17.12.2021

Startup300-Vorstand Eisler: “Möchten uns aufrichtig entschuldigen”

Michael Eisler hat startup300 gegründet und gemeinsam mit Bernhard Lehner an die Wiener Börse geführt. In einem Gastkommentar erklärt er, warum nun das Delisting folgt.
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Startup300-Vorstand Michael Eisler © startup300
Startup300-Vorstand Michael Eisler © startup300
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Es uns die letzten drei Jahre nicht gelungen, den Aktienkurs von startup300 auf dem Niveau des Listing-Preises zu halten. Wir möchten uns dafür auch aufrichtig bei unseren Aktionärinnen und Aktionären entschuldigen. Es gibt hier sicherlich viele, die sich, wie auch wir, eine bessere Entwicklung erwartet hätten. Es war sicherlich ein Fehler unsererseits mit den rund 150 Aktionären, die vor Oktober 2018 zu 10 Euro pro Aktie investiert haben, keine entsprechende Lock-up-Periode zu vereinbaren.

Dies hätte uns sicherlich mehr Zeit gegeben, den großen Verkaufsdruck in den ersten Monaten zu kontrollieren. Insgesamt haben hier doch Viele aus der Startphase einen enormen Kursgewinn realisiert. Die Stimmen jener Aktionär:innen werden wir in der aktuellen Diskussion nicht mehr hören, es soll aber trotzdem erwähnt sein, dass in den ersten 6 Monaten hier Multiples von 4 bis 5 realisiert wurden.

Leistungsangebot der startup300-Gruppe

Wir haben speziell 2019 mit CONDA und Minted erhebliche M&A-Transaktionen unternommen, nachdem wir bereits 2018 die Pioneers übernommen hatten. Insgesamt hat uns der Betrieb dieser operativen Einheiten zwar einen wesentlichen Platz in der österreichischen Startup-Szene gesichert. Wir konnten damit entlang der Wertschöpfungskette Startups besser unterstützen und unseren Dealflow stärken, um spannende Investments in frühen Phasen zu tätigen. Gleichzeitig haben wir die Betreuung von Corporate-Startup-Kollaboration mit Pioneers forciert und über CONDA auch versucht, mehr Investor:innen und Business-Angels zu gewinnen, um insgesamt für Startups ein Leistungsangebot in der startup300-Gruppe zu haben, das uns einen klaren Vorteil als Investor verschaffen sollte.

Schmerzliche Maßnahmen

Anstatt unser Kapital in den Ausbau unseres Portfolios zu investieren, sahen wir uns mit erheblichen Kosten durch die schwache Geschäftsentwicklung der operativen Einheiten konfrontiert und haben bereits Ende 2019 begonnen, entsprechende Maßnahmen zu setzen. Zum Beispiel die schmerzliche Einstellung des Pioneers Festivals, wo wir 2019 einen Verlust von einer Million Euro eingefahren haben und es leider schon 2018 nicht mehr gelungen ist, das Festival profitabel zu betreiben. Die Gründe dafür sind vielschichtig, einerseits waren Corporates nicht mehr bereit, reine Sponsorings zu machen, aber auch die Unterstützung der öffentlichen Hand ist über die Jahre gesunken, im Gegenzug sind aber Kosten für uns für die Wiener Hofburg von rund 250.000 Euro entstanden. 

Die Unternehmensgruppe CONDA konnten wir bereits 2020 auf einen positiven und profitablen Wachstumspfad bringen, mussten hier aber strukturell und organisatorisch enormen Aufwand betreiben. Durch diese auch finanziellen Anstrengungen haben sich deutliche Verluste in den Jahren 2019 und 2020 ergeben, die ein Investieren in Startups sehr schwierig gemacht haben. Wir mussten die operativen Einheiten stützen und den Fokus auf die Verbesserung der Rentabilität legen.

Corona war auch nicht hilfreich

Der Ausbruch der Coronakrise war auch nicht hilfreich: 2020 konnten wir speziell bei Corporates um 40% weniger Umsatz generieren. Schlussendlich resultiert daraus auch der Börsenkurs, der natürlich auch von unseren finanziellen Kennzahlen beeinflusst wird und der Markt auch deutlich spüren konnte, dass wir nicht in allen Bereichen mit tollen Neuigkeiten strahlen können.

