17.01.2022

trive studio: Wiener Startup-Studio startet mit 7 Mio. Euro u.a. von Hansi Hansmann

Gründer des Startup-Studios nach Rocket Internet-Vorbild ist Sclable-Co-Founder Martin Sirlinger. In vier Jahren sollen nun acht Startups gegründet werden. Das erste davon, Emma Wanderer, ist bereits bekannt.
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Das aktuelle trive studio-Kernteam vl.n.r.: Alina Regal, Martin Sirlinger, Andre Schweighofer und Lena Hödl | (c) Marcella Ruiz Cruz
Das aktuelle trive studio-Kernteam v.l.n.r.: Alina Regal, Martin Sirlinger, Andre Schweighofer und Lena Hödl | (c) Marcella Ruiz Cruz

Die großen internationalen Erfolgsbeispiele für sogenannte Startup-Studios gibt es schon etwas länger – es sind Namen wie Idealab, Rocket Internet und Atomic. Das Konzept: Aus dem Studio heraus werden in Serie neue Startups durch ein erfahrenes Kernteam aufgebaut, das sich sukzessive im Zuge der angestrebten schnellen Skalierung zurückzieht. Nun gibt es auch in Wien ein Unternehmen, das nach dem Prinzip arbeitet: trive studio. Das Unternehmen will in den kommenden vier Jahren bis zu acht Startups in den Bereichen New Work, Urbanisation und Mobility gründen.

Bekannte Namen im Kernteam und unter Investor:innen

Gründer von trive studio ist Martin Sirlinger, der mit Sclable eine der größten Digitalisierungsaenturen des Landes aufbaute, wo er sich 2020 nach acht Jahren (davon drei als CEO) zurückzog. Im Kernteam sind mit Lena Hödl, ehemalige Geschäftsführerin und Head of Accelerator von Female Founders und Andre Schweighofer, vormals in führenden Positionen im Software Engineering bei Runtastic und XING, zwei weitere Bekannte aus der Startup-Szene. Mit Alina Regal kommt eine Juristin hinzu, die sich unter anderem auf M&A und Venture Capital spezialisiert hat. Weitere Kernpositionen seien noch zu besetzen, heißt es vom Unternehmen. Mehrere Stellen im Kernteam sind derzeit ausgeschrieben.

Sehen lässt sich auch die Liste der Investoren (soweit bekannt), die gemeinsam mit Sirlinger für ein Startkapital von sieben Millionen Euro sorgen. Insgesamt 15 Investor:innen gibt es laut trive studio. Namentlich genannt werden Dominik Greiner (Business Angel und Ex-weXelerate Geschäftsführer), Mathias Hüttenrauch (Gründer Wertweit), Werner Becher (SportRadar), Ralph Harreiter (Co-Founder Parkside), Jörg Schönbacher (Co-Founder USound), Andreas Ludwig (Umdasch Group) und Österreichs bekanntester Business Angel Hansi Hansmann, der sein Investment bereits kürzlich im großen brutkasten-Interview verraten hatte.

“Das erste Vollblut-Startup-Studio Österreichs”

Geht es nach Sirlinger, soll trive studio “das erste Vollblut-Startup-Studio Österreichs” werden: “Im Kern unserer Studioarbeit steht das Neudenken, wie Menschen in Zukunft leben und arbeiten. Haben wir ein relevantes und validiertes Geschäftsfeld identifiziert, setzen wir ein Startup auf, das von der Idee bis zur Seed-Runde von uns gemanagt wird”. Die Unternehmen im Portfolio sollen sich “mit globalen Trends beschäftigen, die in zehn Jahren noch stärker ausgeprägt sein werden als heute”.

Der Gründer führt auch mehrere Statistiken zu Startup-Studios ins Treffen: Deren Gründungen würden im Schnitt eine höhere Rendite als traditionelle Startups abwerfen. Konkret sei die Internal Rate of Return mit 53 Prozent mehr als doppelt so hoch, das Wachstum durchschnittlich doppelt so schnell und die Zeitspanne von der Gründung bis zur Series A mit 25,2 Monaten deutlich kürzer als bei klassischen Startups (56 Monate).

Emma Wanderer: Erstes trive studio-Startup bereits bekannt

Dazu müssten aber bereits im Vorfeld drei zentrale Kriterien validiert werden: Erstens brauche es ein klar erkennbares und relevantes Problem, das durch ein neues Plattform- oder Marktplatzangebot bedient werden könne. Zweitens kämen in erster Linie “Software First Companies” in Frage, die eine entsprechende Skalierung ermöglichen. Drittens müssten die Gründungen einen positiven Impact auf Menschen und Umwelt haben.

Das erste trive studio-Startup ist bereits bekannt und im Aufbau: Emma Wanderer. Der brutkasten berichtete bereits über die europaweite Plattform, die gut ausgestattete Arbeitsplätze und Wohnräume in der Natur anbietet. Als “Entrepreneur in Residence” nimmt hier Andreas Jaritz die Rolle des CEO ein. Auch für die weiteren Projekte werden Leute für diese Position gesucht. “Wir heißen Entrepreneurs in Residence willkommen, die an unseren Projekten arbeiten wollen. Gemeinsam können wir schneller und zielsicherer Firmen bauen”, meint Sirlinger und richtet damit eine Einladung an Interessierte.

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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