18.10.2018

Politik für das Startup-Ecosystem in fünf Jahren

Was kann von staatlicher Seite für Startups gemacht werden? Wir haben dazu Statements von vier im Nationalrat vertretenen Parteien eingeholt.
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Startup-Politik für das Ölosystem in fünf Jahren
Kollage: derbrutkasten (c) (vlnr.) APA Fotoservice Juhasz; Parlamentsdirektion / Simonis; Neos; Stephanie Cox

Lange ist es noch nicht her, dass Startups es in Österreich explizit auf die politische Agenda geschafft haben. Nun, für Startup-Verhältnisse ist es doch schon eine halbe Ewigkeit. Den Anfang machte der damalige Staatssekretär, spätere Wirtschaftsminister und nunmehrige Wirtschaftskammer-Präsident (u.a.) Harald Mahrer (ÖVP), der 2015 begann, das Thema auf oberster politischer Ebene zu pushen. Neben konkreten Maßnahmen wie dem Alternativfinanzierungsgesetz (“Crowdfunding-Gesetz” – inzwischen novelliert), war es vor allem auch die Sichtbarkeit der Startup-Szene, die profitierte. So ließ sich Mahrer gerne mit einem T-Shirt mit der Aufschrift “No sleep till Gründer-Land Nr. 1” ablichten – es war der Anfang einer richtigen Startup-Politik in Österreich.

+++ Startups im Regierungsprogramm +++

Startups als Chefsache

Bei Einzelmaßnahmen sollte es nicht bleiben. Als Christian Kern im Frühling 2016 das Ruder in der SPÖ und den Kanzlerposten übernahm, schien das Thema endgültig ganz oben angekommen zu sein. Er erklärte Startup-Politik zur Chefsache und wenig später einigten sich SPÖ und ÖVP auf ein “Startup-Paket”. Über drei Jahre sollte es laufen. 185 Millionen Euro Budget waren dafür vorgesehen. Umgesetzt werden sollte unter anderem ein weiterer Ausbau der Förderlandschaft, eine Förderung von Lohnnebenkosten für Startups und eine Risikokapitalprämie für InvestorInnen.

“Außergewöhnlich kurzsichtig”

Doch viel davon passierte im Folgejahr nicht. Und dann kam die Neuwahl – und der Regierungswechsel. Das Wort Startup schaffte es genau acht Mal ins Regierungsprogramm. Doch: “Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ findet sich abseits von wolkigen Absichtserklärungen nicht viel. Was aber noch viel schwerer wiegt: Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt das Startup-Paket zusammengestrichen und die Förderungen halbiert. Das ist außergewöhnlich kurzsichtig”, bekrittelt SPÖ-KMU- und Startup-Sprecherin Cornelia Ecker gegenüber dem Brutkasten.

Startup-Szene ausgehungert?

Die jetzige Regierung habe ganz offensichtlich kein gesteigertes Interesse an Startups und ihrer Förderung, sagt Ecker. Und sie geht, sehr polemisch, noch weiter: “Während die Regierung den Großkonzernen und ÖVP-Großspendern millionenteure Steuergeschenke macht, wird die Startup-Szene ausgehungert. Das ist aus ökonomischer und beschäftigungspolitischer Sicht grundfalsch, weil diese Politik verkennt, dass es die GründerInnen sind, die Österreich mit ihrem Elan die Jobs der Zukunft schaffen”.

Konkrete Maßnahmen der Regierung

Es sind Vorwürfe, die Margarete Schramböck, Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, freilich nicht auf sich sitzen lässt. Sie betont unablässig, dass Startups ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stehen. Bei Startup-Veranstaltungen ist sie ein häufig gesehener Gast und mit Formaten wie dem “Startup-Frühstück”, holt sie persönlich die Wünsche von GründerInnen und anderen Playern der Szene ein.