Mit einem niedrigen Börsenkurs sind uns nun auch Finanzinstrumente wie Kapitalerhöhungen verwehrt, da die Aufnahme von Kapital zu niedrigen Aktienkursen eine erhebliche Verwässerung aller Aktonär:innen bedeuten würde, was auch nicht im Sinne des Unternehmens sein kann. Daher ist der Schritt des Delistings nun vernünftig.

Die Kosten in Verbindung mit dem Listing

Kosten für M&A-Transaktionen, Integrationskosten, Beratungskosten in Verbindung mit dem Börsenlisting haben in den Jahren 2019/2020 sicher auch 500.000 Euro betragen, obwohl wir stets sehr kostenbewusst agiert haben. Rückblickend würde ich glauben, dass eine Struktur mit rund 60 Mitarbeiter:innen und einem Gruppen-Umsatz von rund 7,3 Millionen Euro nicht in der Lage ist, einen adäquaten Teilnehmer der Börse darzustellen, wenn kein skalierbares Geschäftsmodell vorhanden ist, das ein Vorhalten entsprechender Ressourcen rechtfertigt und die Instrumente der Kapitalisierung nutzen kann. Wir haben 2019 eine Kapitalerhöhung und 2020 die Aufnahme einer Wandelschuldverschreibung gemacht, konnten aber keine institutionellen Investoren gewinnen, was somit den Zugang zum Kapitalmarkt für uns unnötig gemacht hat.

Ob wir das vorher hätten wissen müssen, ist eine berechtigte Frage, die wir uns natürlich auch stellen. Jedoch war das Marksegment auch für uns neu und für uns als Börse-Neuling nicht absehbar, dass der Kapitalmarkt uns de facto als “nicht börsennotiert” einstufen würde. Manche wegen dem Marktsegment (MTF anstatt Amtlicher Handel), manche wegen Liquidität und Spread (4% sind vorgegeben von der Wiener Börse für etwaige Market Maker, was im Vergleich zum Prime-Segment viel ist; vom Listing im Jänner 2019 bis März 2020 hatten wir einen Market-Maker und waren im fortlaufenden Handel, danach in der täglichen Auktion), andere wegen Nicht-Einhaltung von IFRS-Bilanzierung, die wir wegen der enormen Kosten nicht hätten liefern können, und natürlich aber auch basierend auf unseren Finanzkennzahlen, die wir, wie oben beschrieben, natürlich selbst zu verantworten haben.

Unternehmenswert geschätzte 15 Mio. Euro

Es ist wichtig, dass wir uns vorerst auf die Veräusserung einiger Assets konzentrieren, die langfristigen Verbindlichkeiten reduzieren und damit in eine Situation kommen, die ein neues Setup und eine neue Strategie ermöglicht. Wir gehen davon aus, dass wir unsere Verbindlichkeiten mittelfristig abbauen können, und dass diesen Verbindlichkeiten weiterhin zusätzliche, werthaltige Assets gegenüber stehen, die wir, wie kommuniziert, auf insgesamt 15 Millionen Euro schätzen. Dieser Wert kann sich bei positiver Entwicklung im Startup-Portfolio auch nach oben bewegen und natürlich, wie in dieser Branche üblich, aber auch zu Wertberichtigungen führen, wie wir dies völlig unerwartet im Geschäftsjahr 2020 für unsere sehr aussichtsreiche Startup-Beteiligung waytation oder vorsorglich für unsere strategische Beteiligung von Talent Garden machen mussten. Beides ist eindeutig auf die Coronakrise zurückzuführen.

Listing im Vienna MTF ohne Vorteile für startup300

Wir halten deswegen den Schritt, mittelfristig in eine Desinvestition zu gehen, für richtig. Das Börsenlisting im Vienna MTF bietet dem Unternehmen keine Vorteile. Wir möchten damit auch Kosten von rund 100.000 Euro im Jahr einsparen, die sich aus internen und externen Kosten zusammensetzen und in keiner Relation zum Handelsvolumen mehr stehen, das 2021 insgesamt nur mehr rund 360.000 Euro betragen hat. Insbesondere nicht, wenn wir die Strategie des Wachstums als Ökosystem aufgeben und aktuell realistisch auch keine Finanzinstrumente nutzen können, um unsere Investment-Tätigkeiten in Startups auszubauen.

