02.09.2024
MEINUNGEN

Kaum Startup-Politik in Wahlprogrammen: Stimmen aus der Szene

Startup-Politik spielt in den Wahlprogrammen der Parteien zur nahenden Nationalratswahl einmal mehr kaum eine Rolle. Wir haben uns dazu in der Szene umgehört.
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Startup-Politik - Stimmen zu Wahlprogrammen: vlonru.: Hannah Wundsam, Hansi Hansmann, Laura Raggl, Kambis Kohansal Vajargah, Lisa Fassl, Johannes Braith
vlonru.: Hannah Wundsam, Hansi Hansmann, Laura Raggl, Kambis Kohansal Vajargah, Lisa Fassl, Johannes Braith | (c) AustrianStartups / Maximilian Rosenberger / Martin Pacher / WKÖ / Marcella Ruiz-Cruz / Storebox

“Bin ich enttäuscht, dass Startups eine – gelinde gesagt – sehr untergeordnete Rolle in den Wahlprogrammen spielen? Ja, tatsächlich sehr. Bin ich überrascht, dass sie eine untergeordnete Rolle spielen? Nein, leider überhaupt nicht”, sagt Lisa Fassl. Die Gründerin von Female Founders und Fund F und ehemalige Startup-Beauftragte im Wirtschaftsministerium sagt, was sich wohl die meisten in der Startup-Szene denken.

In den Wahlprogrammen der Parteien (bzw. im Fall der ÖVP im “Österreichplan” von Bundeskanzler Karl Nehammer) kommt der Begriff Startup mehrheitlich gar nicht vor. Forderungen aus der “Vision 2030” der Community-Organisationen finden sich darin kaum wieder, wie brutkasten berichtete. Explizite Startup-Politik ist also einmal mehr defacto kein Thema im Wahlkampf – einige allgemeine wirtschaftspolitische Punkte in den Programmen sind natürlich dennoch hochrelevant für Startups und Scaleups.

Hansmanns Schallplatte

Österreichs bekanntester Business Angel Hansi Hansmann, der ohnehin für kurze und prägnante Statements bekannt ist, äußert sich dazu auf brutkasten-Anfrage noch knapper als üblich: “Schallplatte: Investitionsfreibetrag und (großer!) Dachfonds. Wenn das im Programm ist (und dann auch gemacht wird, woran ich aus Erfahrung zweifle), ok. Wenn’s fehlt – schlecht”, schreibt er.

Wundsam: “Vertane Chance, das Potenzial von Startups nicht in das eigene Narrativ zu integrieren”

Und nicht nur Hansmann spielt die “Schallplatte” mit den zwei bekannten größten Forderungen der Community ab. “Einzelne Empfehlungen aus der Startup-Szene spiegeln sich in den verschiedenen Parteiprogrammen wider, auch wenn der Begriff ‘Startups’ meist unerwähnt bleibt. Dabei ist nicht entscheidend, wie oft das Wort ‘Startup’ im Wahlprogramm steht, sondern dass zentrale Themen wie unternehmerische Bildung, ein Investmentfreibetrag oder ein Dachfonds auch tatsächlich umgesetzt werden”, meint Hannah Wundsam, Co-Managing Director AustrianStartups. Denn: “Diese Maßnahmen stärken nicht nur die Startup-Szene, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs insgesamt.”

Dabei verweist Wundsam auch auf den jüngsten Vorstoß von Wirtschaftsminister Martin Kocher, den geforderten Dachfonds auf Schiene zu bringen – brutkasten berichtete. Das sei “zumindest ein erster, positiver Schritt”, meint die AustrianStartups-Chefin, “Noch ist jedoch nichts in Stein gemeißelt. Wichtiger wird sein, welche Empfehlungen letztlich ins Regierungsprogramm aufgenommen und wie viele davon tatsächlich realisiert werden.” Letztlich sei es “eine vertane Chance, das Potenzial von Startups nicht in das eigene Narrativ zu integrieren und so eine wirklich zukunftsweisende Politik zu gestalten.”

Raggl: “Wichtig ist natürlich, was letztendlich im Regierungsprogramm steht”

Ähnlich äußert sich ROI-Ventures-Gründerin und Mitglied des Startup-Rats im Wirtschaftsministerium Laura Raggl: “Wichtig ist natürlich, was letztendlich im Regierungsprogramm steht. Vor fünf Jahren im letzten Programm fanden sich immerhin 19 von 37 Forderungen der Startup-Interessensvertretungen wieder. Diese Basis war auch extrem wichtig, um dann in die Umsetzung zu gehen und Themen wie die FlexCo voranzutreiben”. Auch Raggl nennt dezidiert den “Rot-Weiß-Rot Fonds” und den Beteiligungsfreibetrag als wichtigste Themen, um private Investor:innen zu motivieren. “Das steht natürlich im Widerspruch zu Vorschlägen wie einer Vermögenssteuer”, fügt sie an.

Kohansal: Wahlprogramme im Detail abwarten

Einmal mehr “Schallplatte” mit Dachfonds und Beteiligungsfreibetrag gibt es gegenüber brutkasten auch von Kambis Kohansal Vajargah, u.a. Head of Startup Services der Wirtschaftskammer – “nicht nur, um Startups zu unterstützen, sondern Gründer:innen und KMU im erweiterten Sinne und um den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken”, meint er. Er räumt aber ein: “Es liegen derzeit noch nicht alle Wahlprogramme im Detail vor. Das gilt es zunächst abzuwarten.”

