habe „eine enorme Komplexität”. Es sei vorstellbar, dass KI physiologische Prozesse reproduzieren könne, aber die Frage dabei sei immer, in welcher Größenordnung sich das zu lösende Problem bewege. Medikamentenentwicklung liege “am extremen Spektrum dieser Komplexität”.
Gleichzeitig stehe es aber außer Frage, dass Künstliche Intelligenz bestimmte Schritte in der Wirkstoffentwicklung beschleunigen und verbessern werde. “Aber der schwierige Teil ist das De-novo-Design – man kann es auch ‘Ideation’ nennen, dieser geniale Aha-Moment”, erläutert Lengauer. “Und da hat KI im Bereich der Medikamentenentwicklung bislang noch nicht viel erreicht.” Sie ist zwar sehr hilfreich für viele Teilschritte, aber eben nicht in diesem kreativen Erfindungsprozess.
Nase für Wert: Erfolgsfaktor Mensch bleibt
Christoph Lengauer und Biotech-Austria-Präsient Peter Llewellyn-Davies | Foto: BIOTECH AUSTRIA / Alexander Felten
Somit bleibt der Mensch der entscheidende Faktor. In seiner Keynote zog Lengauer eine Analogie zum Fußball: „Lewandowski steht immer an der richtigen Stelle – wie Messi früher. Warum?“ Sein Fazit: Ein gewisses Bauchgefühl, Erfahrung und Intuition bleiben trotz aller Daten und Algorithmen entscheidend. So wie ein exzellenter Stürmer antizipiert, wo der Ball landen wird, so brauchen Biotech-Projekte Führungspersonen mit einem „Riecher für Wert“.
Gerade junge Talente sollten laut Lengauer die Nähe zu solchen erfahrenen Akteuren suchen. Dann erst seien sie in der Lage, langfristig selbst zu jenen Menschen zu werden, die die Branche prägen und große Erfolge feiern.
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