Wir haben uns auch entschieden, nicht wie ein Fonds zu agieren, da wir stets überzeugt waren, dass wir aus dem operativen Geschäft ausreichend cashflow generieren können, um in Startups Kapital zu investieren. Als Aktiengesellschaft über eine Kapitalerhöhung neues Kapital aufzunehmen, um ausreichend im Sinne einer Fonds-Mathematik investieren zu können, ist nur mit einer Börsenbewertung möglich, die uns eine Aufnahme von 10-20 Millionen Euro ermöglicht und das ist bei einer Marktkapitalisierung von rund 7 Millionen Euro ausgeschlossen. 

Das Delisting ist eine logische Konsequenz aus diesen kausalen Zusammenhängen, es bedeutet aber natürlich nicht, dass das Geld verloren ist. Es bedeutet aber auch nicht, dass wir ohne dem Börselisting wieder einen Preis von 10€ pro Aktie erreichen könnten. Es schmerzt natürlich jeden, auch uns, dass der Aktienpreis um 85% gefallen ist und viele Aktionär:innen einen Verlust in den Büchern sehen, den sie emotional mit dem Delisting nun auch realisieren – allerdings faktisch ja natürlich nicht.

Wir werden alles geben, um die bestehenden Assets so zu verwalten, dass wir diesen Verlust mindern. Natürlich können nach einem Geschäftsjahr 2022 eine neue Strategie oder neue Chancen entstehen, die wir selbstverständlich prüfen werden. In der aktuellen Situation sehen wir als Vorstand aber die Verantwortung, nun die Richtung zu wechseln, wie wir das mit dem Schritt gestern getan und erklärt haben.

Über den Autor

Michael Eisler ist ein Serial Entrepreneur und erfahrener Startup-Founder. Geboren (1980) und aufgewachsen in Linz machte er seine ersten unternehmerischen Schritte bereits während seiner Schulzeit in einer Informatik-HTL. Unmittelbar nach Schulabschluss gründete er die DIG AG, die er bis 2012 auf 35 Mitarbeiter entwickelte und anschließend an die Liechtensteinische Post AG verkaufte. Die Gründung der Wappwolf Inc. führte ihn an die US-Westküste, an der er mehrere Jahre arbeitete und lebte, unter anderem in Los Angeles als General Manager von Talenthouse. 2012 hat er Startup300 gegründet, das er seit 2015 gemeinsam mit Bernhard Lehner aufbaut. Seit 2015 lebt Michael Eisler mit seiner Familie in Linz.

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N26-Founder Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf Onlinebank neobank n26
N26-Founder Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf (v.li.) (c) N26

Elf Jahre nach ihrer Gründung gelingt es der Neobank N26, über einen längeren Zeitraum profitabel zu wirtschaften. Im dritten Quartal dieses Jahres erzielte das Unternehmen zum ersten Mal ein operatives Ergebnis von 2,8 Millionen Euro im Plus. Bereits im Juni konnte die Neobank ihren ersten monatlichen Gewinn verbuchen – brutkasten berichtete.

2024: 440 Mio. Euro Umsatz

Mitte des Jahres äußerte CEO Valentin Stalf die Hoffnung, dass das gesamte Jahr profitabel ausfallen könnte. Fünf Monate später steht N26 jedoch vor einem (unbereinigten) operativen Jahresminus von etwa 20 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag das Minus noch bei 78,3 Millionen Euro.

Die aktuellen Zahlen verdeutlichen, dass es für die Neobank N26 in diesem Jahr deutlich bergauf geht. Der Umsatz wird voraussichtlich rund 440 Millionen Euro erreichen, was einem Wachstum von etwa 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Nahezu die Hälfte davon soll aus Zinserträgen stammen, ergänzt durch Erträge aus der Veranlagung von Kundengeldern und einem wachsenden Anteil aus dem Kreditgeschäft. Der Rest resultiert aus Gebühren und Provisionen.

N26: Transaktionsvolumen von 140 Milliarden Euro

Erstmals überschritt der Betrag der Kundeneinlagen in diesem Jahr die zehn Milliarden Euro. Das Transaktionsvolumen soll 2024 zudem 140 Milliarden Euro erreichen.

Nach der Aufhebung der Wachstumsbeschränkung im Juni, die von der deutschen Finanzaufsicht Bafin aufgrund von Mängeln in der Geldwäsche- und Betrugsbekämpfung verhängt wurde, verzeichnet N26 aktuell mehr als 200.000 Neuanmeldungen pro Monat, wie Stalf verkündet.


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