(c) APA Fotoservice Juhasz: Margarete Schramböck, ÖVP

“Österreich hat eine lebendige und innovative Startup-Szene. Um diesen Bereich noch stärker zu fördern, verbessern wir laufend die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Abbau von Bürokratie und der Ausbau der Finanzierungsinstrumente haben oberste Priorität auf meiner Agenda. Es geht darum, dass sich die Startups auf das Wesentliche konzentrieren können: Ihre Ideen zu verwirklichen und Arbeitsplätze zu schaffen.” – Margarete Schramböck (ÖVP), Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort


Gegenüber dem Brutkasten führt sie einige konkrete Maßnahmen ins Treffen, die bereits umgesetzt wurden, oder derzeit umgesetzt werden. “Wir haben etwa neue Formate eingeführt, um schneller an Förderungen zu kommen, nämlich ‘Pitch Your Idea!’ und den ‘aws-Förderkunfigurator’. Wir arbeiten an mehreren Eigenkapital-Initiativen. Am Mittelstandsfonds, dem Gründerfonds, dem Business Angel Fonds und einer Venture Capital- und einer Cleantech-Initiative”, sagt Schramböck. Gemeinsam mit dem aws und über Programme wie Jumpstart und GIN beackere man die Themen Finanzierung, Zuschüsse, Förderungen, Garantieprogramme und Internationalisierung und den Ausbau von Inkubatoren. Und die Digitalisierungsagentur DiA werde dafür sorgen, dass mit den richtigen Rahmenbedingungen noch mehr Startups in Österreich ihre digitalen Visionen verwirklichen können.

Verhaltenes Lob aus der Opposition

Es sind Bemühungen, die der Ministerin auch seitens einer anderen politischen Kontrahentin (verhaltenes) Lob einbringen. “Frau Ministerin Schramböck und ihr Team sind sehr bemüht etwas weiterzubringen. Die ‘digitalen Lehrberufe’ sind beispielsweise ein wichtiger Vorstoß. Auch neue Fördergelder für Innovationen und die hochkarätige Besetzung der Digitalisierungsagentur sind zu begrüßen”, sagt Stephanie Cox, Startup-Sprecherin der Liste Pilz und selbst Gründerin, gegenüber dem Brutkasten.


Stephanie Cox - Startup-Politik
(c) Stephanie Cox

“Politik sollte im Idealfall eine Brücke zur Gesellschaft sein. Vor allem, damit außerhalb der ‘Startup Bubble’ die Wichtigkeit von Innovation und der Umsetzung dieser Innovationen gesehen wird. Dazu helfen natürlich die richtigen Rahmenbedingungen – und da spielt Politik wiederum eine wichtige Rolle.” – Stephanie Cox (Liste Pilz), Sprecherin für Bildung, Digitalisierung und Gleichbehandlung

 


“In Zahlen gegossene Prioritätensetzung”

Zufrieden ist Cox dennoch nicht. Ähnlich wie Cornelia Ecker von der SPÖ sieht sie Mängel bei der Prioritätensetzung. “Digitalisierung spielt eine solch wichtige Rolle und beeinflusst alle Lebensbereiche. Diese Wichtigkeit spiegelt sich aber für diese Regierung nicht im Budget des Digitalisierungsministerium wider: Wie man so schön sagt ‘Das Budget ist in Zahlen gegossene Prioritätensetzung’. Die Priorität kann ich hier leider nicht erkennen. Ich befürchte, dass es deswegen oft bei Ankündigungen bleibt und die Umsetzung auf der Strecke bleiben wird”, sagt Cox.

Weniger Staat?

Doch was wird seitens der Opposition konkret in der Startup-Politik gefordert? Naturgemäß haben die drei Oppositionsparteien im Nationalrat sehr unterschiedliche Vorstellungen. Weniger Staat wünscht sich gegenüber dem Brutkasten Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: “Wichtige Maßnahmen sind etwa die Entfernung unnötiger Hürden für das Unternehmertum bei Gründung und Betrieb. Das bedeutet die Abschaffung von Bagatellsteuern, die Senkung der Lohnnebenkosten und eine Neuausrichtung der Gewerbeordnung mit einer Reduktion auf die notwendigsten Einschränkungen”. Und Meinl-Reisinger führt einen weiteren Dauerbrenner in der Startup-Politik-Diskussion ins Treffen: “Uns ist die Mitarbeiterbeteiligung ein großes Anliegen. Unternehmensanteile an Startups sind sehr oft begehrter als eine hohe Entlohnung, vor allem dann, wenn man als Anteilseigner auch an der Wertsteigerung des Unternehmens beteiligt ist”.


