01.10.2019

talentify: Der Weg vom EduTech zum HR-Startup

Das Startup talentify hat eine mobile Plattform für Schüler-zu-Schüler-Lernhilfe entwickelt. Im Gespräch mit dem brutkasten erläutert der Gründer Bernhard Hofer, wie sich die Plattform über die letzten drei Jahre weiterentwickelt hat und talentify Marktreife erlangte.
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Die Nachfrage nach Nachhilfe ist hierzulande ungebrochen. Der Markt dafür wird in Österreich auf rund 100 Millionen Euro geschätzt. Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts IFES kommt zum Schluss, dass in Österreich bereits jeder dritte Schüler private Nachhilfe bekommt – das entspricht rund 327.000 Schülern. 

+++ “aws Connect”: Neue Plattform matcht Startups, KMU, Corporates und Investoren +++

Obgleich der Markt hierzulande noch immer stark offline geprägt ist, drängen in den letzten Jahren immer mehr österreichische EduTechs auf den Markt, die sich die Digitalisierung zu Nutze machen und innovative Lernlösungen entwickeln. Eines dieser EduTechs ist talentify mit der gleichnamigen Plattform talentify.me. 

Schüler helfen Schülern

Das Startup hat eine Online-Plattform entwickelt, über die sich Schüler vernetzen können und Peer-to-Peer-Lernhilfe anbieten. Ziel dahinter ist, dass sich erfahrene Schüler mit weniger erfahrenen Schülern vernetzen und diese beim Lernen unterstützen. 

Die Schüler, die Nachhilfe geben, erhalten im Gegenzug von den Nachhilfe-Schülern einen vorab definierten Geldbetrag. Dieser wird von der Plattform nicht vorgegeben, darf aber  nicht mehr als 10 Euro ausmachen. Wie Gründer Bernhard Hofer erläutert, können sich die Schüler damit nicht nur ihr Taschengeld aufbessern, sondern sie sollen dadurch auch lernen Verantwortung zu übernehmen. Der Zugang zur Plattform ist für Schüler kostenlos.

10.000 aktive Nutzer pro Monat

Die Plattform zählt mittlerweile 10.000 aktive Nutzer pro Monat. Sie ist seit 2015 online. Die Idee dahinter ist allerdings schon älter und reicht zurück als Hofer noch selbst in die Schule ging. Damals startete er an seiner HTL ein “Social-Buddy-System”, das rund fünfzehn Jahre später in die Online-Plattform mündete.

Stärkenprofil und Zugang zum Jobmarkt

Mittlerweile verfügt die Plattform über mehrere Funktionen. Neben der Vermittlung von Lernhilfe können Jugendliche über ein Tool herausfinden, welche Stärken sie haben. So fließen alle Interaktionen auf der Plattform, wie beispielsweise gemeinsames Lernen oder besuchte Workshops, in ein individuelle Stärkenprofil mit ein. 

Das Besondere daran: Mit den Stärkenprofilen werden den Schülern nicht nur Zukunftsperspektiven aufgezeigt, sondern sie erhalten darüber hinaus eine kostenlose Berufsorientierung sowie Zugang zum Arbeitsmarkt. Dafür werden ihre Fähigkeiten mit den passenden Unternehmen gematcht . Umgekehrt erhalten die teilnehmenden Unternehmen Zugang zu jungen Talenten – in Zeiten des Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Kanal für Recruiting.

talentify ist ein Sozialunternehmen

Wie Hofer erläutert, sei sein Startup ein Sozialunternehmen. Um die laufenden Kosten zu decken, verfolge man einen hybriden Ansatz. Einerseits greife das Startup auf Förderungen, Stiftungen und private Spenden zurück, andererseits betreibe man ein nachhaltiges und wirkungsorientiertes Geschäftsmodell, mit dem auch eigene Umsätze gemacht werden, so Hofer.

Zudem werden Umsätze durch das Matchmaking erwirtschaftet. So müssen Unternehmen, die über die Plattform junge Fachkräfte rekrutieren wollen, für den Zugang zur Plattform zahlen. Das Startup unterstützt weiters Unternehmen auch bei Themen wie Employer Branding sowie der jugendgerechten Kommunikation und Ansprache von Jugendlichen.

Neben diesem Service veranstaltet talentify in Unternehmen Workshops, in denen Jugendliche und unternehmensinterne Trainer ausgebildet werden. Ein Fokus liegt dabei auf der Lehre. “Mit den Workshops wollen wir dazu beitragen, dass weniger Lehrlinge ihre Lehre abbrechen”, so Hofer.

So gelang die Marktreife

Um die Plattform zur Marktreife zu führen, nahm das Startup im Jahr 2016 ein Investment von mehreren Impact orientierten Investoren in der Höhe von 250.000 Euro auf. Weiters erfolgte eine Seed-Finanzierung des Austria Wirtschaftsservice in der Höhe von insgesamt 750.000 Euro. Diese unterstützt die Gründung und den Aufbau innovativer Unternehmen im Hochtechnologiebereich. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Informations- und Kommunikationstechnologie, Physical Science und Life Sciences.

Expansion geplant

Nach der Weiterentwicklung der Plattform von einem Tool, das Lernhilfe unter Jugendlichen vermittelt hin zu einem HR-Startup, das junge Talente mit Unternehmen matcht, sind weitere Schritte der Expansion geplant. In diesem Zusammenhang verweist Hofer auf die Ambitionen auch am deutschen Markt durchzustarten. Zudem soll die Zielgruppe von talentify vergrößert werden. So sollen im nächsten Jahr nicht nur Schüler und Lehrlinge, sondern verstärkt auch Studierende angesprochen werden.


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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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