14.03.2016

Wimdu-HR-Chefin: “Startups müssen sich oft beim Kandidaten bewerben”

Beim Zimmervermittlungs-Startup "Wimdu" arbeiten fast 300 Menschen aus über 35 Nationen. Die Firmenzentrale befindet sich in Berlin, aber auch in Lissabon arbeiten knapp 80 Mitarbeiter. Insgesamt werden über 26 unterschiedliche Sprachen gesprochen. Im Gespräch mit dem Brutkasten verrät Antje Marquardt, Head of Human Resources, wie man die richtigen Mitarbeiter findet.
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(c) Wimdu: Antje Marquart ist HR-Chefin beim Zimmervermittlungs-Startup Wimdu.

Wimdu ist die Antwort der Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet auf Airbnb. Über fünf Millionen Übernachtungen wurden bereits über das Online-Portal vermittelt. Mehr als 300.000 Angebote stehen zurzeit in über 150 Ländern zur Verfügung. Im März 2011 wurde das Unternehmen von Arne Bleckwenn und Hinrich Dreiling gegründet – seit nunmehr einem Jahr wird das Unternehmen allerdings von den Gründern des Partnervermittlungs-Portal “Elitepartner” Sören Kress und Arne Kahlke geführt.

Firmensprache: Englisch

Neben Berlin gibt es auch einen Firmensitz in Lissabon, wo rund 80 Mitarbeiter arbeiten – hauptsächlich aus dem Customer Support Team. Inzwischen befindet sich auch ein Mitglied der Führungsetage direkt vor Ort. Ansonsten ist man täglich immer in Kontakt. Bevorzugtes Tool: Skype. Firmensprache: Englisch. Auch im riesigen Büro von Wimdu in Berlin hört man hauptsächlich Englisch. “Man muss nun nicht perfektes Englisch können, aber man darf keine Angst vorm Sprechen haben”, erklärt HR-Chefin Antje Marquardt.

Mehr als die Hälfte der Plätze im kreativen Büro bei Wimdu sind vom riesigen Entwicklerteam belegt. Dass in Europa ein IT-Fachkräfte Mangel herrscht, bekommt man allerdings auch hier zu spüren. Dem Brutkasten verrät die HR-Chefin Antje Marquardt wie es Wimdu bzw. Startups trotzdem gelingt, die Entwickler nach Berlin zu holen.

Gesucht und gefunden

Wimdu rekrutiert weltweit. Entwickler, die beim Vermittlungs-Portal starten, werden nach Berlin “relocated”. Programmierer aus Brasilien, Ägypten, Weißrussland, Ukraine oder etwa Portugal arbeiten in der Firmenzentrale des Online-Portals in Berlin. “Wir übernehmen für unsere Mitarbeiter den gesamten Papierkram und übernehmen auch die Kommunikation mit der Botschaft”, klärt Marquardt auf. Auch hier vor Ort, übernimmt Wimdu den Gang zum Amt. “Inzwischen haben wir die ganze Erfahrung ‘in house’. Wir brauchen keine externen Agenturen”, so Marquardt – vielleicht sogar ein bisschen stolz.

Es gibt einige aus dem Ausland, die sich beworben haben, die Wimdu gerne angestellt hätte, aber bei denen es mit dem Visum kurzfristig doch nicht geklappt hat. Zum Beispiel ist es oft so, dass es für jene Bewerber schwieriger ist, ein Visum zu bekommen, die keinen Hochschulabschluss haben. Inzwischen sucht man gezielt nach jenem Fachpersonal, das die Voraussetzungen erfüllt. Man weiß auch, dass die Höhe des Einkommens ebenfalls ein Entscheidungskriterium für das Visum ist – darum wird das Einstiegsgehalt an die Erfordernisse angepasst.

“Es wird heutzutage immer wichtiger, den Kandidaten coole Benefits zu bieten”, HR-Chefin Antje Marquardt.

Bei Wimdu werden Kandidaten jedenfalls auch ins Büro in Berlin eingeladen. Bei jenen, die ein Visum benötigen, geht das nicht. Da muss man dann auf die Skype Gespräche vertrauen. Zusätzlich müssen Kandidaten Tests bestehen. Wimdu prüft damit, ob alltägliche Aufgaben bewältigt werden können, fachliche Kenntnisse vorhanden sind und ob der Bewerber in die Unternehmenskultur hineinpasst. Oft programmieren auch zwei Entwickler zusammen an etwas – am Ende wird der Kandidat vom Wimdu-Entwickler eingeschätzt, der dann eine Empfehlung abgibt oder eben nicht.

Schwierige Suche

“Zunächst mussten wir den Bekanntheitsgrad von Wimdu steigern, dafür haben wir beispielsweise schon TV Werbung geschalten”, so Marquardt. “Es ist auch immer wichtiger, coole Benefits zu haben.” Ausschlaggebend können etwa Kindergartenplätze für den Familiennachzug sein oder Unterstützung bei der Wohnungssuche – denn meist wird die komplette Familie umgesiedelt. Auch die angebotenen Deutschkurse bei Wimdu können das i-Tüpfelchen sein.

Die Kandidaten sind generell sehr wählerisch geworden. Das Bereitstellen von Getränken oder Obst ist beispielsweise kein richtiger Benefit mehr. Deutsch- oder Yogakurse macht noch nicht jeder. “Inzwischen ist es schon so, dass sich Unternehmen nicht selten beim Kandidaten bewerben müssen”, meint Marquardt.

Das perfekte Interview

“Das beste Interview wirkt wie ein Gespräch”, meint die HR-Chefin. Die klassischen Fragen über Stärken oder Schwächen des Kandidaten, sind dabei längst veraltet – “Darauf hat doch jeder bereits eine vorgefertige Antwort” Es geht darum, so nah wie möglich an der Praxis zu fragen. Und um ein gegenseitiges Kennenlernen und Interesse. Es geht nämlich nicht nur darum: Passt der Kandidat zum Unternehmen, sondern dieser muss beantworten können, ob das Unternehmen auch zu ihm passt.

HR-Team-Aufbau

Ab wann braucht man denn ein HR-Team? “Das kommt stark auf die Erfahrung der Gründer an”, so Marquardt. “Ich tendiere schon eher zu, ‘so früh wie möglich’, denn es gibt schließlich viele rechtliche Bestimmungen, die man beachten muss – die das Gründerteam erst erlernen muss und damit aufgehalten wird.”

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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