Meinl-Reisinger Neos Startup-Politik
(c) Neos: Beate Meinl-Reisinger

“Startups sind ein wichtiger Faktor für die Attraktivität des österreichischen und europäischen Wirtschaftsstandortes. Leider haben wir klare Defizite im internationalen Vergleich, die behoben werden müssen.” – Beate Meinl-Reisinger (Neos), Bundesvorsitzende

 

 

 


Mehr Staat?

Das aktuelle Programm der SPÖ in Sachen Startups baut auf dem oben erwähnten (abgeblasenen) Startup-Paket auf. “Es geht besonders darum, den jungen Unternehmen dabei zu helfen, ihre ersten MitarbeiterInnen zu beschäftigen durch eine gezielte Unterstützung bei den Lohnnebenkosten”, sagt Cornelia Ecker. Für ihre Partei darf es ruhig ein bisschen mehr Staat sein. “Wir haben Maßnahmen für eine aktive Strukturpolitik und Startup-Cluster samt Forschungsanbindung definiert, mit dem gar nicht so unbescheidenen Ziel, dass Österreich zum führenden Startup-Standort Europas wird”, sagt die Abgeordnete.

Anschlussfinanzierung und Frauenanteil

Und Stephanie Cox von der Liste Pilz bringt weitere Großthemen vor: “Eine langjährige Forderung von vielen Seiten darf in einem Fünfjahresplan nicht fehlen: Mobilisierung von mehr privatem Risikokapital, vor allem auch für Anschlussfinanzierungen. Das Ziel muss auch sein, herausragende Projekte aus der Spitzenforschung in österreichische Unternehmen zu verwandeln”. Und auch ein weiteres Dauer-Thema im Startup-Umfeld ist Cox ein wichtiges Anliegen: “Der Frauenanteil bei GründerInnen darf nicht bei zwölf Prozent bleiben. Das muss durch gezielte Förderung passieren, vor allem auch im Bildungsbereich: Es braucht geschlechtersensiblen Unterricht, der Mädchen und Burschen in ihren nicht-geschlechterstereotypen Interessen und Fähigkeiten bestärkt und fördert”, sagt die Startup-Sprecherin.


Startup-Politik
(c) Parlamentsdirektion / Simonis: Cornelia Ecker, SPÖ

“Österreich wurde lange als weißer Fleck auf der Startup-Landkarte wahrgenommen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Unsere Startup-Szene boomt. Eine kluge Wirtschaftspolitik täte gut daran, Startups sehr ernstzunehmen. Sie sind Innovationstreiber, sie entwickeln ganz neue Produkte und Services, sie schaffen Wachstum.” – Cornelia Ecker (SPÖ), Sprecherin für KMUs und Startups


Forderungen aus der Szene an die Startup-Politik

Die Forderungen der Opposition spiegeln dabei durchaus die Wünsche der Startup-Szene an die Startup-Politik wieder. Wie die Erhebung “Austrian Startup Monitor” von AustrianStartups, AIT und WU Gründungszentrum ergab, sind es einige der genannten Maßnahmen, die sich GründerInnen von der Politik wünschen. Die Top 5 Wünsche sind: “Senkung der Lohnnebenkosten”, “Weniger regulative und bürokratische Hürden”, “Besseres Verständnis für die besonderen Bedürfnisse von Startups”, “Steuersenkungen/-erleichterungen” und “Bessere Rahmenbedingungen für Risikokapital”.

Ist ein sachlicher Schulterschluss möglich?