Ernüchterter Befund von Braith

Keine “Schallplatte”, dafür ein negativen Befund, gibt es von Storebox-Gründer Johannes Braith. Seine Begeisterung beim Lesen der diversen Wahlprogramme halte sich in Grenzen, wiewohl der Gründer festhält: “Natürlich ist es in einer Demokratie gut und wichtig, unterschiedliche Standpunkte nicht nur zuzulassen, sondern vor allem auch zu diskutieren, um Verständnis zu generieren.”

Zum geringen Anteil an Innovations- und insbesondere Startup-Politik in den Wahlprogrammen meint Braith: “Ehrlicherweise reflektiert das aber vermutlich seit längerer Zeit wieder einmal den tatsächlichen Stellenwert, den dieses Thema in der breiten Gesellschaft bzw. bei gemeinen Wählergruppen einnimmt.” Mehr störe ihn, dass “viele, viele konkrete Handlungsempfehlungen vorliegen – und das bereits seit etlichen Regierungskonstellationen in der Vergangenheit”.

“Wird nicht umgehend erkannt, welche Notwendigkeit eine ordentliche Politik für Gründerinnen für den Standort Österreich hat, werden wir die unmittelbaren negativen Folgen zu tragen haben. Kosmetische Veränderungen können mittlerweile nichts mehr bewirken – wir brauchen radikale und mutige Ansagen, die auch umgesetzt werden. Und das ist es, was ich an der Politik vermisse”, so der Storebox-Gründer.

Fassl: “Hoffe, dass bald der Tag kommt, an dem es ein Aufwachen und mutige Entscheidungen gibt”

Auch Lisa Fassl resümiert ernüchtert: “Die letzten Tage in Alpbach haben leider wieder einmal eindrücklich gezeigt, womit wir uns in Österreich gerne beschäftigen: mit uns selbst und dem Erhalt des Status Quo, selbst wenn der massive Bedarf nach Veränderung so eindrücklich spürbar wird wie hier, in jedem einzelnen Gespräch mit den Stipendiat:innen und den internationalen Gästen.”

Gefühlt lebe der Großteil der heimischen Bevölkerung und der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger:innen im Land “noch immer in einer Parallelwelt, in der disruptive Technologien und unternehmerische Verantwortung keine Rolle spielen”, meint Fassl. “Ich hoffe, dass bald der Tag kommt, an dem es ein Aufwachen und mutige Entscheidungen für unser Land gibt – es gäbe nämlich genug zu tun und die Frustration in der Bevölkerung steigt, besonders unter jungen Menschen.”

Doch Fassl fügt an: “Als grenzenlose Optimistin hoffe ich außerdem darauf, dass das Regierungsprogramm dann eine andere Sprache spricht und Startups und Tech den Stellenwert bekommen, den wir aus gesellschaftspolitischer und wirtschaftlicher Sicht verdienen.” Auch hiermit ist die Fund-F-Chefin ganz sicher nicht alleine in der Szene.

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Wie steht es um die Haltung und Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit in der heimischen Wirtschaft? Ein umfassendes Bild liefert eine neue Befragung der Unternehmenberatung Deloitte, die gemeinsam mit Foresight im Herbst 2024 über 400 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen befragt hat.

Strategische Verankerung fehlt

Das Ergebnis: Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Nachhaltigkeit. So schätzen 86 Prozent der Befragten das Thema als entscheidend für ihren künftigen Geschäftserfolg ein. Zudem haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung eingeleitet, etwa durch Photovoltaikanlagen oder den Umstieg auf grünen Strom. Diese Maßnahmen bleiben laut Deloitte jedoch häufig oberflächlich. Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft – inklusive klarer Zielsetzungen – ist oft nicht ausreichend ausgeprägt.

“Zwar setzen viele Betriebe bereits Einzelmaßnahmen um, aber es fehlen die strategische Verankerung sowie klar definierte und laufend überprüfte Nachhaltigkeitsziele. Die nachhaltige Transformation kann allerdings nur mit einem klaren strategischen Fokus gelingen“, so Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory & Financial Advisory bei Deloitte Österreich.

Geschäftskunden üben Druck aus

Besonders der Druck aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen treibt Unternehmen an. 60 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Geschäftskunden (30 Prozent) sowie öffentliche und private Kunden die Haupttreiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind. Dieser Druck wird durch strikte Berichtspflichten und die zunehmende Nachfrage nach Transparenz verstärkt.

Im Fokus vieler Nachhaltigkeitsagenden steht vor allem die Reduktion der CO2-Emissionen. 61 Prozent der Befragten haben dazu zwar mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen, hinsichtlich der erwartbaren Kosten für eine umfassende Dekarbonisierung herrscht aber große Unsicherheit. So kann oder will über ein Drittel (39 Prozent) derzeit keine Angaben über die diesbezügliche Kostenveranschlagung des Unternehmens machen.

Investitionsbereitschaft geht zurück

Gleichzeitig geht auch die Investitionsbereitschaft zurück: Der Anteil jener Betriebe, die von 500.000,- bis über fünf Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Dekarbonisierung aufwenden wollen, ist von 26 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent gesunken.

Ein wesentlicher Stolperstein ist die fehlende Klarheit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht. Rund ein Viertel der Unternehmen in Österreich weiß noch nicht, ob sie von der neuen Berichtspflicht betroffen sind, was Unsicherheiten bei der Planung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie für viele kleinere Unternehmen eine fast unüberwindbare Hürde.



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