18.01.2022

trive-Founder Sirlinger: “Es gab noch nie eine bessere Zeit, um etwas zu gründen”

Mit trive studio startete Martin Sirlinger nun in Wien ein Startup-Studio nach dem Rocket Internet-Prinzip. Im Interview spricht er über seine Beweggründe und Ziele.
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Martin Sirlinger startet mit trive studio ein neues Uneternehmen | (c) Tim Ertler
Martin Sirlinger startet mit trive studio ein neues Unternehmen | (c) Tim Ertl

Es gibt erfolgreiche internationale Beispiele wie Idealab, Rocket Internet und Atomic. Nun startete Martin Sirlinger, Co-Founder und ehemaliger CEO von Sclable, auch in Wien ein sogenanntes Startup-Studio – der brutkasten berichtete. Im trive studio sollen in Serie Startups in den Bereichen New Work, Urbanisation und Mobility gegründet, aufgebaut und schnell skaliert werden. Zum Start stehen dafür 7,5 Millionen Euro Kapital von einigen namhaften Investor:innen, darunter neben Sirlinger selbst etwa Hansi Hansmann, bereit. Mit Emma Wanderer wurde das erste von acht in den kommenden vier Jahren geplanten Startups bereits präsentiert. Wir haben Martin Sirlinger zum Interview gebeten.


Du hast mit Sclable bereits ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Was ist für dich der Reiz an dem großen neuen Projekt?

Neuanfänge sind immer reizvoll. Mit dem Unterschied, dass ich in trive von Beginn an 15 Jahre Erfahrung einbringe. Für mich war es als Unternehmer nun an der Zeit, das gesammelte Know-how und Netzwerk in dieses neue Projekt einzubringen. Auf der anderen Seite reizt es mich, zu beweisen, dass das Studio-Modell als Assetklasse für Investor:innen sehr spannend sein kann und in der Lage ist, mit dem klassischen VC-Modell mitzuhalten.

Der Startup-Studio-Ansatz ist, wie auch von euch betont, nicht neu. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, eines in Österreich zu starten?

Der Startup-Studio-Ansatz ist tatsächlich nicht neu. Weltweit gibt es eine Vielzahl von Studios unterschiedlicher Ausprägung. Wer sich bezüglich des Modells und den Erfolgen von Startup Studios vertiefen möchte, dem empfehle ich die Whitepaper des GSSN (Anm. Global Startup Studio Network). Gerade die Erfolge der etablierten, aber auch der neu gegründeten Studios, sind für mich eine zusätzliche Motivation ein eigenes Studio zu gründen. Dass wir das Studio in Österreich gründen, gibt dem Startup-Ökosystem aus unserer Sicht komplementäre Impulse. Es gab noch nie eine bessere Zeit, um etwas zu gründen. Denn aktuell passen alle Rahmenbedingungen, man muss es nur tun. 

Was ist der Unterschied zu den Company Builders im Land?

Uns geht es weniger um die Unterschiede zu anderen als als um die Stärken von trive. Wir können unseren Fokus zu 100 Prozent auf die Generierung und Umsetzung eigener Ideen legen. Wir müssen unsere Arbeit nicht durch Dienstleistungen oder andere Aktivitäten querfinanzieren. Zweitens ist es uns gelungen, einen Rahmen für unsere Arbeit für die nächsten Jahre festzulegen, der neben der gesicherten Finanzierung erstklassige Mitarbeiter:innen und Investor:innen einbringt.  Das soll wiederum die Erfolgschancen unserer Startups massiv erhöhen. Anders gesagt: es ist keine One Person-Show, sondern eine Team-Show.

Martin Sirlinger im Video-Talk zu trive studio

Wieso die Kombination der Themen New Work, Urbanisation und Mobility?

Hier sehen wir für uns das größte Potenzial. Nämlich: klar erkennbare und relevante Probleme, die durch ein neues Plattform- oder Marktplatzangebot bedient werden können. Zweitens kommen hier in erster Linie “Software First Companies” in Frage, die eine entsprechende Skalierung ermöglichen. Drittens ist in diesen Bereichen ein besonders positiver Impact für Menschen und Umwelt möglich.

Warum seid ihr zuerst mit dem ersten Startup Emma Wanderer an die Öffentlichkeit gegangen und verratet jetzt erst Details zu trive studio? 

Das ist dem Umstand zu verdanken, wie wir das Projekt trive studio angegangen sind. Es war klar, dass wir mit dem Studio in Österreich größtenteils Neuland betreten. In so einer Situation gibt es aus meiner Sicht nur eine Möglichkeit: man muss mit konkreter Vorarbeit überzeugen. Mit Emma Wanderer im Werden konnten wir die Investor:innen und Mitarbeiter:innen noch schneller überzeugen.

Die Liste der Investor:innen enthält einige große Namen. Werden die eure Startups auch direkt unterstützen?

Wir haben uns bei den Investor:innen bewusst dafür entschieden, dass wir nur einen kleinen Kreis von Unternehmer:innen an Bord holen möchten und nicht VCs, Family Offices oder Unternehmen. Wir haben Personen gesucht, die sich mit ihren Erfahrungen und Netzwerken unternehmerisch einbringen können. Wir haben den Rahmen geschaffen, dass dies wirklich möglich ist. Davon werden unsere Startups stark profitieren. Zusätzlich sind es auch Investor:innen, die bei Anschlussfinanzierungen einzelner Startups das Potential haben, mitzuinvestieren. 

Ihr wollt in den kommenden vier Jahren acht Startups gründen. Gibt es weitere ganz konkrete Ziele, die du nennen kannst?

Ich möchte die besten Köpfe von unserem Studio-Modell überzeugen. Wir suchen rund 50 Personen in den nächsten Jahren, die Co-Founder bzw. Schlüsselrollen in unseren Startups oder im Studio übernehmen möchten. Natürlich wollen wir mit unserem Studio auch einen positiven Impact leisten. Wirtschaftlich betrachtet soll unser Studio-Ansatz mit den VC-Modellen mithalten. Nach den ersten vier Jahren planen wir eine zweite Generation von trive – mit all den Erfahrungen, die wir bis dahin gemacht haben.

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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