Für das Startup Ecosystem bleibt zu wünschen, dass die politische Diskussion sich nicht in gegenseitigen Anschuldigungen verläuft, sondern zur Umsetzung einiger dieser Maßnahmen führt. Das notwendige Commitment scheint auf allen Seiten gegeben. Im wichtigsten Punkt, der Wichtigkeit von Startups für den Standort, scheinen sich Regierung und Opposition einig zu sein. Vielleicht gelingt ja ein sachlicher Schulterschluss in der Startup-Politik zum Wohle der Szene.

Anm.: Im Sinne objektiver Berichterstattung haben wir bei Schlüssel-AkteurInnen aller Parteien Statements für diesen Beitrag angefragt. Die mehrmalige Bitte um ein Statement blieb vom Büro von Innovationsminister Norbert Hofer (FPÖ) leider unbeantwortet.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”

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Christian Kern, Marie Ringler, Othmar Karas, Antonella Mei-Pochtler, Peter Oberlechner (v.l.n.r.) (c) Max Slovencik

Der ehemalige Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments, ÖVP-Politiker Othmar Karas, wurde am Montag zum neuen Präsidenten des European Forum Alpbach (EFA) gewählt. Damit folgt er auf Andreas Treichl, der nach vier Jahren im Amt zurücktritt. Treichl, der zuvor CEO der Erste Group war, möchte sich künftig auf die Weiterentwicklung der Erste Stiftung konzentrieren.

Nach seinem Rücktritt empfahl er Othmar Karas als seinen Nachfolger – brutkasten berichtete. Nun zeigt sich Treichl erfreut: „Mit Othmar Karas steht einer der am meisten überzeugten Europäer überhaupt an der Spitze des EFA“.

Auch der neue EFA-Präsident Karas drückt seine Freude über das neue Amt aus: „Es ist mir eine Ehre, gemeinsam mit einem sehr starken Team Verantwortung für das EFA zu übernehmen. Wir können auf einem guten Fundament aufbauen, möchten aber auch neue Impulse setzen. Der Anspruch, sich tiefgehend mit den komplexen Fragen unserer Zeit zu befassen, sind für mich Motivation, das EFA gemeinsam mit allen Beteiligten weiterzuentwickeln“.

Erfahrene Persönlichkeiten in der EFA-Führungsebene

Das sind nicht die einzigen Neuigkeiten aus dem European Forum Alpbach. Zukünftig wird das EFA auf eine erweiterte Führungsebene setzen. Der ehemalige österreichische Bundeskanzler und derzeitige CEO des Bahndienstleisters ELL, Christian Kern (SPÖ), wird seine Expertise einbringen. Zudem werden auch Sabine Herlitschka, CEO von Infineon Austria, und Peter Oberlechner, Partner bei Wolf Theiss, Teil des Teams sein. Antonella Mei-Pochtler und Marie Ringler bleiben dem EFA weiterhin erhalten.

Der Vorstand der EFA-Stiftung setzt sich künftig aus Caroline Hornstein-Tomić, Winfried Kneip und Klaus Welle zusammen. Der Strategic Advisory Council wird von Armin Laschet, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, geleitet.

Alpbach als “Treffpunkt für die besten Köpfe”

Das European Forum Alpbach setzt sich zum Ziel, Alpbach weiterhin „als einen Ort des Generationenaustausches und als Treffpunkt für die besten Köpfe aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft sowie Kunst und Kultur zu positionieren“. Die bereits bestehenden vier EFA-Schwerpunkte – Klima, Wirtschaft, Demokratie und Sicherheit – werden auch künftig im Mittelpunkt stehen.

Der ehemalige EFA-Präsident Treichl verfolgte mit „EFA365“ das Ziel, das European Forum Alpbach zu einer Institution zu entwickeln, die sich für die Zukunft Europas einsetzt und konkrete Ergebnisse erzielt. Karas wird dieses Ziel nun als Nachfolger Treichls weiterverfolgen.

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