10.12.2019

Tech Trends 2020: Nächstes Jahr wird scheinbar nicht viel passieren

Wie jedes Jahr publizieren auch heuer die Beratungsriesen knapp vor Weihnachten ihre Technologie-Voraussagen. Den Anfang machten Deloitte und Gartner. Große Umwälzungen sucht man in deren Tech Trends 2020 vergebens. Überraschend sind einige davon trotzdem - überraschend langweilig.
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Tech Trends 2020 - Hörbücher und Smartphone-Zubehör
(c) Adobe Stock / Drobot Dean

Wenn es ein “Boom bei Podcasts und Hörbüchern”, ein gesteigerter Absatz bei E-Bikes und erwartete dreistellige Milliardenumsätze im Bereich Smartphone-Zubehör in die Liste der ausgewählten fünf Tech Trends 2020 bei Deloitte (“TMT Predictions”) schaffen, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder erwartet uns kommendes Jahr tatsächlich kein Feuerwerk der Innovation, oder man hat beim Beratungsriesen irgendetwas übersehen. Für die erste These spricht, dass auch Gartner in seinen zehn Voraussagen für kommendes Jahr (siehe unten) kaum bahnbrechende Neuerungen vorbringt. Für die zweite These spricht freilich, das die wirklich großen Disruptionen oft unerwartet kommen.

+++ Zurück in die Gegenwart: Zukunftsvisionen von 2020 im Check +++

Die 5 Tech Trends 2020-Liste bei Deloitte wird komplettiert durch zwei wohl etwas spannendere Themen: den gesteigerten Einsatz von Robotern im Dienstleistungsbereich (weltweit wird der Verkauf von rund einer halben Million Einheiten 2020 erwartet) und den massiven Ausbau von Satelliten-Breitband, der unter anderem für immer bessere Internetverbindungen in entlegenen Regionen sorgen soll.


Deloitte Tech Trends 2020:

  • Trend 1: “Roboter erobern den Dienstleistungsbereich”
  • Trend 2: “Satelliten-Breitband vernetzt die Welt”
  • Trend 3: “Podcasts und Hörbücher verzeichnen Boom”
  • Trend 4: “E-Bikes prägen das Straßenbild”
  • Trend 5: “Zubehör ist Treiber am Smartphone-Markt”

Mehr vom Altbekannten bei Gartner

Bei Gartner sieht die Sache zwar ganz anders, aber nicht unbedingt bahnbrechender aus. Beim US-Marktforschungs- und -Beratungsriesen übt man sich in der Kunst der Buzzword-Findung. Demnach erwarten uns etwa “Hyperautomation” (noch mehr AI und Machine Learning), “Multiexperience” (AR und VR haben es wieder einmal in die Trends geschafft), “Transparenz und Rückverfolgbarkeit” (Menschen nehmen den Umgang mit ihren Daten ernster) und “Practical Blockchain” (endlich macht irgendjemand wirklich etwas sinnvolles damit).

Freilich enthalten auch die Gartner Tech Trends 2020 Themen, die dann doch nicht ganz auf der Hand liegen, wenngleich das große Staunen trotzdem ausbleibt. So sagt man dort etwa eine gesteigerte Wichtigkeit von Edge Computing voraus – eine wieder stärker lokal, bzw. dezentral getriebene Datenverarbeitung, damit im Internet of Things alles flüssig läuft. Zu diesem Thema passt auch der Trend “The distributed cloud”, wo Gartner eine Abwendung von allzu zentralisierten Cloud-Systemen zu verteilteren Lösungen ortet. Daneben erwartet man einen noch stärkeren Trend zur “Human Augmentation”, also physische Tech-Unterstützung für den menschlichen Körper, einen vermehrten Einsatz autonomer Geräte, Herausforderungen in Sachen AI-Sicherheit und eine “Demokratisierung” durch leichteren Zugang zu Tech-Wissen und Skills.


Gartner Tech Trends 2020

  • Trend 1: “Hyperautomation” – starke Automatisierung durch mehr Artificial Inteligence und Machine Learning
  • Trend 2: “Multiexperience” – stärkere Kombination von verschiedensten Kanälen und Technologien für User
  • Trend 3: “Demokratisierung” – leichterer Zugang zu Tech-Wissen und -Kompetenzen
  • Trend 4: “Human Augmentation” – Physische Eingriffe (z.B. Implantate) zur Verbesserung menschlicher Leistungsfähigkeit
  • Trend 5: “Transparenz und Rückverfolgbarkeit” – Achtsamerer Umgang mit Daten als Reaktion auf eine Vertrauenskrise
  • Trend 6: “The empowered Edge” – Kürzere Latenzzeiten im IoT-Bereich durch Nutzung von Edge-Computing
  • Trend 7: “The distributed Cloud” – Trend zur Dezentralisierung im Cloud-Bereich
  • Trend 8: “Autonome Dinge”:  Mehr autonome Geräte wie Roboter und Drohnen auch im öffentlichen Raum
  • Trend 9: “Practical Blockchain”: Tatsächliche Massentauglichkeit und Skalierbarkeit von Blockchain-Lösungen bis 2023
  • Trend 10: “AI-Sicherheit”: Erhöhter Bedarf zum Schutz von AI-Systemen und Nutzung der Technologie für Cyber Security

Tech Trends 2019 im Rückblick

Im Vorjahr hatte Deloitte bei seinen TMT Predictions übrigens Trend-Vorhersagen zu Smart Speakern, eSports und 5G im Fokus. Zumindest um die ersten beiden ist es zuletzt bei steigenden Umsätzen medial eher leiser geworden. Der 5G-Durchbruch hingegen ist tendenziell kommendes Jahr zu erwarten. In Gartners Trends vergangenes Jahr waren gleich mehrere Punkte fast ident mit der diesjährigen Aufstellung (z.B. autonome Dinge, Blockchain und Edge-Computing). Spannend: Beide Beratungsriesen machten Voraussagen zum Quantencomputer und sahen noch eine längere Zeit bis zu befriedigenden Ergebnissen – gerade da passierte dieses Jahr aber viel.

⇒ Deloitte TMT Predictions 2020 im Volltext

⇒ Trends 2020 auf der Gartner-Page

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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Tech Trends 2020: Nächstes Jahr wird scheinbar nicht viel passieren

Wenn es ein “Boom bei Podcasts und Hörbüchern”, ein gesteigerter Absatz bei E-Bikes und erwartete dreistellige Milliardenumsätze im Bereich Smartphone-Zubehör in die Liste der ausgewählten fünf Tech Trends 2020 bei Deloitte schaffen, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder erwartet uns kommendes Jahr tatsächlich kein Feuerwerk der Innovation, oder man hat beim Beratungsriesen irgendetwas übersehen. Für die erste These spricht, dass auch Gartner in seinen zehn Voraussagen für kommendes Jahr kaum bahnbrechende Neuerungen vorbringt. Freilich enthalten auch die Gartner Tech Trends 2020 Themen, die dann doch nicht ganz auf der Hand liegen, wenngleich das große Staunen trotzdem ausbleibt. Im Vorjahr hatte Deloitte bei seinen TMT Predictions übrigens Trend-Vorhersagen zu Smart Speakern, eSports und 5G im Fokus.

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